Krankenhäuser-Schließungen: Die alte Rot-Grün-Politik wird von der neuen GroKo fortgesetzt
Seite 2: Blamierte Krankenhaus-Weltverbesserer
Den Ton im Bündnis gibt der noch aus den 1970er und 1980er Jahren stammende traditionslinke "Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte" (VDÄÄ) (Wikipedia)an. Kohärente kritische Empirie oder solide fundamentale Analyse sucht man in den Programmen und Publikationen dieses Vereines und ebenso des Bündnisses auch nach Jahrzehnten vergebens. Vorherrschend ist ethisch-moralischer Kapitalismus- und Sozialstaatsprotest a là "Gesundheit ist keine Ware" bzw. "Krankenhaus statt Fabrik".
Die Forderungen des "Bündnis Gesundheit" konzentrieren sich seit zwei Jahren auf eine Abschaffung des "DRG"-Preissystems, das als Hauptursache für die "Ökonomisierung" der Krankenhausversorgung betrachtet wird. Wozu es aber führt, wenn man sich bei der Kritik an der Kapitalisierung der Gesundheitsversorgung nur mit den Symptomen beschäftigt, zeigt genau diese Kampagne gegen das "DRG"-Preissystem.
Seit ein paar Wochen sieht sich nämlich die dauerempörte Gesundheitsopposition von den GroKo-Verhandlern programmatisch links überholt. Laut Koalitionsvertrag sollen die Krankenhauspersonalkosten, immerhin um die 60 Prozent der Krankenhausgesamtkosten und damit Quelle für enorme Profite aus dem Krankenhausbusiness, von den unauskömmlichen "DRG"-Pauschalentgelten abgesondert und separat refinanziert werden.
Vermutlich verstehen die Gesundheitskritiker jetzt die politisch-ökonomische Krankenhauswelt gar nicht mehr, die sie allerdings bisher auch nicht wirklich untersucht haben. Dass mit diesen GroKo-Plänen vor allem eine Neuverteilung der Wertschöpfung und Profitabschöpfung zwischen den konkurrierenden Gruppen der Krankenhauswirtschaft bewirkt wird, geht an den von Merkel, Schulz und Co. blamierten Krankenhausweltverbesserern total vorbei. Wenn auch nicht ausdrücklich, so doch tatsächlich haben die GroKo-Verhandler das "DRG"-System demontiert. Was also gibt es noch zu kritisieren, wenn man den Krankenhauskapitalismus nicht fundamentaler analysieren will?
Nützliche Idiotinnen und Idioten?
Die Amateurprogrammatik des "Bündnisses" reduziert sich dementsprechend jetzt auf die bestenfalls unbedachte Übernahme der Argumente des Privatisierungs-, Profit- und Sparkartells aus Kassenkonzernen, Klinikketten, Alibiexperten, Gesundheitsbürokraten und Parlamentsfiguren, Finanzpolitikern und nicht zu vergessen Gebührensendern und Wahrheitspresse. Dieses Kartell übt seit geraumer Zeit wachsenden Druck aus, nach der Kommerzialisierung und Privatisierung der Krankenhausversorgung via "DRG"-System nun eine finale Zentralisierung und Konzentration des Krankenhausanlagenkapitals in Gestalt der schon von der verflossenen GroKo eingeleiteten "Qualitätsoffensive" zu realisieren. Im Koalitionsvertrag ist die Fortsetzung dieser Qualitätsoffensive, sprich: Zentralisierungspolitik dementsprechend vereinbart.
Ganz auf dieser Linie übertönt die Gesundheitsopposition derzeit ihre nicht falsche Feststellung, das "DRG"-Preissystem sei eine Ursache für die Ökonomisierung von Denken und Handeln in der Krankenhausversorgung, durch eine bloße Skandalisierung der deutlichen Zunahme ökonomisch einträglicher, medizinisch aber überflüssiger und qualitativ bedenklicher Prozeduren und Operationen in "den" Krankenhäusern. Mit dieser verkürzten Darstellung macht sich der Linkssektor auch in der Krankenhauspolitik, ebenso wie in der Gesellschaftspolitik und bevorzugt in der Einwanderungspolitik zum kostenlosen und gesinnungsgeleiteten Handlanger neoliberaler Konzepte und Strategien.
