Krankenhäuser-Schließungen: Die alte Rot-Grün-Politik wird von der neuen GroKo fortgesetzt

Seite 4: Regionalanalysen gegen Qualitätspropaganda

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Wegen der anhaltenden Schließungen von Geburtshilfeabteilungen und ganzen Krankenhäusern vor Ort haben sich in vielen Gegenden Deutschlands Bürgergemeinschaften zur Verteidigung ihrer Versorgungseinrichtungen gebildet. Derzeit kämpfen die aber auf ziemlich verlorenem Posten, da es gegen die mit emotionalisierten Thesen ("Komplikationsrisiken") und designten Fakten ("Operationsmindestzahlen") geführte Qualitätspropaganda noch kein Gegennarrativ gibt.

Im Hintergrund zieht seit etlichen Jahren die SPD-Führungsebene, die eng mit den Kassenkonzernen und der Gesundheitsbürokratie vernetzt ist, die Fäden bei dieser Qualitätskampagne. Die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung hat schon 2013 das Konzept für eine Massenschließung von wohnortnahen Krankenhäusern entwickelt. Die guten Beziehungen des SPD-Establishments zu den Massenmedien bewirkt ein Übriges.

Natürlich können Fachleute die von den Kassenkonzernen bezahlten "Expertinnen" und "Experten" ohne große Mühe als zumindest fahrlässige, wohl aber eher vorsätzliche Dilettantinnen und Dilettanten enttarnen. Fachleute können rasch nachweisen, dass es bei den Kassenkonzernen nicht um Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten, sondern um Ausgabensenkung und Überschusssteigerung der Kassenbudgets geht. Es waren die Kassenverbände, allen voran die AOK, die schon Ende der 1970er Jahre ein gesundheitspolitisches Bündnis mit den Kassenarztvereinigungen geschlossen haben, das unter der Bezeichnung "Bayern-Vertrag" die Lasten der damaligen SPD/FDP-Kostendämpfungspolitik auf die Krankenhäuser abwälzen sollte.

Selbst eine Qualitätsoffensive, die vorrangig nur auf Einsparungen und Überschüsse aus der Schließung von Krankenhausstandorten oder Geburtshilfeabteilungen abzielt, müsste, wenn sie tatsächlich seriös und professionell angelegt ist, eine Gegenrechnung darüber aufstellen, welche Mehrkosten sie selbst verursacht.

Bei einer Massenschließung wohnortnaher Krankenhausstandorte oder Geburtshilfeabteilungen und deren Zentralisierung in Ballungsräumen wird es zu erheblichen Personalkostensteigerungen kommen, da das Gehaltsniveau in der Krankenpflege dort deutlich höher liegt als in Umlandzonen oder Landgebieten. Auch wird sich der Personalmangel wegen der schwierigen Wohnungsmarktlage in den Ballungsräumen nochmals verschärfen. Vielleicht ist das sogar der hinterhältige Beweggrund, im Koalitionsvertrag nun die Krankenhauspersonalkosten aus den "DRG"-Pauschalen herauszulösen und voll zu refinanzieren. Immerhin fehlen bis 2025 etwa 112000 Pflegekräfte in der Kranken- und Altenpflege (Statistisches Bundesamt).

Solche Zusammenhänge und Feinheiten helfen aber den Leuten, die in den Kreisen und Städten um ihre Krankenhäuser oder Geburtshilfeabteilungen kämpfen wenig. Sie brauchen ein Konzept, das ihre Kommunalverwaltungen aus eigener Kompetenz unabhängig vom interessendurchseuchten Gesundheitsdiskurs entwickeln, vertreten und durchsetzen können.

Krankenhausdirektoren und Kommunalplaner, die in den 1980er und 1990er Jahren aktiv waren, könnten sich daran erinnern, dass ein derartiges Konzept damals schon entwickelt und in hunderten von Krankenhausgutachten umgesetzt worden ist. Es handelte sich um das Konzept "Eigene Regionalanalysen der Krankenhäuser" (Studiengruppe für Sozialforschung e.V.) Hierbei wurden zunächst die Risiko-, Morbiditäts- und Mortalitätsprofile der Bevölkerungen in den Standortregionen untersucht und daraus dann der Bedarf an ambulanter und stationärer Versorgung und insbesondere der Beitrag der untersuchten Krankenhäuser hierzu abgeleitet. Die hierfür nötigen Daten gibt es seit Jahrzehnten bei den Statistikämtern und Forschungseinrichtungen des Bundes und der Länder etc. Die Stadt- und Entwicklungsplaner der Kreise und Städte können selbständig und ohne Mitwirkung und Einmischung der Kassenverbände oder gar des "Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen" den Krankenhausbedarf ihrer Einwohnerschaften ermitteln und vorstellen.

Zunächst ist es aber notwendig, das von den "Expertinnen" und "Experten" der Kassenkonzerne zurechtgezimmerte Drohszenario der Komplikations- und Qualitätsrisiken bei Behandlung in wohnortnahen Krankenhäusern auf ein Normalmass zu bringen. Hierzu ist es zunächst erforderlich, die häufigsten Anlässe für Krankenhausbehandlung danach zu unterscheiden, ob bei ihnen eine ortsferne Behandlung im Schwarm anhaltend vieler ähnlicher Behandlungsfälle die Heilungswirkung verbessert oder wenigstens die Behandlungsschäden verringert.

So stellen nach den Normalgeburten als häufigster Krankenhausanlass in den öffentlichen Krankenhäusern Seelische Störungen wegen Alkoholmissbrauch den zweit- häufigsten Krankenhausanlass. Zu den häufigsten Krankenhausanlässen zählen aber auch Bluthochdruck, Ohnmacht und Rückenschmerzen. Man würde von den "Qualitäts-Expertinnen" und "Qualitäts-Experten" der Kassenkonzerne schon gerne hören, worin die höhere Heilungswirkung oder die verringerten Behandlungsschäden bei einem Ohnmachtsanfall auf dem Lande bestehen sollen, wenn dieser mit dem Notarztwagen nicht mehr in das geschlossene Kreiskrankenhaus, sondern in die Universitätsklinik der Landeshauptstadt gebracht wird.

Der alltagserfahrene Zeitungsleser oder Fernsehschauer wird nicht ganz zu Unrecht vermuten, dass die Ohnmächtige oder der Ohnmächtige bereits auf halbem Wege dem Notarztwagen wegen Ende der Ohnmacht wieder entstiegen und mit dem Bus nach Hause gefahren sind. Krankenhauskosten haben sich AOK oder BARMER o.ä. so schon einmal gespart.