Kosovo: "Wenn die Sonne erlischt, bemalen wir den Himmel"
- Kosovo: "Wenn die Sonne erlischt, bemalen wir den Himmel"
- Der Jugoslawien-Krieg und die angegriffenen Europäer
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Erneut kommt es im Kosovo zum Kräftemessen serbischer und albanischer Nationalisten. Aber in der Hauptstadt Pristina existiert eine kleine Zivilgesellschaft, die damit nichts mehr zu tun haben will. Sie stört vor allem die Visumspflicht der EU.
Ende Dezember gab es ein kleines bisschen Entspannung in einem eingefrorenen Konflikt in Europa: Im Grenzkonflikt zwischen Serbien und dem Kosovo werden die Straßensperren wieder abgebaut. Der Kosovo mit 1,8 Millionen Einwohnern wird von Belgrad bis heute als abtrünniges südserbisches Gebiet betrachtet. Die Barrikaden hatten die Spannungen zwischen Belgrad und Pristina verschärft. Zuvor schien sich die Lage im Kosovo zuzuspitzen.
Die Auseinandersetzungen zwischen Serben und albanischen Kosovaren nahmen weiter zu. Die serbische Regierung hatte am Abend zuvor mitgeteilt, die Armee nach wochenlangen Spannungen mit der kosovarischen Regierung in Pristina in höchste Alarmbereitschaft zu versetzen.
Im nördlichen Teil des mehrheitlich albanischen Kosovo leben rund 50.000 Serben, welche die Regierung in Pristina nicht anerkennen. Der ultranationalistische serbische Präsident Aleksandar Vucic hatte sogar mit der Stationierung von Soldaten in den serbisch dominierten Teilen des Kosovo gedroht.
Allerdings war die Stimmung im knapp 100 Kilometer vom Konfliktherd entfernten Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, erstaunlich gelassen. Das Leben ging in der Stadt, deren herben Charme man erst durch längere Spaziergänge entdecken kann, weiter. "Niemand erwartet einen neuen Krieg. Das sind nur die Drohgebärden, die die beiden Regierungen in Abständen wiederholen. Sie wollen damit ihr eigenes Klientel zufriedenstellen", meinte die Besitzerin des erst kürzlich eröffneten Hotels Museum in Pristina.
Es ist zentral gelegen in der Nähe der historischen Orte der Stadt. Aber es befindet sich auch mitten in der kleinen alternativen Kunstszene von Pristina. Direkt am Ausgang des Hotels finden sich kleine Galerien einiger Kunstschaffender, die auch Themen wie Queerness und Diversität in ihrer Kunst verarbeiten, was in der sehr männlich dominierten kosovarischen Gesellschaft noch ein Tabubruch ist.
Die Künstlerinnen und Künstler beschäftigten sich auch mit der Geschichte der zahlreichen Bauten der jugoslawischen Moderne, die unschwer an vielen Orten Pristinas zu finden sind. Unter dem Titel "Flirting with Leftovers" haben sie dazu einen Bildband herausgegeben.
Teilweise sind die Gebäude ins heutige Stadtleben integriert, wie die Universitätsbibliothek von Pristina, ein stattlicher Bau der jugoslawischen Moderne. Teilweise stehen die imposanten Bauwerke leer und drohen zu verfallen. Doch noch im maroden Zustand kann man erkennen, welch bedeutende architektonische Bauwerke dies einmal waren.
Die Künstler wollen mit ihrem Projekt genau auf die Geschichte dieser Gebäude aufmerksam machen und eine Diskussion über den Umgang mit ihnen anregen. Schließlich ist das bewusste Verfallenlassen der Gebäude ein Statement über den Umgang mit allen, was an die Geschichte Jugoslawiens erinnert. Diese Debatte anzuregen, war auch ein Ziel der internationalen Kunstfestivals Manifesta, das bis November 2022 in Pristina an verschiedenen Orten Kunst präsentiert hatte.
Mehrere dieser Orte waren Bauten der jugoslawischen Moderne wie das Grand Hotel Pristina, ein in den 1970er-Jahren bekanntes Hotel, in dem der jugoslawische Staatschef Josip Broz Tito logiert haben soll, als er die Stadt besuchte. Heute steht das imposante Hotel größtenteils leer, einige Zimmer sind noch belegt; und eine Rezeption für die wenigen Gäste gibt es auch noch. Ansonsten haben im Erdgeschoss die allgegenwärtigen Symbole des internationalen Kapitalismus Einzug gehalten.
Läden, in denen Burger und Cola verkauft werden und die allgegenwärtigen Fitnessstudios. Am Dach des Hotels ist eine Installation auch nach dem Ende der Manifesta weiterhin zu sehen, eine Anzahl von Sternen, die im Dunkeln weit über die Stadt hinaus leuchten. Daneben strahlt in Abständen der Spruch: "Wenn die Sonne erlischt, bemalen wir den Himmel". Das kann durchaus auch als Statement zur politischen Situation in der Region verstanden werden.