Vor lauter ethisch-moralischer Erregung und trotz warnender Hinweise entgeht den Krankenhausweltverbesserern, dass ihr krankenhauskapitalistischer Verbündeter, das Zentralisierungskartell, genau den gleichen Ansatzpunkt wie sie selbst für seine schon vor zwei Jahren eingeleitete Kampagne zur Massenschließung von Krankenhäusern benutzt: Zu viele Operationen und Prozeduren in dafür zu kleinen Krankenhäusern und damit steigende Risiken für die Qualität der Krankenhausbehandlung.
Auch wenn die wohlmeinende Gesundheitsopposition noch immer die Ökonomisierung der Krankenhäuser via "DRG"-Preissystem als Ursache der kritisierten Mengen-, d.h. Umsatzsteigerung benennt - spätestens mit der politischen Liquidierung des "DRG"-Preissystems durch den Koalitionsvertrag interessiert diese Argumentation der "Linken" niemanden mehr. Was wirkmächtig bleibt, ist dagegen die infame Verdrehung der Wirklichkeit durch das Zentralisierungskartell, das nicht das Preissystem in der Krankenhausversorgung, sondern die Standorteanzahl in der Krankenhauslandschaft zur Ursache von Qualitätsrisiken durch Mengen- und Umsatzsteigerung erklärt: Es gäbe zu viele wohnortnahe Krankenhäuser, die ihre Existenz durch Darauflosbehandeln sichern würden.
Als Zielmarke skizzieren diverse bezahlte "Expertinnen" und "Experten" eine Schließung von 1600 der 1900 Allgemeinkrankenhäuser in Deutschland und die Abbehandlung der gegenwärtig etwa 40 Millionen ambulanten und stationären Fälle in 300 spezialisierten "Schwerpunktkliniken" - wusste die "Süddeutsche Zeitung schon im Herbst 2016 zu berichten. Bei einem gegenwärtigen Umsatzvolumen von rund 95 Mrd. Euro mit 1,2 Millionen Beschäftigten in der Krankenhauswirtschaft und vor allem einem Personalkostenanteil von enormen 60 Prozent kann man sich vorstellen, welch eine immense Mehrwertschöpfung und Profitmasse nach einer Beseitigung der häufig kommunalen wohnortnahen Krankenhäuser in den angestrebten kommerziellen Klinikzentren produziert werden könnten.
Nun wird klar, warum die GroKo-Parteien plötzlich keine Probleme mehr mit der Liquidierung oder zumindest Modifizierung des "DRG"-Systems haben: Dieses System hat über ein Jahrzehzehnt seine Schuldigkeit getan und Hunderte von Krankenhäusern und Krankenhausabteilungen in die Schließung getrieben. Der Rest kann jetzt im direkten Angriff über die ebenfalls vereinbarte Qualitätsoffensive und den 4 Mrd. "Strukturfonds" erledigt werden.
Nebenbei wird damit der Sozialstaat in Gestalt seiner Krankenhauswirtschaft zu einem Instrument, um den europaweit und international immer dysfunktionaleren Exportextremismus des Geschäftsmodell Deutschland zu moderieren. Höchstprofite der Exportkonzerne werden durch Maximalprofite der Klinikkonzerne ersetzt. Auch bei mehrfachem Durchblättern diverser Materialien des "Bündnisses Gesundheit" ist von einer Erahnung oder gar Erarbeitung solcher macht- und kapitalpolitischen Zusammenhänge nichts zu finden.
… oder üble Denunziantinnen und Denunzianten?
Ohne Zweifel sitzt die linke Gesundheitsopposition dank der für das Merkel-Regime typischen Täuschungsstrategie in einer Kommunikationsfalle aus Gesinnungsargumenten ("Qualitätssicherung") und Scheinverbesserungen ("DRG"-Moderierung).
