Krankenhaus-Explosion in Gaza: Kein klarer Video-Beweis für eine Ursache
Palästinensischer Raketen-Fehlstart bleibt mögliche Erklärung – evident ist das aber nicht. Was eine Analyse der New York Times aussagt.
Mehr als eine Woche nach der Explosion in einem Krankenhaus in Gaza, deren Opferzahl von der palästinensischen Hamas zunächst mit 500 angegeben war, sind viele Fragen offen. Das israelische Militär hat den Vorwurf zurückgewiesen, für die Explosion verantwortlich zu sein. Ein mehrfach als wichtiges Beweismittel angeführtes Video gibt aber nach Analyse der New York Times keinen Aufschluss über die Geschehnisse.
Das Video des arabischen Fernsehsenders Al Jazeera zeigt ein Geschoss, das durch den dunklen Himmel über Gaza rast und in der Luft explodiert. Sekunden später ist eine weitere Explosion am Boden zu sehen. Das Filmmaterial ist häufig als Beweismittel genannt worden, da israelische und US-Beamte behauptet haben, dass eine verirrte palästinensische Rakete am Himmel eine Fehlfunktion hatte, zu Boden fiel und eine tödliche Explosion im Al-Ahli Arab-Krankenhaus in Gaza-Stadt verursachte.
Eine detaillierte visuelle Analyse der New York Times kommt jedoch zu dem Schluss, dass der Videoclip – aufgenommen von einer Livestreaming-Kamera von Al Jazeera in der Nacht des 17. Oktober – etwas anderes zeigt. Die dort sichtbare Rakete war demnach wahrscheinlich nicht die Ursache für die Explosion im Krankenhaus.
Nach Feststellung der Redaktion explodierte es tatsächlich etwa zwei Meilen entfernt am Himmel und stand demnach in keinem Zusammenhang mit den Kämpfen, die sich in dieser Nacht an der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen abspielten. Der Zeitungsbericht gibt keine Antwort darauf, was die Explosion im Al-Ahli-Araber-Krankenhaus tatsächlich verursacht hat oder wer dafür verantwortlich ist.
Die Behauptung israelischer und us-amerikanischer Geheimdienste, dass ein palästinensischer Raketen-Fehlstart dafür verantwortlich sei, bleibt zwar plausibel – die Analyse lässt jedoch Zweifel an einem der bekanntesten Beweismittel aufkommen, die israelische Beamte für herangezogen haben, um zu widerlegen, dass das israelische Militär für die Explosion verantwortlich sei.
Angaben über die Opferzahl gehen weit auseinander
Unklar ist nicht nur die Urheberschaft, sondern auch die Zahl der Todesopfer, die von der Hamas zunächst auf 500 geschätzt und dann mit 471 angegeben wurde. Von westlichen Geheimdiensten wird sie wesentlich niedriger eingeschätzt. "Es gibt nicht 200 oder gar 500 Tote, sondern eher ein paar Dutzend, wahrscheinlich zwischen zehn und 50“, zitierte unlängst die Nachrichtenagentur AFP eine anonyme "Quelle aus europäischen Geheimdiensten".
Das Krankenhaus selbst wurde nicht direkt getroffen; Was auch immer die Explosion verursachte, traf tatsächlich den Innenhof der Klinik, wo sich Menschen aus Sicherheitsgründen versammelt hatten, und eine Handvoll geparkter Autos.
Die Aufnahmen deuten auch darauf hin, dass ein israelisches Bombardement stattgefunden hat und dass sich innerhalb von zwei Minuten nach dem Einschlag zwei Explosionen in der Nähe des Krankenhauses ereigneten.
Ein Militärsprecher sagte der New York Times, die israelische Armee habe nicht "in einer Entfernung zugeschlagen, die das Krankenhaus gefährdete", konnte oder wollte aber nicht sagen, wie weit der nächste Angriff entfernt gewesen sei.
Als die Hamas am 7. Oktober Israel angegriffen und dort gezielte Massaker an Zivilpersonen in Kibbuzim sowie auf einem Musikfestival verübt hatte, waren nach israelischen Angaben insgesamt mehr als 1.400 Menschen ums Leben gekommen – überwiegend zivile Opfer, darunter auch Kinder; zum geringeren Teil Soldatinnen und Soldaten. Rund 200 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt.
Inzwischen gibt das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium im Gazastreifen die Opferzahl auf palästinensischer Seite durch israelische Artillerie- und Bombenangriffe wesentlich höher an – nämlich mit rund 5.700 Toten.
Das UN-Kinderhilfswerks Unicef sprach diese Woche allein von mehr als 2.000 palästinensischen Kindern, die durch israelischen Gegenangriffe auf den Gazastreifen ums Leben gekommen seien. Mehr als 5.000 weitere seien verletzt worden, teilte Unicef bereits am Dienstagabend (Ortszeit) in New York mit. Unterdessen seien in diesem Krieg mehr als 30 israelische Kinder getötet worden. Dutzende Kinder seien unter den Geiseln, die im Gazastreifen gefangengehalten würden.