Die Idee Jugoslawiens gehört zum Feindbild
Die lässt sich gut in den Schlagworten Cola und Fitnessstudios zusammenfassen. Die Illusion des Kapitalismus und das Versprechen des "Fit for Fun" sind schließlich eine gute Ergänzung in einem Staat, in dem nicht nur berechtigterweise der serbische Nationalismus, sondern auch die Idee der Vereinigten Balkanstaaten, wie sie ansatzweise in Jugoslawien verwirklicht wurde, beerdigt werden soll.
Das zeigt sich im Umgang mit einem 1961 errichteten Gedenkort für die im Kampf gegen das Naziregime ermordeten Partisanen, das auf einem Hügel am Rande von Pristina heute sichtbar verfällt. Die Stelen sind mit Graffiti besprüht, Müll liegt rund um das Denkmal verstreut, die Steine, mit denen das Denkmal einst errichtet wurde, zerbröckeln. Es ist unverkennbar, dass die gegenwärtige kosovarische Regierung kein Interesse am Erhalt des Gedenkorts hat.
Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die neu errichteten Gräber für die Toten der albanisch-nationalistischen UCK, die demonstrativ rund um den verfallenden Gedenkort für die Opfer des Faschismus angelegt wurden. Das war natürlich kein Zufall – damit will man eben den eigenen nationalistischen Machtanspruch nicht nur gegen den serbischen Nationalismus, sondern gegen die Idee Jugoslawiens überhaupt setzen.
Denn dort wurde den Partisanen aller jugoslawischen Staaten gedacht. Dieser Nationalismus führt immer wieder zu Konflikten, wie sie Ende Dezember zu beobachten waren. Es ist erfreulich, dass sich zumindest ein kleiner Teil der Bewohner des Kosovo, vor allem Künstler und Studierende, mit der jugoslawischen Architektur und damit auch der Geschichte Jugoslawiens befassen.
Damit soll auch der nationalistischen Fama entgegengewirkt werden, dass es zwischen der Idee der Vereinigten Balkanstaaten und der Zeit des nationalistischen Milosevic-Regimes keinen Unterschied gebe.
Nationalismus in jugoslawischen Teilstaaten vs. Deutschland-Connection
Tatsächlich war es das Scheitern der Idee eines Vereinigten Jugoslawiens, das den Nationalismen auf allen Seiten Auftrieb verschaffte. In Serbien erstarkte der Nationalismus erst, nachdem in allen anderen Teilstaaten wie Slowenien und Kroatien schon Nationalisten erfolgreiche Kontakte geknüpft haben, unter anderem mit dem gerade wiedervereinigten Deutschland, das mit der Anerkennungspolitik von Slowenien und Kroatien sogar die USA überraschte.
Damals galt eben nicht, dass Grenzen in Europa nicht verändert werden dürfen, denn hier ging es ja vor allem um deutsche Interessen, die damals auf dem Balkan einen Hinterhof etablierten wollten, wie es bereits in den Plänen des deutschen Imperialismus vor dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg propagiert wurde.
Daher ist es auch wichtig zu betonen, dass die schnelle Anerkennungspolitik der ex-jugoslawischen Teilstaaten durch Deutschland eine Vorgeschichte hat. Vor allem führende Funktionäre der faschistischen und antisemitischen kroatischen Bewegung Ustascha flohen ab 1945, als die Opfer des deutschen Faschismus ihre Befreiung feierten, nach Westdeutschland und wurden im Kalten Krieg bald wieder gebraucht.
Sie verübten noch Ende der 1940er-Jahre Anschläge in der jugoslawischen Volksrepublik, konnten sich in München niederlassen und konnten über Radio Free Europe beziehungsweise Radio Liberty ihre leicht modifizierte Ideologie verbreiten.
Jetzt waren die Nazi-Verbündeten zu Verteidigern des Abendlandes gegen den Bolschewismus mutiert. Ihren Antisemitismus mussten sie hingegen nach 1945 verstecken. Dabei waren kroatische Ustascha im Ermorden von Juden sogar noch den Nazibündnispartnern zu schnell.
Übrigens dürften in München die ehemaligen Ustascha-Kämpfer auch manche Aktivisten der ukrainischen Bandera-Bewegung kennengelernt haben, die ebenfalls mit der deutschen Wehrmacht und den Sonderkommandos gemeinsam vor der Roten Armee ins Reich geflohen waren. Wie die Ustascha waren auch die Bandera-Leute bald verdiente Kämpfer des christlichen Abendlandes gegen den Bolschewismus.