Kriegswirtschaft: Was der globale Umbruch für unser Leben bedeuten kann

Auf dem Weg zum erzwungenen Markt, dem nächsten Test einer Ausnahmesituation, zur Planwirtschaft? Ein Essay zur ökonomischen Mobilmachung.

Der EU-Industrie-Kommissar Thierry Breton hat vor kurzem davon gesprochen, der Ex-Chef der Münchener Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger und die Wehrbeauftragte der Bundeswehr Eva Högl reden darüber, der EVP-Vorsitzende Manfred Weber nimmt den Begriff in den Mund. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat schon vor mehr als einem Jahr entsprechende Forderungen aufgestellt und in den Medien taucht der Begriff in jüngster Zeit auch häufiger auf: Kriegswirtschaft.

Die EU soll ökonomisch mobilmachen.

Auch Klima ist Krieg – sagen manche

Geführt wird die Diskussion wohlgemerkt nicht in den Konfliktländern Ukraine und Russland, sondern in denjenigen Ländern, die der ukrainischen Regierung Unterstützung leisten, im Wesentlichen militärische.

Auch in einem anderen Kontext bedienten sich Persönlichkeiten des (wirtschafts-)politischen Lebens zuletzt eines ähnlichen martialischen Vokabulars. Wie das Magazin Focus berichtete, verkündete der Multimilliardär Warren Buffet auf der Hauptversammlung seiner Investmentfirma Berkshire Hathaway (die selbst noch eifrig Geld in Mineralöl steckt), dass die "grüne Revolution" mit einer "Kriegsstrategie" analog zu der im Zweiten Weltkrieg durchgesetzt werden müsse. Es handele sich schließlich um einen "Notfall", einen Ausnahmezustand.

Bereits im letzten Ausnahmezustand – der Corona-Krise, deren zwingend nötige Aufarbeitung zuletzt durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in noch weitere Ferne gerückt ist –, wurde mit Kriegsrhetorik nicht gegeizt.

Anfang des Jahres hatte Telepolis die Lehre des italienischen Philosophen Giorgio Agamben nachgezeichnet, wonach Ausnahmezustände das Mittel der Wahl darstellen, um Regierungsmacht zu überschreiten sowie auch neue Herrschaftsformen zu schaffen.

In ihrem Buch "Capitalism, Coronavirus and War" (2023) zeigt die indische Politikwissenschaftlerin Radhika Desai auf, wie die neoliberale Doktrin in der Corona- und Ukraine-Krise in einem pseudo-sozialistischen Programm mündet, das den Kapitalismus nicht überwindet, sondern ihn vielmehr vor dem Untergang rettet.

Mit Desai kann man den Begriff der "Kriegswirtschaft" als Teil des übergeordneten Ausnahmezustands "Zeitenwende" lesen, dessen Überschreitungen dem altbekannten Muster folgen, innere Umwälzungen mit einer Bedrohung von außen zu rechtfertigen.

Kriegswirtschaft = Verwaltungsstaat?

Kriegswirtschaft. Was bedeutet das eigentlich genau? Das Gabler Wirtschaftslexikon liefert folgende Definition:

Wirtschaftsordnung, in der für militärische Zwecke bei formaler Gewährleistung der individuellen Gewerbefreiheit und des Privateigentums an den Produktionsmitteln der Markt-Preis-Mechanismus bei ausgedehntem staatlichem Dirigismus größtenteils außer Kraft gesetzt und durch ein administrativ-bürokratisches Allokations- und Verteilungssystem auf der Basis von Ge- und Verboten ersetzt wird.

Wegen der faktischen Dominanz der staatlichen Planung handelt es sich bei der Kriegswirtschaft um eine Spezialform der Zentralverwaltungswirtschaft.

Gabler Wirtschaftslexikon

Warum Europa in die Verlegenheit kommen sollte, in eine solche Wirtschaft einzutreten, erklärte der ehemalige Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz (MSC), Wolfgang Ischinger, Mitte Januar gegenüber der Welt am Sonntag so:

Kriegswirtschaft bedeutet, dass wir – in der Nato und europäisch koordiniert – die Initiative ergreifen und die europäischen Rüstungsfirmen auffordern, kriegsbedingt mehr Waffen und mehr Munition herzustellen. […] wir brauchen die politische Prioritätensetzung, damit die Industrie die notwendigen Vorgaben hat. Die sollten von den Regierungen und aus Brüssel kommen. […] Die Zeitenwende bedeutet doch nicht nur die Abkehr von der Energieabhängigkeit und den Wiederaufbau der Bundeswehr. Sie geht weit darüber hinaus.

Wolfgang Ischinger

Wie Jürgen Wagner auf Telepolis vor Kurzem herausgestellt hat, nehmen die Forderungen nach einem Ausbau des Rüstungssektors auch in Deutschland stetig zu: Wehretat: Ausgaben für Bundeswehr auf Höhenflug.

Die Dimensionen reichen von zehn Milliarden Euro, die die Unionsfraktion fordert, bis zu den 200 Milliarden, um die Wehrbeauftragte Högl das bereits 100 Milliarden schwere Sondervermögen aufstocken möchte. Derweil baut der Rüstungskonzern Rheinmetall in der Ukraine Panzerfabriken auf.

Denken wir das Modell Kriegswirtschaft aber zu Ende. Kriegswirtschaft bedeutet also – zumindest teilweise – Planwirtschaft. Und die Ambition, für ein vermeintlich "höheres Ziel" den freien Wettbewerb, das Verbraucherverhalten und die damit verbundene persönliche Entfaltungsfreiheit zu beschränken, eint die beiden Steckenpferde der deutschen Grünen: Krieg und Klima. Deshalb noch einmal zurück zu dem Mann, der mit Öl-Aktien den Klimawandel bekämpft.