Krankenhäuser-Schließungen: Die alte Rot-Grün-Politik wird von der neuen GroKo fortgesetzt

Seite 3: Zerstörung der Geburtshilfe

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Die von Prof. Gertrud Höhler meisterlich sezierte stets doppeldeutige Fake-Kommunikation von Angela Merkel kennzeichnet auch den vorliegenden Koalitionsvertrag. In diesem Text wird einerseits, wozu im Übrigen die Gesundheitsopposition bis heute nicht fähig war, eine "flächendeckende Gesundheitsversorgung" als Kernelement "gleichwertiger Lebensverhältnisse" im urbanen und ländlichen Raum und einer Verringerung der "Ungleichheit zwischen Städten und Regionen" bezeichnet und versprochen. Diese Vorstellung und Verheißung soll sich im Vorhandensein einer "gut erreichbaren Grund- und Regelversorgung" des Krankenhausbereiches realisieren.

Im gleichen Text werden andererseits für die seit mehreren Jahren bereits laufende "Qualitätsoffensive" zur Massenschließung wohnortnaher Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung weitere 4 Milliarden Euro von den Krankenversicherten und von den Steuerzahlern gefordert.

Das Parteipersonal der bisherigen und der beabsichtigten GroKo stellt in seinem Vertrag vor allem eine "wohnortnahe Geburtshilfe" in den Mittelpunkt der zitierten Bekenntnisse und Versprechen. Genau an diesem kann dann die GroKo-Bürgertäuschung auch dingfest gemacht werden. Das seit über einem Jahrzehnt insbesondere von GroKo-Regierungen forcierte "DRG"-System hat in diesem Zeitraum die wohnortnahe Geburtshilfe bereits weitreichend zerstört. Das Parteipersonal kann also eine wohnortnahe Geburtshilfe versprechen, ohne jede Befürchtung , dass diese tatsächlich jemals wiederkommt.

Gesundheitsmedien wie beispielsweise das "aerzteblatt" haben schon vor einem Jahr berichtet, dass insbesondere wohl nach der "DRG"-Einführung Hunderte von Geburtshilfeabteilungen in Deutschland geschlossen worden sind. Das Ergebnis ist eine Krankenhauslandschaft, in der im Süden, Osten und Norden Deutschlands regelrechte Geburtshilfewüsten entstanden sind.

Geburtshilfe-Bettendichte in den Regionen Deutschlands. Amtlich gemeldete Geburtshilfe-Betten.

Eine von der Qualitätspropaganda der Kassenkonzerne gerne vorgebrachte Erklärung für den Ausstieg so vieler Krankenhäuser ist der Geburtenrückgang (Qualitätsmonitor 2018). Dieses Argument ist fraglos so unseriös, wie die angeblich "wissenschaftlichen" Qualitätsuntersuchungen aus dem Kassenbereich tendenziös sind. Unabhängig davon, dass die Geburtenhäufigkeit zunimmt, sind gerade in denjenigen Regionen die Geburtenraten besonders hoch, für die mittlerweile die dürftigste Ausstattung mit Geburtshilfebetten gilt (Nationalatlas).

Es werden also vor allem doch die unauskömmlichen "DRG"-Pauschalen für normale Geburten sein, die Geburtshilfeabteilungen für wohnortnahe Krankenhäuser zu einem Verlustbringer machen. Für eine normale Vaginalgeburt erlösen Krankenhäuser zwischen 1600,- und 2100,- Euro. Für eine komplizierte Kaiserschnittgeburt erlösen Krankenhäuser hingegen 2500,- bis 5400,- Euro (Hebammen für Deutschland). Die von den Kassenkonzernen via "DRG"-Preissystem provozierte Neigung zu Kaiserschnitt-Geburten zeigt sich in den deutlich höheren Häufigkeiten dieser Geburtsvariante in Deutschland als in anderen Industrieländern.

Die auch aus anderen Konstellationen berüchtigte Infamie der "sozialen" Krankenversicherung zeigt sich in Sachen Geburtshilfe darin, dass die von den Kassenkonzernen mit jahrelanger regelrechter Antikrankenhaushetze und "DRG"-Durchsetzung selbst erzeugte Kaiserschnitt-Tendenz nun den Krankenhäusern als Qualitäts-Defizit und Patientinnen-Risiko vorgehalten wird.

Die Kassen-"Experten" fordern auf der Grundlage ihrer Auswertungen ziemlich unverblümt eine Eliminierung der kleineren Geburtshilfeabteilungen. Da es solche aber nur in den Flächenländern, nicht aber in den Stadtstaaten und dementsprechend wohl auch nicht in den Ballungsraumkernstädten gibt, richtet sich diese Anti-Geburtshilfe-Offensive der Kassenkonzerne gegen die Ländlichen Räume mit ihrer erhöhten Geburtenhäufigkeit. Dazu passt die Verweigerung der gesetzlich vorgesehenen Sicherstellungszuschläge für Geburtshilfe durch den von den Kassenkonzernen dominierten so genannten "Gemeinsamen Bundesausschuss" (G-BA).

