Korea - Nord und Süd in ungleicher Partnerschaft

Seite 3: 3. Militär: Vorstellungen von Millionen hochgerüsteter Soldaten, die den Süden überrennen, entstammen vergangenheitsorientierter Militärpropaganda

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Nordkorea gibt einen Großteil seiner Ressourcen für das Militär aus. Allerdings erfüllt dieses auch wirtschaftliche Aufgaben. So setzt die Regierung Soldaten im Straßenbau, in Bergwerken oder in Kultureinrichtungen ein. Dadurch sind verlässliche Aussagen zur militärischen Stärke und zum Rüstungsniveau Nordkoreas kaum möglich.

Institute wie das IISS aus London, bekannt für seine pro-atlantische Haltung, bauschen die Zahlen in Zusammenspiel mit (südkoreanischen) Hardlinern auf. Anlass ist die Außenpolitik Nordkoreas, die ihrerseits versucht, mittels Propaganda sowie militärischen Machtdemonstrationen eine Drohkulisse aufzubauen. Das soll sowohl eine militärische Aggression abschrecken, als auch weitere Unterstützung für das Regime zum Beispiel bei Nahrungsmittellieferungen erpressen.

Zur Aufrechterhaltung dieses Szenarios verbietet Nordkorea neutralen Beobachtern die Einreise. Entsprechend veröffentlichen nur ausländische Geheimdienste Informationen über den Zustand des nordkoreanischen Militärs. Ob diese Zahlen realistisch sind, ist mehr als fragwürdig. Renommierte unabhängige Institute der Friedens- und Konfliktforschung wie SIPRI oder BICC veröffentlichen keine Gesamteinschätzungen.

Soldaten bewachen den Grenzübergang in Panmunjeom. Bild: UNC - CFC - USFK. Lizenz: CC-BY-2.0

Anhaltspunkte über die militärische Stärke bzw. Schwäche liefern ökonomische Schätzungen. Danach liegen die nordkoreanischen Militärausgaben bei maximal 15 Prozent des Bruttonationalproduktes. Das entspräche in etwa einem Jahresetat von 1.500 € pro Soldaten. Südkorea wendet hingegen mehr als 16.000 € pro Soldaten auf - bei nur 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukt.

Wie bei solchen ökonomischen Missverhältnissen eine leistungsfähige nordkoreanische Massenarmee aussehen soll, die Südkorea ernsthaft bedrohen kann, bleibt rätselhaft. Vorstellungen von Millionen hochgerüsteter Soldaten, die den Süden überrennen, entstammen vergangenheitsorientierter Militärpropaganda. Ohne seine Nuklearwaffen ist das nordkoreanische Militär überaltert und unmodern. Eine bewusst unkalkulierbare, dennoch gefährliche militärische Zwergenmacht.

Gemeinsamkeiten der Bruderstaaten

Beide Länder weisen hohe Gemeinsamkeiten auf. Diese fußen auf einer ethnisch abgeschotteten, auf autoritäre Traditionen und Clanstrukturen ausgerichteten Kultur. Ausdruck findet dies in der dominierenden Religion des Ahnenkultes. Die ungefestigte "Demokratie" im Süden darf hier nicht überschätzt werden. Die gegenwärtige Präsidentin Südkoreas erlangte ihr Amt nicht obwohl ihr Vater jahrzehntelang eine totalitäre Militärdiktatur anführte, sondern gerade deshalb. Ihre Wahlversprechen orientierten auf Wirtschaftswachstum und außenpolitische Stärke. Der restriktive Umgang mit ihren Kritikern zeigt, dass die konservative Machtelite Demokratie dafür eher als Hindernis betrachtet.3

Die politischen Strukturen korrespondieren in beiden Ländern mit einer engen Verflechtung zwischen nationalen Großkonzernen und staatlichen Strukturen. Darüber erfolgt eine Verstärkung der wirtschaftlich-sozialen Abschottung der Gesellschaft bei gleichzeitiger Erforschung und Produktion von Hochtechnologiegütern. Diese Erzeugnisse sollen international wettbewerbsfähig sein, den Export der Volkswirtschaft stärken bzw. die Importe minimieren. Die Ausfuhr von Nuklear- und Raketentechnologien zeigt, dass auch Nordkorea international gefragte Hochtechnologie produziert.

Das Wirtschaftsmodell beider Staaten - wenn auch auf unterschiedlichen Niveau - befindet sich in einer Krise. Auch in Südkorea lassen sich die Risse nicht mehr überbrücken. Trotz anhaltenden Wirtschaftswachstum nimmt die Armut seit 1990 kontinuierlich zu. Lag die relative Armutsquote damals bei acht Prozent gelten nach aktuellster OECD-Statistik inzwischen ca. 15 Prozent der Haushalte als arm. Besonders die Altersarmut liegt mit fast 50 Prozent erschreckend hoch. Entsprechend weit verbreitet sind Phänomene wie Altersprostitution.

Auch andere Indikatoren wie wachsende Verschuldung der Haushalte und des Mittelstandes, die mangelnde Produktivität des Dienstleistungssektors sowie der hohe 25 Prozent-Anteil an Niedriglohnarbeitern zeigen, dass ein Wachstums der Industrie zu Lasten der Einkommen an ökonomisch-soziale Grenzen stößt.4