Zurück im völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Terror
Der Aufstieg der ominösen al-Qaida-Terrorgruppe Khorasan
US-Präsident Obama erklärte nach den ersten Luftangriffen auf Ziele des Islamischen Staats in Syrien, dass die USA den Krieg gegen die Terrorgruppe wie vorangekündigt in einer "breiten Koalition" geführt habe. "Schulter an Schulter" sei man gegen diese gemeinsame Bedrohung angetreten. Während den Kampf gegen den IS im Irak mehr Länder unterstützen, da hier die irakische Regierung um Hilfe gebeten hatte, ist es in Syrien schwieriger. Die US-Regierung schlägt ohne Zustimmung der syrischen Regierung und ohne UN-Mandat zu, es handelt sich also um einen völkerrechtswidrigen Krieg. Und den wollte keine breite Koalition mittragen, sondern es fanden sich nur fünf Länder, deren genaue militärische Rolle bislang im Dunklen bleibt.
Obama nannte Saudi-Arabien, Katar, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain, die unter der Führung der USA den Kampf gegen den Islamischen Staat in Syrien aufgenommen haben. Ein Dementi gab es nicht, aber worin die Unterstützung bestand bzw. besteht, ist auch unklar. In einer ausführlichen Pressekonferenz des Pentagon wurden lediglich die eigenen Waffensysteme ausgeführt. Angeblich waren Saudi-Arabien, Katar, Jordanien und die VAE mit Flugzeugen an den Luftschlägen direkt beteiligt, zumindest hat dies das Außenministerium der VAE und Bahrain bestätigt. Ob dies zutrifft, ist eine andere Sache. Katar, das als eines der Unterstützerländer des IS gilt, habe die Angriffe hingegen nur unterstützt. Andere Golfstaaten haben sich lieber nicht beteiligt, um nicht die Islamisten gegen sich aufzubringen. "Die Stärke dieser Koalition", so Obama, "macht der Welt deutlich, dass Amerika nicht alleine kämpft."
Die Angriffe waren auch Anlass, das erste Mal die F-22 Raptor-Tarnkappen-Kampflugzeuge im Kriegseinsatz zu testen. Deren Entwicklung reicht tief in die Zeiten des Kalten Kriegs zurück. 70 Milliarden US-Dollar hatte das Pentagon in die Entwicklung und den Kauf von 187 F-22 Raptors investiert. So dient der Krieg gegen den IS auch als Rechtfertigung überteuerter Rüstungsprojekte. Der Islamische Staat soll allerdings schon vor den Angriffen Stellungen unter die Erde oder in Wohnhäuser verlegt, Waffensysteme anders aufgestellt und Familien von Mitgliedern aus al-Raqqa gebracht haben. Die Folgen für IS dürften mithin überschaubar gewesen sein.
Eine möglichst breite Koalition wollte man deswegen bilden, um die Völkerrechtsverletzung zu kaschieren. Nach US-Recht rekurriert das Weiße Haus auf die vom Kongress erteilten Kriegsermächtigungen gegen al-Qaida (2001) und gegen den Irak (2002), die Obama zwar noch letztes Jahr mit dem globalen Krieg gegen den Terror beenden wollte, aber nun dankbar darauf zurückgreift, weil damit die Zustimmung des Kongresses nicht erforderlich ist. Um die Ziele in Syrien anzugreifen, hatte man einen Tag zuvor noch eine unbekannte al-Qaida-Gruppe herbeigezaubert, die für die USA weitaus gefährlicher als der IS sein soll (US-Regierung braucht für den neuen Krieg gegen den Terror wieder al-Qaida). Die Khorasan-Gruppe habe sich aus einer al-Qaida-Zelle entwickelt, die aus Afghanistan in den Iran geflohen sei und sich seit letztem Jahr in Syrien aufhalte, um von dort Anschläge auf westliche Länder zu planen. Das Problem mit dem IS ist, dass al-Qaidas Chef Sawahiri diesen ausgeschlossen hatte, was die Verwendung der Kriegsermächtigung gegen al-Qaida womöglich hätte heikel machen können.
Um die Existenz der angeblich überaus gefährlichen Gruppe zu belegen, wurden nicht nur Angriffe auf den IS in und um al-Raqqa geflogen, sondern auch gegen Ausbildungslager, Kommandozentralen, ein Kommunikationsgebäude und eine Anlage zur Herstellung von Explosivstoffen der Khorasan-Gruppe westlich von Aleppo. Gegen diese seien 8 Angriffe unabhängig und ausschließlich von den US-Streitkräften geführt worden, so das Pentagon. Das Konstrukt ist, dass die al-Qaida-Terrorzelle nur in Syrien einen "sicheren Hafen" gefunden habe, um "Angriffe auf ausländische Ziele zu planen, Bomben zu bauen und zu testen und Menschen aus dem Westen zu rekrutieren, um Operationen auszuführen".
