Korea - Nord und Süd in ungleicher Partnerschaft
Die derzeitige Kampagne gegen Nordkorea schadet sowohl den südkoreanischen Interessen als auch den deutschen.
Beide Staaten Koreas befinden sich in gesellschaftlichen Krisen. Eine friedliche Annäherung und letztliche Wiedervereinigung wäre für das koreanische Volk ein historischer Fortschritt. Konservative Strömungen des Westens lehnen diese Entwicklung ab. Der vor allem von den USA im Februar 2015 initiierte Bericht der UN-Menschenrechtskonvention zu Nordkorea zielt auf einen konfrontativen Systemwechsel. Die damit einhergehende Destabilisierung schadet den Interessen sowohl Nord- als auch Südkoreas.
Today, the Security Council signaled that Pyongyang’s decades-long regime of massive cruelty against its own people must end
Kenneth Roth (Direktor Human Rights Watch)
But that can only happen if this cult leadership system is completely dismantled. And the only way to do that is if the Kim family is effectively displaced, is effectively removed from the scene, and a new leadership comes into place.
Marzuki an Darusmann (Berichterstatter der Vereinten Nationen zu Menschenrechtsfragen in Nordkorea)
Nur zwei O-Töne der derzeitigen "Menschrechts"-Kampagne gegen Nordkorea. Ziel der USA und ihrer Verbündeten ist ein (kriegerischer) Systemwechsel. Sie nutzen dabei die innere Schwäche des Regimes, das mit einer der schwersten Dürren der letzten 100 Jahre konfrontiert ist.
Eine Analyse der Interessen Südkoreas zeigt aber, dass ein gewaltsamer Regimewechsel in Nordkorea nicht im nationalen Interesse liegt. Im Gegenteil. Der Süden braucht den Norden, um sich selbst zu stabilisieren. Die Potentiale und Möglichkeiten dafür sind vorhanden. Beide Staaten sind von Parallelen in den Bereichen Demographie, Wirtschaft und Militär geprägt
1. Bevölkerung
In beiden Staaten wächst nach dem Ende des Koreakrieges (1951-1953) die Bevölkerung kontinuierlich. Die Relation zueinander blieb stabil. Im Gebiet des heutigen Nordkorea lebten Ende der 1940er Jahre ca. 55 Prozent der Einwohner der koreanischen Halbinsel. Bedingt durch die größere Opferzahl im Koreakrieg sowie einer höheren Geburtenrate im Süden, stellte Nordkorea in den 1960er Jahren nur noch 44 Prozent der Koreaner. Seitdem wächst die Bevölkerung in Nordkorea schneller und erreichte zur Jahrhundertwende wieder 50 Prozent.
Eine Ursache für die Parallelentwicklung der Gesellschaften liegt im ähnlichen Geburtenverhalten. In beiden Staaten sinkt die Geburtenrate seit den 1960er Jahre kontinuierlich und liegt inzwischen unterhalb des Reproduktionsniveaus. Südkorea hat mit nur noch ca. 1,2 Kindern pro Frau eines der niedrigsten Reproduktionsniveaus der Welt (Nordkorea stabilisierte sich bei zwei Kindern pro Frau). In der Region weisen nur Teile Chinas (v.a. Hongkong und Macao) niedrigere Werte auf.
Beide Staaten zählen zu den weltweit ethnisch homogensten. Es existieren keine "alten" Minderheiten. Ebenfalls leben in Nord- und Südkorea nur sehr wenige Ausländer. Nach offiziellen Schätzungen beträgt der Anteil der Migranten in Südkorea etwas über zwei Prozent der Bevölkerung. Über die Hälfte der Einwanderer sind Auslands-Koreaner vor allem aus China. Weitere große Gruppen sind (vorübergehend wohnhafte) Studenten und Mitarbeiter ausländischer Firmen. Zunehmend wandern asiatische (Billig-)Arbeitskräfte ein, denen jedoch eine dauerhafte Einbürgerung verwehrt wird.
Traditionell war Südkorea gekennzeichnet durch eine Abwanderung von Arbeitskräften. So betrug der Nettoverlust allein in den 1990er Jahren über eine Million Menschen. Erst seit 2005 erreichte der Süden über Reformen der Einwanderungsgesetze eine positive Netto-Einwanderung pro Jahr. 1
Fraglich ist aber, ob die abgeschottete Gesellschaft eine weiter steigende Zahl von Ausländern dauerhaft akzeptiert. Hohe Hürden für Nicht-Akademiker bei der Einwanderung, anhaltende Ausgrenzung aus den sozialen Sicherungssystemen, Ablehnung gemischter Ehen sowie die breite Unterstützung dieser Abschottung durch die Bevölkerung zeigen die engen Grenzen der Migrationspolitik auf. Förderung der eigenen Wirtschaft ja, aber eine Öffnung der Gesellschaft wird entgegen anderslautenden Parolen abgelehnt.