Krankenkassen: Droht ein Beitrags-Hammer für Ehepaare und Familien?
In einer Studie wird vorgeschlagen, die kostenlose Mitversicherung von Ehepartnerinnen und -partnern zu streichen. Das soll den Fachkräftemangel entschärfen. Aber wen trifft es wirklich?
Im Rahmen der Debatte um den Fachkräftemangel hat die Akademie für Technikwissenschaften (Acatech) den Vorschlag ins Spiel gebracht, die kostenlose Mitversicherung von nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ehepartnerinnen oder Ehepartnern bei den Krankenkassen zu streichen.
"Die Anreize dafür, dass beide – Ehepartnerin und Ehepartner – einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen, werden durch das Modell der Mitversicherung der gesetzlichen Krankenkassen weiter gesenkt", heißt es in einer Acatech-Studie, an der auch der frühere Vorsitzende des Sachverständigenrats für Wirtschaft, Christoph M. Schmidt, mitgewirkt hat.
Und weiter: "Aus Sicht der Arbeitsanreize, insbesondere mit Blick auf die Erwerbstätigkeit von Frauen, wäre somit anzuraten, die beitragsfreie Mitversicherung in der Ehe oder der Lebenspartnerschaft abzuschaffen." Überschrieben wurde das Paper mit "Innovationssystem Deutschland – Die Fachkräftesicherung in Deutschland unterstützen".
Bedingte Entwarnung für Familien
Ähnlich wie in Österreich könne die Mitversicherung von Angehörigen "grundsätzlich beitragspflichtig" werden. Allerdings entfalle der Zusatzbeitrag für Mitversicherte in Österreich beispielsweise dann, "wenn sich diese aktuell um die Erziehung eines oder mehrerer Kinder in einem gemeinsamen Haushalt kümmern oder in der Vergangenheit für mindestens vier Jahre gekümmert haben".
Für Familien mit Kindern klingt das erst einmal nach Entwarnung – die Frage ist nur, ob dies im Fall einer Umsetzung in Deutschland 1:1 übernommen würde oder ob beispielsweise nur die Betreuung von Kleinkindern als Grund zählen würde, wenn der Dammbruch erst einmal eingeleitet ist.
Auf die Gründe, warum einige verheiratete Frauen mit oder ohne Kinder hierzulande nicht arbeiten oder nur geringfügig beschäftigt sind, und in wie vielen Fällen das freiwillig ist, wird in der Studie nur teilweise eingegangen.
Gesicherte Erkenntnisse, wie viele verheiratete Frauen und Männer in Deutschland Arbeit suchen oder gerne arbeiten würden, aber nicht arbeitslos gemeldet sind, weil sie und ihre Partner keinen Vorteil in der "Betreuung" durch ein Jobcenter sehen, da kein Anspruch auf Arbeitslosengeld I besteht, gibt es nicht. Einige Paare, die aktuell kostenlose Mitversicherung und steuerliches Ehegattensplitting nutzen, könnten beim Wegfall dieser Möglichkeiten wohl zu "Bedarfsgemeinschaften" werden.
Einblicke zur Situation der Mütter liefert jedoch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) von 2021. Gut ein Viertel der dafür befragten Mütter ging demnach keiner Berufstätigkeit nach, viele davon aber offenbar unfreiwillig. Nur etwa zwölf Prozent gaben damals an, dass sie tatsächlich keine Lohnarbeit wünschten.
In der Gruppe der Müttern kleiner Kinder unter drei Jahren gingen damals fast 69 Prozent keiner Erwerbsarbeit nach – aber nur bei 27 Prozent entsprach das auch ihrem Wunsch. Letztere waren zum Teil allerdings nicht arbeitslos, sondern lediglich in Elternzeit. "Tendenziell deuten die Ergebnisse aber schon darauf hin, dass es vor allem für Mütter kleiner Kinder schwierig ist, ihre Arbeitswünsche auch umzusetzen", erklärte seinerzeit IW-Forscher Wido Geis-Thöne gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
In Teilzeit beschäftigte Mütter größerer Kinder hätten demnach häufig ihre Arbeitsstunden aufgestockt. Um die Situation dieser Gruppe zu verbessern und ihre Potenziale besser zu nutzen, werden in der Acatech-Studie konstruktive Vorschläge gemacht:
"Um die Erhöhung der Stundenzahl von Teilzeitbeschäftigten zu ermöglichen, wäre zu erwägen, die Betreuungs- und Pflegeinfrastruktur umfassend auszubauen, aber auch regulatorische Anreize anzupassen", heißt es dort.
Wenn mit "Anreizen" Druck gemeint ist
Die Frage ist aber, ob die Minderheit der freiwillig nicht erwerbstätigen Frauen nun überwiegend aus dringend gesuchten Fachkräften besteht – oder eher aus Frauen, die nicht "marktgerecht" qualifiziert sind, bislang eher frustrierende Erfahrungen prekären Niedriglohnbereich gemacht und zum Teil vielleicht gar keine realistische Chance auf eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit haben.
In diesem Fall würde mit dem Acatech-Vorschlag lediglich finanzieller Druck auf Unterprivilegierte ausgeübt und die finanzielle Situation von Paaren oder sogar Familien verschlechtert – je nachdem, was von der österreichischen Regelung übernommen würde – ohne den Fachkräftemangel nennenswert zu entschärfen.
Einige der Betroffenen wären dann wohl einfach nicht mehr krankenversichert, bei anderen würde das Geld in der Haushaltskasse fehlen. Was für Teile des liberalen Bürgertums fortschrittlich klingt, könnte auf den zweiten Blick eher geeignet sein, dem Niedriglohnsektor Frauen zuzuführen oder aber Frauen Gesundheitsleistungen vorzuenthalten.
Rund vier Millionen sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte arbeiteten im vergangenen Jahr in Deutschland zu Niedriglöhnen, verdienten also weniger als zwei Drittel des mittleren monatlichen Bruttoarbeitsentgelts,