We believe the Khorasan group is -- was nearing the execution phase of an attack either in Europe or the homeland. We know that the Khorasan group has attempted to recruit Westerners to serve as operatives or to infiltrate back into their homelands. The Khorasan group is clearly not focused on either the Assad regime or the Syrian people. They are establishing roots in Syria in order to advance attacks against the west and the homeland.
Konteradmiral Kirby
Die Existenz der Gruppe ist für die Strategie des Weißen Hauses offenbar so wichtig, dass auch Obama ausdrücklich die Angriffe auf die "seasoned al Qaeda operatives in Syria who are known as the Khorasan Group" betonen musste. Sie dürfte nicht nur innenpolitisch der Legitimation dienen, sondern soll vermutlich auch den Angriff in Syrien völkerrechtlich als der schon vor dem Irak-Krieg ins Spiel gebrachten Selbstverteidigung durch Prävention rechtfertigen, weswegen auch alleine die USA die Angriffe ausführten und das Pentagon von einer "unmittelbaren" Bedrohung (imminent) sprach. Eine andere Version ist, dass Khorasan an den "abschließenden Planungsschritte für große Anschläge" gewesen sei. Der Islamische Staat stellte bislang weder im Irak noch in Syrien eine unmittelbare Bedrohung der USA dar, hat allerdings nun zum Angriff auf den Westen aufgerufen.
Die ganze Geschichte ähnelt den Vorbereitungen zum Krieg gegen den Irak (Das Spiel ist aus). Da hatte man nicht nur fiktive Massenvernichtungswaffen bezeugt, sondern Hussein auch unterstellt, mit einer von dem Jordanier al-Sarkawi geführten al-Qaida-Terrorgruppe im Irak zu kooperieren. Der war möglicherweise zu der Zeit tatsächlich mal kurz zu der Zeit im Land, aber es gab keine Zusammenarbeit. Allerdings hat die Amerikaner die Lüge später wieder eingeholt. Al-Sarkawi wurde nach dem Einmarsch in den Irak, dem Sturz von Hussein und der Säuberung des sunnitisch dominierten Machtapparates zum grausamen Führer von al-Qaida im Irak ("Das Böseste der Menschheit"), Köpfungen waren schon damals das Markenzeichen der Gruppe (Der seltsame Fall Nicholas Berg).
Sarkawi wurde schließlich 2006 durch eine Bombe eliminiert (Archaische Bilder vom Sieg) und al-Qaida eine Zeitlang geschwächt, vor allem durch die Bezahlung von sunnitischen Milizen als "Nachbarschaftswachen" (Das große "Erwachen" im Irak). Dann aber wurde diese Einrichtung nach dem Abzug der Amerikaner von der al-Maliki-Regierung abgeschafft und die Sunniten unterdrückt, was zum Wiederaufstieg von al-Qaida im Irak führte (begonnen hatte dies aber schon ab 2007: Weltweiter Export von kampferprobten Islamisten aus dem Irak?). Stark wurde die irakische Terrorgruppe in Syrien und breitete sich seit letztem Jahr auch wieder im Irak aus. Al-Qaida wurde, um nur kurz daran zu erinnern, von den USA und Saudi-Arabien gegen die Russen in Afghanistan aufgebaut. So also wird die US-Regierung von den einstigen Gespenstern eingeholt.
Ganz wichtig ist der US-Regierung auch, dass man nicht mit dem Assad-Regime kooperiert. Man habe dieses lediglich vor den Angriffen "informiert", aber nichts mit ihm "koordiniert", versicherte man aus dem Pentagon:
We do not coordinate with the Assad regime. While the United States did inform the Syrian regime through our U.N. ambassador of our intent to take action, there was no coordination and no military-to-military communication.
Konteradmiral John Kirby am 23.9.2014
Auch hier muss sich Obama durchmogeln, schließlich dient sich das Assad-Regime schon lange dem Antiterrorkampf des Westens gegen die Islamisten als Vorreiter an. Wenn öfter Angriffe auf Stellungen des IS geflogen werden sollen, muss das Pentagon auch sicher sein, dass die syrische Regierung mitspielt und die Luftabwehr nicht zum Einsatz bringt.