Krim-Annexion wird zum Problem für Siemens
Seite 2: Siemens in Russland
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Ob Russland die Turbinen auf der Krim allerdings zum Laufen bekommt, ist unklar. Denn nach Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters sind bisher alle russischen Unternehmen gescheitert, die Siemens-Turbinen zu betreiben. Allerdings hält die Mehrheit der von Reuters befragten Experten es für machbar, dass russische Experten die Turbinen in Betrieb nehmen.
Für Siemens ist die Sache dennoch sehr unangenehm, denn wegen seiner Russland-Geschäfte steht es in Deutschland schon länger in der Kritik. Legendär ist ein ZDF-Interview mit dem Siemens-Chef Joe Kaeser im März 2014. Kaeser war gerade von einem Besuch bei Putin zurückgekommen. Ein "Besuch bei einem Kunden", nannte er das im ZDF. "Von kurzfristigen Turbulenzen" ließe sich Siemens "in unserer langfristigen Planung" nicht leiten, erklärte Kaeser.
Das ZDF nahm es dem Siemens-Mann schwer übel, dass dieser nicht in die allgemeine antirussische Stimmung einschwenken wollte, nachdem Putin gerade die Krim annektiert hatte. Kaeser konterkariere gerade alles, "was die westliche Politik versucht aufzubauen", hielt ihm ZDF-Moderator Claus Kleber entgegen. Da half Kaeser auch nicht der Hinweis, dass das Kanzleramt natürlich über seine Reise informiert sei.
Geschäfte in Gefahr
Nun wird die Krim-Annexion - verspätet und indirekt durch die Gasturbinen - doch noch zum Problem für Siemens. Ausgerechnet Siemens, dessen Chef sich im ZDF so gegen den Trend für Dialog und Kooperation mit Russland ausgesprochen hat, muss nun mit ansehen, wie mit den eigenen Turbinen die Sanktionen hintergangen werden. "Deutsche Konzerne, die sich etwas auf ihre angeblichen Sonderbeziehungen mit dem Kreml einbilden, sollten nach der Siemens-Blamage endlich aufwachen. Das Putin-Regime ist eben doch kein ganz normaler Geschäftspartner", wetterte prompt Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer.
Dabei hatte Siemens sich extra vertraglich zusichern lassen, dass die Turbinen nicht auf die Krim gelangen. Vertraglich ist sogar untersagt, mit den Turbinen erzeugten Strom per Stromkabel auf die Krim zu leiten. Selbst daran wurde gedacht, denn Taman ist nicht weit von der Krim entfernt. Und darauf zu achten, war auch nötig, denn EU-Sanktionen wurden genau für diesen Fall erlassen. Selbst russische Firmen meiden deshalb die Krim - um Geschäfte anderswo auf der Welt nicht zu gefährden.
Nun sind die Geschäftsbeziehungen von Siemens zu Russland in der Krise. Siemens selbst sieht sich als Opfer einer Täuschung. Das Unternehmen reichte in Moskau Klage gegen seinen Kunden Technopromexport ein. Siemens trennt sich außerdem von der russischen Ingenieurfirma ZAO Interautomatika, wo der Konzern mit 45,7 Prozent größter Einzelaktionär ist. Die Firma rüstet Kraftwerke mit Kontrollsystemen aus. Gekündigt wurde auch ein Lizenzabkommen mit russischen Firmen zur Ausrüstung von Kombikraftwerken. Außerdem liefert Siemens "bis auf weiteres" keine Kraftwerksausrüstung mehr an russische staatliche Firmen.
Deutsche Investitionen
Möglicherweise sind laut Siemens inzwischen alle vier Turbinen auf der Krim gelandet. Der Münchener Konzern hat zur Lösung der Krise zudem angeboten, die Turbinen zurückzukaufen und den entsprechenden Vertrag zu annullieren.
Der Fall alarmiert auch die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK). Sie warnte, deutsche Firmen müssten sich in Russland darauf verlassen können, dass Verträge eingehalten werden. Dabei hatte die Kammer gerade erst neue Erfolge bei deutschen Investitionen verzeichnet. So baut etwa Daimler in der Nähe von Moskau sein erstes Pkw-Produktionswerk. Für 250 Millionen Euro sollen dort 1000 Arbeitsplätze entstehen. "Weitere Sanktionen werden nicht zu Stabilität und Frieden in Europa und der Welt beitragen, sondern die Situation im Gegenteil verschärfen", warnte AHK-Chef Matthias Schepp damals. Das war allerdings mit Blick auf neue US-Sanktionen.
Russische Medien sind natürlich besorgt, dass sich Siemens zurückzieht. Das werde dem Unternehmen Riesenverluste bringen, sagte der Vizechef des Wirtschaftsausschusses des russischen Unterhauses, Sergej Schatirow, dem Kreml-nahen Sender Sputnik. Wenn Siemens seine Unternehmungen in Russland ganz stoppen würde, hätte das laut Sputnik weitreichende Folgen. Gewartet werden müssten zum Beispiel Wärmekraftwerke mit deutschen Gas- und Dampfturbinen oder Hochgeschwindigkeits-Elektrotriebwagen für Fern- und Nahverkehr. Insgesamt seien 48 Prozent aller Kraftwerke mit Turbinen von Siemens ausgerüstet.
Russland würden zudem neue Investitionen in Milliardenhöhe entgehen, räumt Sputnik ein. Aber auch Siemens werde Schaden nehmen, denn letztlich werde es durch andere ausländische Unternehmen ersetzt und einfach nur seinen Markt verlieren, drohte Sputnik: "In diesem Fall würde Siemens den traditionsreichen russischen Markt verlieren, wo das Unternehmen seit 1853 präsent ist, und in der Perspektive gewiss von anderen Lieferanten verdrängt werden können."