Krillfischen an gottlosen Gestaden
Seite 3: Omega-3-Goldrausch: Nachhaltig zertifizierte Produkte mit zweifelhafter Wirksamkeit erhöhen die Nachfrage nach Krill
- Krillfischen an gottlosen Gestaden
- Örtlich konzentrierte Fischerei auf Kollisionskurs mit Krillspezialisten
- Omega-3-Goldrausch: Nachhaltig zertifizierte Produkte mit zweifelhafter Wirksamkeit erhöhen die Nachfrage nach Krill
- Auf einer Seite lesen
Der Antarktische Krill kam Ende der 1970er Jahre als neues Tierprotein für den Speiseplan einer schnell wachsenden menschlichen Erdbevölkerung ins Gespräch, doch die speziellen Anforderungen an Fang und Verarbeitung bremsten die Umsetzung dieser Idee zunächst aus. Nur geringe Mengen werden gegenwärtig für die unmittelbare menschliche Ernährung genutzt, vor allem in Asien. Der Großteil des Fangs wird heute zu Köder für die Fischerei und zu Futtermehl für die Aquakultur verarbeitet, zu Zutaten für die Geflügelmast und zu Premium-Haustierfutter.
Umweltschützer verwehren sich gegen den Krillfang zum Zwecke der Belieferung von Fischfarmen mit Futtermehl. Eine andere Nutzungsform erscheint ebenfalls fragwürdig, doch sie ist die derzeit lukrativste: die Extraktion von Krillöl für den menschlichen Konsum. Anwendungen in der Medizin und in der Kosmetikbranche haben bereits zu einer höheren Nachfrage nach Antarktischem Krill geführt. In den 1990er Jahren hatte der Kanadier Luc Rainville entdeckt, dass Omega-3-Fettsäuren aus Krill problemlos vom menschlichen Körper aufgenommen werden. 2002 wurde daraus ein Unternehmen: Neptune Biotechnologies and Bioressources brachte Krillöl als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt.
Omega-3-Zusätze versprechen fantastische Umsätze. Der globale Krillölmarkt wurde 2015 mit 300 Millionen US-Dollar ausgepreist, für 2022 wird ein Wert von 700 Millionen US-Dollar prognostiziert. Aufgrund seines im Vergleich zu den aus Fischöl hergestellten Omega-3-Produkten deutlich höheren Preisen haben die Krillölprodukte in diesem Marktsegment einen noch relativ geringen Marktanteil - allerdings mit der höchsten Wachstumsrate. Der globale Markt für Omega-3-Zusätze hatte 2016 einen geschätzten Wert von 33 Milliarden US-Dollar.
Im Unterschied zum Fischöl enthält Krillöl neben den in beiden anzutreffenden Omega-3-Fettsäuren noch vergleichsweise beträchtliche Mengen an Phospholipiden ("marines Lecithin") sowie Astaxanthin, dem das Öl seine rote Färbung verdankt. Diverse Studien aus der Alternativmedizin bringen diese Zusammensetzung mit einer Reihe von Vorteilen für die Gesundheit in Verbindung, die die Wirkung einer Einnahme von Fischöl noch übertreffen und die damit den höheren Preis rechtfertigen sollen, zum Beispiel positive Einflüsse auf den Hormonhaushalt und den Verlauf von Entzündungen sowie eine Verbesserung der Blutfettwerte.
Diese Befunde sind in der Fachwelt jedoch umstritten. Selbst die medizinischen Wirkungen einer zusätzlichen Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren sind nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Das Marketing zeigt sich von den Zweifeln vieler Fachleute unbeeindruckt: Das Krillölgeschäft ist die gegenwärtig größte Triebkraft hinter den Zuwachsraten der Krillfischerei in der Antarktis.
Beispiel Aker BioMarine
Das heutzutage wichtigste Krillölunternehmen weltweit ist Aker BioMarine. Die norwegische Firma wurde 2006 als unabhängiges Unternehmen etabliert, das von den Fischereierfahrungen der Aker-Gruppe profitieren konnte. Die hatte bereits 2003 die Krillfischerei in der Antarktis aufgenommen.
Zur Strategie des Unternehmens gehört die Zusammenarbeit mit Umweltschutzgruppen wie dem WWF-Norwegen. Gemeinsam mit Blackmores und Swisse, zwei australischen Unternehmen, die ihr Geld mit Krillöl machen, hat Aker BioMarine den Antarctic Wildlife Research Fund ins Leben gerufen, der die Erforschung des antarktischen Ökosystems erleichtern und fördern soll.
Solche Engagements nehmen Entwicklungen den Wind aus den Segeln, die hin und wieder das Geschäft stören können. Wie etwa 2010, als das US-amerikanische Einzelhandelsunternehmen Whole Foods Market Krillöl aus seinen Regalen verbannte, mit der Begründung, dass es einen Rückgang in den Populationen von marinen Lebewesen gäbe, die sich von Krill ernährten.
Ein weiteres Argument zur Gewinnung von Kundschaft ist eine erfolgreiche Zertifizierung durch den Marine Stewardship Council (MSC ) oder durch Friend of the Sea. Aker BioMarine hält zurzeit die einzige MSC-Krillzertifizierung, die in Kraft ist. Der norwegische Mitkonkurrent Rimfrost hat seine Zertifizierung diesen Sommer ausgesetzt, ein weiteres chilenisches Unternehmen befindet sich im Zertifizierungsverfahren. Doch die Natur dieser Zertifizierungsschemen ist in die Kritik geraten.
Die Sparte der Krillölhersteller ist unterdessen noch übersichtlich und neigt derzeit zur Konsolidierung. Erst im Sommer 2017 hatte Aker BioMarine den Hauptkonkurrenten Neptune aus der Krillölherstellung verdrängt und dessen Patentrechte auf dem Gebiet der Extraktion und Verarbeitung von Krillöl erworben.