Krieg im Kaukasus: Kanada stoppt Export von Drohnentechnologie an die Türkei
Nato-Generalsekretär Stoltenberg verschont die Regierung in Ankara mit Kritik
Nato-Generalsekretär Stoltenberg war am Montag in der Türkei; an Konflikten, an denen das Nato-Mitglied maßgeblich beteiligt ist, mangelt es nicht: Syrien, das östliche Mittelmeer, Libyen und nun auch Bergkarabach - überall sind türkische Kriegsgeräte, Soldaten und Söldner im Spiel, die das nationale Interesse aggressiv mit Kriegshandlungen oder, wie im Fall des Streits im östlichen Mittelmeer, mit der Androhung militärischer Aktionen durchsetzen oder es durchsetzen wollen.
Da die Türkei mit ihrer Militärpolitik in Syrien, in Libyen wie auch bei der Unterstützung Aserbaidschans auf der Gegenseite zu Russland steht, war nicht zu erwarten, dass Stoltenberg der Regierung Erdogan in die Parade fahren würde - auch wenn dies vom Nato-Mitglied Frankreich seit Monaten gefordert wurde.
Stoltenberg war es wichtig, Einigung innerhalb der Nato zu dokumentieren, wohl auch im Blick auf Russland. Von der regierungsnahen türkischen Zeitung al-Sabah-Daily wurde diese Botschaft herausgestellt:
"Die Nato-Verbündeten haben sich dazu entschlossen, ihre Unterstützung für die Türkei aufzustocken. Generalsekretär Stoltenberg sagte, dass Ankaras Sicherheit gleichbedeutend ist mit der Sicherheit der Allianz."
Dem folgt dann ein Satz, der mit der Wirklichkeit, etwa in Syrien und in Libyen, schwer zu vereinbaren ist: "Die Rolle der Türkei bei der Bekämpfung des Terrorismus lobend, sagte Stoltenberg, dass das Land eine gewichtige Rolle beim Kampf gegen den Terrorismus gespielt hat."
Mittelmeer: Mechanismus zur militärischen Konfliktvermeidung
Aber immerhin beim Konflikt im Mittelmeer zwischen den Nato-Staaten Türkei und Griechenland, der zeitweise zu eskalieren drohte, gibt es nun Gespräche und Signale der Entspannung wie die Rückkehr eines weiteren türkischen Explorationsschiffes namens Yavuz, das monatelang im Süden Zyperns im Einsatz war. Zuvor war schon das Forschungsschiff Oruc Reis aus umstrittenen Gewässern zurückbeordert worden. Zugleich heißt es aber auch in der Meldung über die Rückkehr der Yavuz, dass ein anderes türkisches Forschungsschiff namens Barbaros Hayrettin Pasa vor der Südostküste Zyperns weiter operieren soll, der Einsatz sei bis zum 18.Oktober verlängert worden.
Der Weg zur Klärung der Streitigkeiten über Seegrenzen und Ressourcen ist noch weit. Stoltenberg sprach davon, dass man nun einen Mechanismus zur militärischen Konfliktvermeidung eingerichtet habe. Dazu gehört etwa eine "24/7 hotline" zwischen der Türkei und Griechenland. Der türkische Außenminister Cavusoglu habe sich bei der die Nato für ihre Vermittlerrolle bedankt, so al-Monitor.
Im englisch-sprachigen Bericht der al-Sabah-Daily wird die Dankbarkeitsbezeugung Cavusoglus mit einer vorangestellten Einschränkung wiedergegeben: "Still, I express my gratitude to NATO for its mediating role."
Diskrepanzen bei S-400
Der türkische Außenminister pochte in der Pressekonferenz darauf, dass Ankara weiter die Interessen der Türkei und der "türkischen Republik Nordzyperns" verfolgen werde. Zudem deutet sich im Bericht an, dass es keine grundsätzliche Einigung beim heiklen Thema des russischen Flugabwehrsystems S-400 gegeben hat und auch nicht beim Konflikt im Kaukasus.
Stoltenberg betonte demnach, dass das S-400-System "nicht in das Verteidigungssystem der Nato integriert werden könnte". (In der FAZ wird er damit zitiert, dass sich die Türkei ein anderes Abwehrsystem beschaffen soll, weil "es ein Risiko für alliierte Flugzeuge darstellen könne".) Cavusoglu konterte damit, dass die Türkei S-400 von Russland "kaufen musste", weil man keine Patriots von den Verbündeten bekommen habe.
