Kriegswirtschaft: Was der globale Umbruch für unser Leben bedeuten kann

Seite 3: EU-Schulden: Corona als "Testballon"?

Die Philosophie von Habecks "Lieblingsökonomin" Mazzucato fügt sich nahtlos ein in die Absichtserklärungen zu einem "Green New Deal" wie sie in prominentester Form vom US-Präsidenten Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin (sowie mutmaßlicher Nato-Generalsekretär-Anwärterin) Ursula von der Leyen aufgestellt und vor kurzem gemeinschaftlich erneuert wurden.

Neben der beabsichtigten Evokation von Franklin Delano Roosevelts Wirtschaftsreformen Mitte der 1930er-Jahre, die als vermeintlich erfolgreiche Reaktion auf die auf die Entbehrungen der Great Depression gelten, greift der "Green New Deal" für besonders Geschichtsinteressierte auch einen weniger berühmten Aspekt auf: dass Roosevelt nur durch den massiven Aufbau von Schulden im Zuge des Kriegseintritts der USA Herr der Lage werden konnte. Die Kriegswirtschaft hat Roosevelt gerettet.

Und Roosevelt seinerseits ist es gelungen, das System des Kapitalismus zu retten, ohne dessen Grundprobleme an der Wurzel bekämpfen zu müssen. Versucht die EU sich an einem ähnlichen Kunststück?

Die Art und Weise, mit der Sie ohne Rücksicht auf vormalige Bedenken gegenüber der "Schuldenunion" Politik betreibt, kann diesen Eindruck erwecken. Das gilt auch für Bretons Entscheidung zum Eintritt in die Kriegswirtschaft.

Die jüngst von der EU beschlossenen Rüstungssubventionen in Höhe von einer Milliarde Euro stammen aus den Mitteln des Corona-Wiederaufbaufonds (NextGenerationEU). Wirtschaftsminister Habeck hatte eine solche Umwidmung bereits im vergangenen Jahr angeregt.

Eine weitere Milliarde soll aus der Europäischen Friedensfazilität (EFF) fließen, einem Sondervermögen außerhalb des regulären EU-Haushalts.

Kritiker stoßen sich daran, dass die Forderung nach gemeinsamen Schulden unter der Berufung auf immer wechselnde Anlässe mittlerweile zur Normalität geworden sei. So etwa der Brüssel-Korrespondent der Welt, Tobias Kaiser:

Im Mai 2021 beispielsweise forderten die europäischen Grünen neue gemeinsame Schulden, um die – zweifelsohne – gewaltigen Investitionen zu finanzieren, die für die Energie- und Klimawende nötig sein werden […]

Im Frühherbst vergangenen Jahres waren es die bereits damals hohen Gas- und Stromkosten. Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine dann die neuen Verteidigungsaufgaben. Und bis vor wenigen Wochen verlangten der damalige italienische Ministerpräsident Draghi und andere Regierungschefs einen neuen schuldenfinanzierten EU-Topf um die nationalen Energiehilfen zu finanzieren.

Tobias Kaiser, Welt

Der von Kaiser zitierte Volkswirt Friedrich Heinemann, Leiter des Bereichs öffentliche Finanzierung beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim (ZEW), geht sogar soweit zu sagen, dass die Corona-Schulden nur "ein Testballon für eine umfassende europäische Kreditfinanzierung" gewesen seien.

Darauf, dass sich der deutsche Staat in diesem Sinne bereits seit dem vergangenen Jahr in der Kriegswirtschaft befindet, hatte die Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld im Mai 2022 auf T-Online aufmerksam gemacht. Dort hieß es:

"9-Euro-Ticket, Tankrabatt, mögliche Gasrationierungen: Der Staat greift stark in die Märkte ein. Damit wird klar: Der Einstieg in die Kriegswirtschaft ist längst beschlossen. […] Klar ist, dass das Geld aus Haushaltsmitteln, neuen Krediten oder Steuererhöhungen kommen muss- Geld, das entweder für etwas anderes gedacht war oder das von einer Generation abgestottert werden muss, die selbst von dem Sommervergnügen des Jahres 2022 nichts oder nicht viel hatte.

T-Online