Krieg gegen den IS: Seltsame Verbündete und uneingestandene Ziele

Der Vorsitzende der syrischen Oppositionsbündnis SNC spricht offen von seiner Hoffnung auf einen Regime-Change durch die Militärintervention und der gemeinsamen Front zwischen der Freien Syrischen Armee und al-Nusrah

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Welchen Rückhalt die Syrische Nationale Koalition (SNC) in der syrischen Bevölkerung hat, ist unbekannt; nicht ausgeschlossen ist, dass er gegen Null geht. Denn es ist ein Bündnis, das von außen gedeckt und lanciert wird. Das Führungspersonal wird ständig ausgetauscht, je nachdem welches Land unter den Freunden Syriens gerade Interessen durchdrücken kann. Seit Juli heißt der SNC-Präsident Hadi al-Bahra. Er hält sich derzeit in New York auf, um bei den Vereinten Nationen vorzusprechen. In Interviews mit amerikanischen Fernsehsendern machte er Aussagen, die zu denken geben.

Die USA, Frankreich, Großbritannien, die Türkei und der Golfkooperationsrat haben das Oppositionsbündnis im Jahr 2012 als "einzig legitime Vertretung des syrischen Volkes" anerkannt; eine Wahl, die die syrischen Bürger nicht getroffen haben, die voreilig geschah. Als gesichert gilt, dass die mit dem SNC verbundene Freie Syrische Armee (FAS) seit längerer Zeit im Krieg zwischen den Truppen und Milizen der syrischen Regierung und den gegnerischen Milizen militärisch keine große Bedeutung hat.

Sie ist auf Verbündete unter den salafistischen Gruppierungen angewiesen - und auf jeden Fall auf die Unterstützung der USA. "Wir brauchen ihre Hilfe", sagte al-Bahra dem amerikanischen Fernsehsender ABC am Sonntag, er meinte damit Unterstützung bei den Kämpfen, wie er deutlich verstehen ließ:

We are in the fight and will continue to fight. But we need your assistance.

Die Rethorik, in der die Bitte eingebettet wird, ist Schablone: Diese Gefahr, mit der man es zu tun habe, sei keine syrische Angelegenheit. Es sei mittlerweile bewiesen, dass es sich nicht um eine regionale Angelegenheit handele. Die Sache weite sich mittlerweile aus, um zur Bedrohung für Europa und sogar die USA zu werden:

This danger now is not a Syrian issue. It is proved now that it is not a regional issue. It is also expanding now to be threat in Europe and even to the U.S.

Das ist eine Platzhaltersprache, warum spricht Hadi al-Bahra nicht konkret von der Gefahr, die von den Truppen des IS ausgeht? Schließlich wird damit - "Degrade and destroy ISIL" - der amerikanische Militäreinsatz im Irak und in Syrien begründet. Die Antwort dazu ist, weil es dem Präsident des SNC auch um den anderen Kampf geht, den gegen Baschar al-Assad. Das deutet er im ABC-Interview an und erklärt es in einem weiteren Interview mit PBS noch deutlicher:

So we will be for sure fighting on the two fronts.

Das läuft, wie der Artikel zum Interview auch herausgestellt wird, darauf hinaus, dass jede Unterstützung, welche die USA und ihre Verbündeten dem SNC und der FSA zukommen läßt, für den Kampf gegen Baschar al-Assad verwendet wird. Das ist an sich keine Überraschung, führt aber in dieser Offenheit unmissverständlich vor Augen, worauf sich die USA und ihre Verbündeten einlassen: auf die Unterstützung eines Regime Changes.

Mit der militärische Interventionen, Waffenlieferungen und mit der Ausbildung von "moderaten Streitkräften" werden sie zur Partei in einem innenpolitischen Konflikt und verstoßen damit gegen die Souveränitätsrechte eines Staates, mit dem Völkerrecht dürfte das schwerlich zu vereinbaren sein.

Eine weitere Äußerung al-Bahras gibt ebenfalls zu denken. Auf die Frage, wie das Verhältnis zwischen der FSA und al-Nusrah aussieht, antwortete der SNC-Chef ebenfalls ganz pragmatisch: Man befinde sich auf derselben Seite - gegen al-Assad - und bekämpfe sich nicht. Zwar beteuert er, dass von "Kooperation oder Koordinierung" nicht die Rede sein kann, aber "es geht um Fakten auf dem Boden...Man trifft die Entscheidungen auf dem Kampffeld."

Jabath al-Nusrah-Kämpfer. Ausschnitt aus einem Propagandavideo

Daraus ergibt sich eine interessante Konstellation: Die "moderate" SNC, die von der US geführten Koalition unterstützt wird, arbeitet mit der al-Nusrah-Miliz zusammen, die eng mit al-Qaida verbunden ist und von den USA als Terrororganisation geführt wird - und, wie manche Nachrichten gestern meldeten, z.B. von der syrischen Nachrichtenagentur Sana oder von kleineren amerikanischen Medien, sollen US-Luftangriffe auch gegen al-Nusrah geflogen worden sein.

Die Süddeutsche Zeitung meldet heute, dass ein al-Nusrah-Anführer getötet worden sein soll, was aber möglicherweis mit der nebulösen Khorasan-Gruppe (Zurück im völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Terror) zu tun hat, die für allerhand Verwirirung sorgt, etwa bei der Unterschiedung zwischen al-Qaida und al-Nusrah.

Von Angriffen auf die Nusrah-Front ist in offiziellen Meldungen der Centcom (hier und hier) wie des Pentagon jedenfalls nicht die Rede.

Es gebe im Gegenteil Gründe dafür, dass al-Nusrah verschont werde, so CBS, weil Angriffe auf die Nusrah "wahrscheinlich auf dem syrischen Terrain nicht sehr populär wären". Vielleicht auch, weil die Nusrah den Zielen der amerikanischen Militäraktion nicht gerade im Weg steht, sondern eher nützlich ist. Einstweilen.