Aggressiv gegen Armenien
Was den Krieg in der Region Bergkarabach betrifft, so blieb der türkische Außenminister der aggressiven Rhetorik Erdogans treu, der schon im Juli bei Gefechten an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze "Armenien als Invasor" bezeichnete. In der Darstellung Cavusoglus auf der Pressekonferenz zum Besuch Stoltenbergs liegt die Kriegsschuld eindeutig bei Armenien. Dazu behauptete er, dass aus der Türkei keine militärische Unterstützung für Aserbeidschan käme. Dies würde erst erfolgen, wenn die Regierung in Baku dies erbitten würde.
Dazu gibt es, abgesehen von den typischen Vorwürfen (hier die armenische Seite, dort) die Seite Aserbaidschans), wer diesmal womit begonnen hat, auch andere Darstellungen, vor allem was die militärische Unterstützung aus Ankara betrifft.
Mittlerweile wird von Experten mit guten Verbindungen zu syrischen Milizen wie dem französischen Journalisten Wassim Nasr bestätigt, dass die Türkei syrische Milizenkämpfer aus der mit ihr verbündeten Nationalen Syrischen Armee angeworben hat und dafür bezahlt, um in den Konflikt im Kaukasus einzugreifen. (Zur Verärgerung der Dschihadisten in Nordsyrien, die darin einen Verrat ihrer Sache sehen, nicht zuletzt, weil sie der Abzug schwächt).
Dass Ankara seit vielen Jahren Baku unterstützt, und es mehrere Militärkooperationsabkommen zwischen Anakara und Baku gibt, ist unbestritten wie auch der Einsatz türkischer Drohnen im gegenwärtigen Krieg zwischen Armenien, Arzach (Bergkarabach) und Aserbaidschan. Die Türkei rüstete die "Brudernation" Aserbaidschan mit moderner Kriegstechnologie auf. Dazu gab es eindeutige Signale aus Ankara, die militärische Unterstützung zusicherten (vgl. dazu Erdogans neuer Krieg).
Kanada setzt Technologie-Export aus
Offenbar haben Meldungen aus dem Kriegsgebiet bei der kanadischen Regierung zu einer deutlich strikteren Reaktion geführt als beim Nato-Generalsekretär, der es offiziell bei der unverbindlichen Äußerung beließ, dass eine militärische Lösung nicht die richtige sei. Kanadas Außenminister Francois-Philippe Champagne kündigte dagegen an, den Export kanadischer Drohnentechnologie (optische Systeme, Lasersysteme zur Zielerkennung) an die Türkei auszusetzen. In den türkischen TB2- Bayraktar-Drohnen seien Sensoren kanadischer Herstellung eingebaut, die selbst bei schlechtem Wetter und bei Nacht Vorgänge am Boden beobachten können, berichtet CBC.ca.
Er habe in den letzten Tagen von Vorwürfen gehört, dass Drohnen mit kanadischer Technik im Krieg in Nagorno-Karabach verwendet werden, so die Begründung des Außenministers Champagne. Daher setze er in Übereinstimmung mit kanadischen Vorschriften zum Export diesen angesichts der gegenwärtigen Feindseligkeiten aus. Man werde die Situation weiter prüfen.
Das türkische Außenministerium reagierte verärgert und wirft Kanada doppelte Maßstäbe vor, da das Land ja auch Waffen exportiere, die im Jemenkrieg verwendet werden, geliefert an Nation, die anders als die Türkei kein Nato-Mitglied sind. Der leitende Vertreter der türkischen Waffenindustrie gab zu verstehen, dass man auch ohne die Technologie aus Kanada auskomme, da die eigene Waffenentwicklung Fortschritte mache.
Die türkische Unterstützung der Regierung in Baku wird auch von der Oppositionspartei CHP geteilt: "Die Herzen von 83 Millionen Türken schlagen für Aserbaidschan", so Kemal Kilicdaroglu. Erdogans Militärpolitik hat außer bei der HDP offenbar keine innenpolitischen Gegner.
Solange er Russland an den verschiedenen Fronten beschäftigt, wird auch von der Nato kein entschlossener Einspruch gegen seine Kriegspolitik kommen.