Korea - Nord und Süd in ungleicher Partnerschaft

Seite 4: Vorteile der Vereinigung

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Aus Sicht der süd-koreanischen Eliten könnte eine friedliche Vereinigung machtpolitisch bedeutsame Vorteile generieren. Die Industrie Südkoreas würde Zugriff auf die Rohstoffe des Nordens erhalten. Der gesamten Volkswirtschaft würde eine jüngere, disziplinierte und arbeitswillige Bevölkerung zugeführt, die auf lange Sicht einer enormen Menge an Konsumgütern bedarf. Zusätzlich würden die gemeinsamen Grenzen mit Russland als auch China neue geostrategische Lieferwege erschließen. Darüber hinaus bedeutet eine Vereinigung auch eine militärische Aufwertung. Ein vereinigtes Korea ist ein Nuklear(waffen)staat inklusive weitreichender Trägersysteme sowie einer hochmodernen konventionellen Rüstungsindustrie.

Diese Haltung unterstrich Präsidentin Südkoreas Park Geun-hye auf ihrer Deutschland-Reise im März 2014. Der gesamte Besuch war als Bekenntnis zur Wiedervereinigung konzipiert - angefangen von einem Besuch in der Dresdner-Frauenkirche bis hin zu ihrer Rede in der Technischen Universität Dresden mit dem Titel "An Initiative for Peaceful Unification on the Korean Peninsula".

The years since unification have seen Dresden emerge from a backwater into a world-class city known for its advanced science and technology. Other parts of the former East Germany also made huge strides forward. […] I believe that the Republic of Korea will similarly reach ever greater heights after unification.

Park Geun-hye

Ihre Rede führt die "Politik der Vertrauensbildung" fort - eine Balance zwischen der "Sonnenscheinpolitik" der Präsidenten Kim Dae-jung und Roh Moo-hyuns (1998 - 2008) und der "Politik der Härte" unter Lee Myung-bak (2008 - 2013).5 Sie knüpft dabei auch an das Erbe ihres Vaters an.

Eine solche Wiedervereinigung trifft nicht nur auf Gegenliebe. Insbesondere die von den südkoreanischen Eliten aufmerksam analysierte Wiedervereinigung Deutschlands gibt Orientierung. Innerhalb Südkoreas sehen viele Kritiker die enormen ökonomischen und sozialen Risiken einer solchen Entwicklung. Ebenfalls fürchten die christlichen Gemeinden Südkoreas, der 30 Prozent der Bevölkerung angehören, eine weitere Marginalisierung.

Demarkationslinie. Bild: Scott Stewart, U.S. Air Force

Auch US-amerikanische Herrschaftskreise sehen eine Vereinigung kritisch. Nordkorea ist sehr stark an China gebunden. Dieses würde, wie wahrscheinlich auch Russland, in einem vereinigten Korea an Einfluss gewinnen. Gleichzeitig schwände die Bedeutung der USA, da die Notwendigkeit von Sicherheitsgarantien überflüssig wäre. Ähnlich dem vereinigten Deutschland, könnte sich ein Großkorea strategisch neu positionieren. Die Priorität des inneren Aufbaus würde kaum Raum lassen für Konfrontationen mit den übermächtigen Nachbarn. Diese vor allem aus Sicht des Westens negative Option bestünde vor allem dann, wenn der Norden sich mit Vorstellungen einer Konföderation durchsetzt.

Der von westlichen Staaten durchgedrückte UN-Bericht soll diese Option verhindern. Stehen die nordkoreanischen Eliten unter internationalem Druck bzw. müssen sie Gesichts-/Einflussverlust fürchten, stimmen sie einer Vereinigung nicht zu. Es geht den reaktionären Kräften des Westens nicht um eine Vereinigung auf Augenhöhe, sondern um Unterwerfung zugunsten des Südens, inklusive Fortschreibung der US-amerikanischen West-Orientierung. Angesichts der gescheiterten "Demokratisierungs-Strategien" des Westens in Nordafrika und im Nahen Osten wird hier ein neuer Großkonflikt in Ostasien geschürt. Deutschland sollte hier in keinem Fall den militaristischen Strategien folgen.

Die Petition ist eine politische Fehlleistung. Sie dient weder den Interessen Südkoreas, noch erleichtert sie das Leben der Bevölkerung des Nordens. Deutschland sollte sich, unter Berücksichtigung der positiven und negativen Erfahrungen aus dem Prozess der deutschen Vereinigung, politisch-diplomatisch vermittelnd in den Vereinigungsprozess Koreas einbringen. Dazu gehört auch eine umfassende humanitäre Unterstützung Nordkoreas. Ein vereinigtes Korea befördert die Stabilität Ostasiens. Eine gesamtkoreanische Wachstumswirtschaft, die Befriedung der koreanischen Halbinsel und gegenseitig vorteilhafte Beziehungen würden den Interessen Deutschland nutzen.

Der Zeitpunkt einer Einheit Koreas ist nicht vorhersehbar. Aber er kann - wie das deutsche Beispiel zeigte - unverhofft und schnell kommen. Im 25. Jahr der deutschen und im 40. Jahr der vietnamesischen Wiedervereinigung ist historischer Realismus mit Blick auf die Einheit Koreas durchaus angebracht.

Kai Kleinwächter ist Mitarbeiter der Redaktion von WeltTrends - Zeitschrift für internationale Politik. Die Ausgabe zum Thema Südkorea und seine Nachbarn erschien im Dezember 2014. Ebenfalls bloggt der Autor auf e-Politik.