Wie es um die wissenschaftliche Seriosität der von den Kassenkonzernen bezahlten "Qualitäts-Experten" bestellt ist, zeigt sich darin, dass sie den wohnortnahen, d.h. kleineren Krankenhäusern tendenziös-einseitig Qualitätsdefizite in der Geburtshilfe unterstellen, wiewohl nur die Hälfte der Bundesländer mit kleinen Geburtshilfeabteilungen dort höhere Kaiserschnittraten aufweisen als die dortigen größeren Geburtshilfeabteilungen.

Umgekehrt haben in einigen Bundesländern die kleineren Geburtshilfeabteilungen niedrigere Kaiserschnittraten als die größeren Geburtshilfeabteilungen (Qualitätsmonitor 2018). Dies hindert die "Wissenschaftler" des Kassensektors aber nicht daran, sich auch noch als eine Art Denunzianten und Proskriptoren für ächtenswerte Geburtshilfeabteilungen zu betätigen. Sie schieben dabei das Informationsrecht der Schwangeren als Alibi vor. Wenn umgekehrt der Picker Report 2017 vermeldet, dass sich bei einer Großumfrage die Mehrzahl der frischen Mütter in den kleineren Geburtskliniken besser betreut gefühlt hat, dann ist dies für die Kassenpropagandisten noch lange kein Datum.

Anmerkung: Zum Beitrag gab es zahlreiche sachbezogene und ergänzende Kommentare. Ein Kommentar zog die Gültigkeit der von uns erstellten und bislang exklusiv in TELEPOLIS veröffentlichten Kartographie "Geburtshilfe-Bettendichte in den Re-gionen Deutschlands" in Zweifel. Für die Räume Aschaffenburg, Hof und Landshut seien keine Geburtshilfe-Betten abgebildet, wiewohl in dortigen Krankenhäusern sehr wohl Geburtshilfebetten angeboten würden. Ein weiterer Kommentar machte auf den gleichen Sachverhalt im Saarland aufmerksam.

Wir haben die angeführten Fälle am 3.3.2018 überprüft. Die von den Lesern genannten Krankenhäuser haben an das Statistische Bundesamt für die Erstellung des amtlichen Krankenhausverzeichnisses (Stand 2016) keine Krankenhausbetten für das eigenständige Fachgebiet Geburtshilfe gemeldet. Die Krankenhäuser haben stattdessen nur Krankenhausbetten für da verbundene Fachgebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe gemeldet.

Uns war dieses Problem einzelner undifferenzierter Meldungen bereits bei der Konzipierung des Auswertungsprogrammes der Daten des Statistischen Bundesamtes aufgefallen. Wir hatten daher entschieden, nur die Zahlenangaben zu den definitiv als Krankenhausbetten des Fachgebietes "Geburtshilfe" gemeldeten Betten darzustellen.

Wenn einzelne Krankenhäuser gegenüber der Öffentlichkeit und den Benutzerinnen Betten und Stationen als "Geburtshilfe" darstellen, diese aber bei der amtlichen Erhebung nicht ausweisen, beeinträchtigt dies sicherlich das Gesamtergebnis einer Regionalauswertung. Da aber der Großteil der über 1900 Akutkrankenhäuser differenzierte Angaben gemacht hat, kann man die ermittelten regionalen Unterschiede als gültig betrachten – zumal etwas anderes gar nicht übrig bleibt.

Präzisere Ergebnisse wären nur durch kostspielige Befragungen sämtlicher Krankenhäuser mit Betten der Frauenheilkunde und Geburtshilfe zu erzielen. Dabei wäre immer noch nicht sicher gestellt, dass Krankenhäuser unpräzise Angaben nicht wiederholen.

Unsere Entscheidung, nur definitiv als Krankenhausbetten des Fachgebietes "Geburtshilfe" gemeldete Betten darzustellen muss letztlich vor dem Hintergrund nachvollzogen werden, dass eine Vermengung von Fachbetten auch für todkranke Greisinnen (Frauenheilkunde) und frische Mütter (Geburtshilfe) vielleicht die Krankenhauspolitik entlastet, nicht aber den Patientinnen dient.

Im Übrigen haben wir vor einem Jahrzehnt in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und deren Leiter, Dr. Rudolf Martens, die Dichte der Kinderheilkundebetten in Deutschland als Kartographie dargestellt. Auch auf diesem Fachgebiet zeigt Bayern leider besonders ungünstige Verhältnisse.