Kreditkrise, Broken Windows und Kriminalität

In den USA wachsen die Befürchtungen, dass mit zunehmenden Zwangsvollstreckungen die Kriminalität in den neuen Siedlungen steigt, was die Preise noch weiter nach unten drücken könnte

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der wirkliche Immobiliencrash könnte in den USA erst noch kommen. Nach Schätzungen sind die Kreditschulden von 7,5 Millionen Amerikanern höher, als ihre Häuser jetzt wert sind. Selbst wenn sie diese verkaufen sollten, kämen sie nicht aus der Kreditfalle heraus – und die Banken können die Häuser auch nicht an den Mann bringen.

Neben den 7,5 Millionen – ein Fünftel aller Kreditnehmer – rechnet man mit mehr als 2 Millionen, deren Häuser höchstens 5 Prozent mehr wert sind wie ihre Immobilienkredite (negative equity). Damit stehen auch sie kurz vor einer möglichen Zwangsvollstreckung, falls sie Probleme bekommen sollten, ihre Rechnungen zu bezahlen. Das sei nur eine vorsichtige Schätzung, die Zahlen könnten um einiges höher liegen. Besonders viele Kreditnehmer, die gefährdet sind, gibt es in Arizona, Michigan, Arizona, Kalifornien und Florida. Allgemein geht man davon aus, dass nach der Kreditkrise die Rezession die Zahl der Kreditnehmer, die in Schwierigkeiten geraten, noch weiter erhöhen wird, wodurch auch die Zahl der faulen Kredite weiter anwächst. Nach Schätzungen von Pew ist die Zahl der Zwangsvollstreckungen seit Dezember 2007 um fast 160 Prozent angestiegen.

In Großbritannien sieht es nicht viel besser aus. 60.000 Familien pro Monat geraten aufgrund der nach unten gehenden Spirale der Immobilienpreise in die rote Zone. Nach Schätzungen sollen Ende Oktober 335.000 Häuser weniger wert sein, als die Hypotheken, mit denen sie belastet sind. Das ist eine Zunahme von 260.000 innerhalb der letzten vier Monate. Falls es so weiter geht, rechnet man bis 2010 mit über 2 Millionen Haushalten, die in der Kreditfalle stecken. Im ersten Halbjahr wurden 80.000 Immobilienbesitzer durch Zwangsvollstreckung enteignet. In einem Jahr ist der Wert eines Hauses durchschnittlich um 30.000 Pfund oder 14,6 Prozent .

Seit längerem geht schon die Angst in den neuen Siedlungen um, die im Rausch des Immobilienbooms aus dem Boden geschossen sind, dass mit dem Zwangsvollstreckungs-Tsunami und den dann leer stehenden Häusern die Kriminalität steigt und der "American Dream" endet. Nach der einflussreichen "Broken Windows"-Theorie ziehen verlassene Häuser Verwahrlosung und Vandalismus nach sich, zerbrochene Fenster, Graffitis oder Müll sprechen davon, dass sich hier niemand um Ordnung kümmert, Drogensüchtige, Prostituierte, Obdachlose, Banden nisten sich ein. Die Idylle, die in den neuen suburbanen Siedlungen versprochen wurde, erhält Risse, zudem besteht für die verbliebenen verschuldeten Hausbesitzer die Gefahr, dass dadurch die Preise noch weiter abrutschen und niemand das Haus kaufen würde.

Nach Pew müssen 40 Millionen Hausbesitzer durch Zwangsräumungen in ihrer Nachbarschaft mit hohen Verlusten beim Wert ihrer Häuser rechnen. In den nächsten Jahren könnte es dabei um einen Wertverlist von 350 Milliarden Dollar gehen.

Auch im National Institute of Justice des US-Justizministeriums hat man sich bereits Gedanken darüber gemacht und schlägt vor, solchen Entwicklungen durch das Anlegen von Karten über Zwangsräumungen vorzubeugen, so dass die lokale Polizei diese "Hotspots" intensiver überwacht. Problematisch könnte es werden, wenn eigentlich mehr Polizisten nötig wären, aber die Steuereinnahmen sinken. Und auch ganz allgemein wird <überlegt::http://www.nytimes.com/2008/10/10/nyregion/10crime.html>, dass mit der Kreditkrise und der wachsenden Arbeitslosigkeit die Kriminalität wachsen könnte. Damit dürfte sich auch der schon länger bestehende Trend verstärken, dass diejenigen, die es sich leisten können, sich in gated communities zurückziehen.