Krawalle in Frankreich: Ruf nach hartem Durchgreifen wird lauter

Einkaufszentrum, im Stadtteil Planoise in Besançon, 1. Juli 2023. Bild: Toufik-de-Planoise / CC BY-SA 4.0

Linke uneins über Positionierung. Von rechts kommen Bürgerwehren, militante Gruppen und große Spenden für den Polizisten, der einen Jugendlichen bei einer Verkehrskontrolle erschoss. Gerichte statuieren Exempel.

"Links und rechts eine Ohrfeige und ab ins Bett!" – so stellt sich der rüstige Präfekt des französischen Zentralstaats in Montpellier, Hugues Moutouh, die Behandlung der oft jugendlichen oder heranwachsenden Teilnehmer der Riots in den französischen Banlieues vor.

Mit diesen Sprüchen erntete der hohe Beamte, der schon früher durch polarisierende Äußerungen auffiel, am Montagabend und Dienstag früh einigen Spott in französischen Medien. Viele Diskutierende in Talkshows und Interviews wiesen ihn darauf hin, wie "theoretisch" es sei, mit solchen Tipps Probleme zu regeln, die von prekären Arbeitsverhältnissen der Eltern, zerrütteten Familienverhältnissen und Zukunftslosigkeit gezeichnet sind.

Auf die harte Tour die Dinge in den Griff zu bekommen – das schmeckt auch einer nicht geringen Zahl anderer Französinnen und Franzosen.

Solidarität von rechts: Sammeln

Eine Spendensammlung im Internet für den polizeilichen Todesschützen, der vor genau einer Woche – am 27. Juni – in der Pariser Vorstadt Nanterre den wegen Fahrens ohne Führerschein kontrollierten 17-jährigen Nahel Merzouk erschoss, brachte innerhalb von fünf Tagen über eine Million Euro ein.

Gestartet hatte die Sammlung der rechtsextreme Politiker Jean Messiha, ein früherer Weggefährte erst von Marine Le Pen, später von Eric Zemmour.

Der 38-jährige Polizist und frühere Militär, der den tödlichen Schuss auf den Jugendlichen abgab, wartet derzeit in Untersuchungshaft auf sein Verfahren, ihm wird durch die Staatsanwaltschaft vorsätzlicher Totschlag vorgeworfen.

Unterdessen attackierten außerparlamentarische rechtsextreme Gruppen Demonstrationen gegen Polizeigewalt unter anderem in Angers und Chambéry. Anderswo versuchen ähnliche Gruppierungen, sich als "Bürgerwehren" in Szene zu setzen und dadurch an Zulauf zu gewinnen.

Solidarität von links: Kein Einfluss im Vakuum

Schwieriger fällt die Positionierung der Linken. Sie will sich einerseits mit den Opfern von Polizeigewalt und Diskriminierung in den Banlieues solidarisch zeigen – hat andererseits wenig Einfluss auf die dynamischen gewalttätigen Prozesse, die vor Ort ablaufen.

Ein Riot ist eben kein Streik, der auf Koordinierung und Organisierung beruht, sondern ein spontanes Aufflammen, das vor allem dort stattfindet, wo just ein Vakuum an sozialer und politischer Organisierung herrscht und sich jeglicher Kontrolle entzieht.

In den französischen Vorstädten, früher durch eine industrielle Arbeiterschaft, heute eher durch Arbeitslosigkeit und ein Dienstleistungsproletariat geprägt, hinterließ die bis noch in die 1980er- und 1990er-Jahre starke Französische kommunistische Partei (PCF) – längst nur noch ein Schatten ihrer selbst – ein solches Vakuum.

Die meisten Linken halten sich bedeckt oder ziehen sich unter die Schutzhaube der Staatsmacht zurück; die grün-sozialdemokratisch regierten Rathäuser in Lyon und Marseille forderten am Freitag polizeiliche Verstärkung und Eliteeinheiten an. Als einziger scherte Jean-Luc Mélenchon aus.

Der Linkspopulist und dreimalige Präsidentschaftskandidat twitterte vorige Woche, er rufe "nicht zur Ruhe auf, sondern zu Gerechtigkeit". Später stellte er klar, dass Angriffe auf Schulen, Schwimmbäder und Bibliotheken freilich tabu sind: "Il ne faut pas y toucher", auf Deutsch: "Das darf nicht angetastet werden: Alles, was uns allen gehört, was unser gemeinsames Gut ist."

Dafür wurde er als vermeintlicher Komplize von Randalierern und Plünderern vielfach an den Pranger gestellt; der Vizebürgermeister der Pariser Nobelvorstadt Neuilly-sur-Seine fordert nun ein Parteiverbot für ihn. Auch Teile der staatstragenden Linken distanzierten sich laut oder leise von ihm. Insgesamt hat auch die Linke ihre Mühe und Not.

Die Justiz

Die Justiz beginnt unterdessen, ihre Mühlen anlaufen zu lassen. Von der Polizei Festgenommene Teilnehmer an den Riots mussten vors Gericht. 374 Schnellverfahren der "comparution immédiate haben bereits stattgefunden, rund einhundert allein in Marseille, wo bis zu einjährige Haftstrafen "als Exempel" fielen.

Insgesamt 3.486 Personen wurden im Zusammenhang mit Protesten und Riots bislang festgenommen. In der vergangenen Nacht allerdings nur noch 72, im Vergleich zu über 1.300 in jener vom vorigen Freitag zum Samstag. Die Riots scheinen bereits abzuflauen, was in ihrer Natur liegt, weil sie eben auf keiner koordinierenden Struktur beruhen – sie kommen, flammen auf und gehen, bis zum nächsten Todesfall oder dramatischen Ereignis anderswo.