Kriegspropaganda: Eine Kiewer Ente im deutschen Blätterwald

Fussnoten

1

Dass bewaffnete Regierungsgegner in der Ostukraine aus Russland unterstützt werden, etwa mit Spenden oder freiwilligen Kämpfern, soll hier nicht abgestritten werden. Ob Kämpfer aus Russland die Mehrheit der Separatisten bilden, ist damit jedoch nicht gesagt. Genauso wird aber auch die Kiewer Regierung aus Ländern des "Westens" finanziell, logistisch und personell unterstützt. Belegt ist dies etwa bei militärischer Ausstattung ganz gut: Splitterschutzwesten, Uniformen oder Kevlar-Gefechtshelme der erst in diesem Jahr gegründeten rechten ukrainischen Freiwilligenbataillone kommen bspw. aus Bundeswehrbeständen. Zu sehen ist dies etwa in den folgenden Videos: hier ab 0:24, hier ab 3:07 oder hier bei 1:09.

2

Rasmussen "bestätigte" den Vorfall zwar, schrieben fast alle Medien wortgleich. Doch Rasmussen war weder selbst in der Ostukraine dabei, noch legte er irgendwas Handfestes an Belegen vor. Wie Redakteure dafür das Verb "bestätigen" wählen können, bleibt ihr Geheimnis.

3

In seinem Buch "Einführung in den praktischen Journalismus" schreibt der frühere Hörfunk-Nachrichtenchef des bayrischen Rundfunks Walther von La Roche zum Punkt Recherche: "Erste Frage: Ist überhaupt etwas dran? (…) Es gilt der Grundsatz: Bestätigung durch mindestens eine zweite Quelle." (19. Auflage, Seite 56/57). Unmittelbar danach schreibt La Roche übrigens auch, dass Journalisten zu jedem Problem auch die andere Seite hören und zu Wort kommen lassen müssen. Dies ist im Ukraine-Konflikt jedoch nochmal eine Sache für sich.

4

Das Schmoren im eigenen permanenten Propagandasaft begünstigt solche redaktionellen Entscheidungen sicherlich ebenfalls. Spiegel-Korrespondent Christian Neef nennt als Grund "Hysterie". Auch bei Welt.de gibt es einen halbherzigen Aufklärungsartikel. Mehr als solche minimal selbstkritischen Texte sollte aber niemand von deutschen Leitmedien erwarten. Einen "Faktencheck" auf Englisch gibt es etwa bei vox.com.

5

Der zuständige Redakteur bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) führt dies sogar besonders dreist aus: Auf der HAZ-Titelseite vom 16. August steht natürlich die Kiewer Falschmeldung ebenfalls im Zentrum. Als Autorin wird die Kiewer Reuters-Journalistin Natalia Zinets angegeben. In ihrem Original-Agenturtext, auf den sich die HAZ bezieht, bildet das russische Dementi noch den zweiten Satz. In der HAZ-Variante verschiebt der bearbeitende Redakteur dies aber sage und schreibe bis in den vierten und damit letzten Absatz. Journalistisch-handwerklich ist dies eine völlig unzulässige Prioritätensetzung des Redakteurs, denn es handelt sich um eine wichtige Information. Und die ukrainische Behauptung, dass es so war, ist genauso viel wert wie die russische Behauptung, dass es nicht so war. Das Ganze hat aber natürlich einen psychologischen Effekt: Der unbedarfte Leser glaubt Russlands Dementi im vierten Absatz nach den ganzen gegenläufigen Vorinformationen nicht mehr ohne weiteres.

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