Die beiden Anführer(innen) des "Bündnis Gesundheit", ein Dr. Peter Hoffmann und eine Dr. Nadja Rakowitz, beide Vorstände des Traditionsvereines VDÄÄ, beschreiten seit Ende vergangenen Jahres einen Ausweg aus dieser Kommunikationsfalle, der fatal ist. Sie haben sich dafür hergegeben, dem Gebührensender SWR bei der Beschaffung von "Whistleblowern" behilflich zu sein. Diese "Whistleblower" sollen als Zeugen für eine "ökonomisch begründete Überversorgung" in ihren Krankenhäusern auftreten. Den Denunziantinnen und Denunzianten wird "jede gewünschte Form der Anonymisierung" seitens des Kontaktmannes, eines von Hoffmann als "seriöser SWR-Journalist" klassifizierten Dr. Frank Wittig zugesagt.
Welche Ansichten dieser SWR-Redakteur in Krankenhausdingen vertritt und welche Absichten er offenbar bei seiner Denunziationskampagne verfolgt, beschreibt er in einer Stellungnahme gegenüber Prof. Goeschel u.a. wörtlich so:
… ist es nicht so, dass wir z.B. im Vergleich zu skandinavischen Ländern doppelt bis dreimal so viele Krankenhausbetten je Einwohner haben? Sollte nicht das DRG-System das erledigen, wozu Politiker zu feige sind: Krankenhäuser schließen, die nicht "rentabel" sind. Leider ging der Schuss nach hinten los, weil die kleinen Häuser zwanghaft ihre Fallzahlen hochtreiben, um in die Gewinnzone zu gelangen. Ist nicht die Versorgung in großen Häusern besser, weil mehr Routine vorhanden. Wäre nicht das, was Sie als Krankenhausputsch bezeichnen ein rationaler Weg (wie er soweit ich höre, gerade in Dänemark erfolgreich vollzogen wurde)?
Dr. Frank Wittig
Dr. Wittig führt mit dieser Stellungnahme vor, was "seriöser Journalismus" in Krankenhausfragen bei den Gebührensendern ist: Die papageienhafte Wiederholung der Verdrehungen und des Unbewiesenen nebst des bodenlosen Meinungswissens aus dem "Expertenmilieu" und seitens der Propagandainstitute und -abteilungen der Kassenkonzerne.
Besonders peinlich: Der "internationale Vergleich". Erfahrene Gesundheitswissenschaftler, die "schon länger auf diesem Gebiet arbeiten", können sich noch an die 1960er und 1970er Jahre erinnern, als die damaligen wertkonservativen und ordoliberalen Regime-Professoren gegen Reformforderungen als "Anspruchsdenken" gewettert haben und dabei gerne auch den "internationalen Vergleich" bemüht haben. Damals waren das Vergleichsideal die USA. Die haben allerdings traditionell einen deutlich höheren Anteil kleiner Krankenhäuser als etwa Deutschland und scheiden damit für diesmal aus.
Der "seriöse Journalist" des SWR ist freilich nicht allein: Ebenso verlautbarungsgläubig wie Frank Wittig schreibt eine Ulrike Henning im Linksblättchen "Junge Welt" das gleiche gesinnungsfeuchte Meinungswissen wie Dr. Wittig in die Welt. Diese Art von Journalismus würde wohl ohne Mühe auch die organisierte Dieselkriminalität auf ein "Zuviel" an Betriebsstätten und Arbeitsplätzen in der Automobilbranche zurückführen, wenn ihnen das von den Autokonzernen erzählt wird. Eben darum geht es nämlich bei der Qualitäts- und Zentralisierungskampagne: Die Erhöhung des Pflegekräfteangebotes je Großkrankenhaus durch Massenschließung von wohnortnahen Klein- und Mittelrankenhäusern: Pflegekräftemangel erledigt. Pflegeunterbezahlung weiter möglich, Gewinnmaximierung gesichert.