Kritik am Öffentlich-Rechtlichen: Mitarbeiter widersprechen Forderung nach Reform
Debatte um politische Rolle der gebührenfinanzierten Sender. Gremien von Mitarbeitern weisen "Manifest" zurück. Telepolis dokumentiert beide Seiten.
Ein kürzlich veröffentlichtes Forderungspapier, das Änderungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorschlägt, stößt bei den Redakteursausschüssen der Rundfunkanstalten auf Widerstand.
Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (Agra), die ARD, ZDF, Deutschlandradio und Deutsche Welle repräsentiert, hat in einer Erklärung am Donnerstag ihre Ablehnung gegenüber wesentlichen Punkten des Papiers zum Ausdruck gebracht.
Redakteure verteidigen journalistische Prinzipien
Die Agra betont in ihrer Stellungnahme, dass der Eindruck, in den Sendern würden nur vorgegebene Meinungen diskutiert und verbreitet und nur "Mainstream"-Themen und -Berichterstattung stattfinden, falsch sei. Es gebe in den Sendern eine lebhafte Streitkultur, in der alle Meinungen geäußert würden, und die Berichterstattung finde grundsätzlich nach journalistischen Prinzipien statt.
Die Redakteursausschüsse bestehen aus gewählten Vertretern der Redakteure in den jeweiligen Häusern.
Forderungspapier von anonymen Erstunterzeichnern
Das Forderungspapier wurde am Vortag von einer Gruppe von zum Teil anonymen Erstunterzeichnern veröffentlicht und ins Netz gestellt. Es soll mehr als 100 Beteiligte geben, darunter auch Beschäftigte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert von der Gruppe Transparenz. Telepolis hatte das Papier dokumentiert und stellt weiterhin beide Seiten der Debatte dar.
Das Manifest beklagt unter anderem, dass Meinungsmache und Berichterstattung zunehmend auf eine Art und Weise verschmelzen würden, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht. Es wird auch eine wachsende Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung bemängelt. Ferner enthält das Papier eine Reihe von Reformvorschlägen.
Reaktionen der Rundfunkanstalten
Das ZDF reagierte auf das Papier mit der Aussage, dass der Sender Meinungspluralismus ausdrücklich begrüße und fördere, sowohl im Programm, in der Gesellschaft als auch im Unternehmen. Mitarbeiter hätten jederzeit die Möglichkeit, sich kritisch zu äußern, nicht nur bei internen Dialogveranstaltungen und in Redaktionskonferenzen.
Eine konstruktive Kultur des respektvollen Dialogs sei auch Bestandteil der eigenen Leitlinien. Nur ein freier Mitarbeiter des ZDF habe das Papier sichtbar unterzeichnet.
Ein Sprecher der ARD erklärte, dass das veröffentlichte Dokument, das offenbar von einigen Beschäftigten der ARD-Medienhäuser unterzeichnet wurde, Teile einer Diskussion wiedergibt, die in den ARD-Medienhäusern kontinuierlich geführt wird.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der durch Beiträge finanziert wird, müsse sich kritischen Diskussionen stellen. Das schließe auch die selbstkritische Betrachtung des eigenen Handelns ein. Jeder Beitrag in dieser Diskussion verdiene gehört zu werden. Dass ein Dokument wie das sogenannte Manifest erscheint, sei Ausdruck der Tatsache, dass in den ARD-Medienhäusern Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit herrschen.
Die Replik der Redakteure im Wortlaut
In der Replik heißt es wörtlich:
Die Agra widerspricht dem "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" in wesentlichen Punkten. Der Eindruck, dass in den Sendern nur vorgegebene Meinungen diskutiert und verbreitet würden und nur "Mainstream"-Themen und -Berichterstattung stattfinden könnten, ist falsch.
Eine Gruppe von Kritikern hatte am 4. April 2024 ein "Manifest" veröffentlicht, in dem den Sendern unter anderem eine fehlende Meinungsvielfalt vorgeworfen wurde.
Die Agra stellt hingegen klar: Wir haben überall eine lebhafte Streitkultur, bei der alle Meinungen geäußert werden. Berichterstattung findet grundsätzlich nach journalistischen Prinzipien statt.
Die Redakteursausschüsse, die von den aktiven Redakteurinnen und Redakteuren der Sender gewählt werden, kontrollieren die Einhaltung der Regularien der inneren Rundfunkfreiheit, zu der die Unabhängigkeit wie auch die Meinungsvielfalt gehören. Jede Programmmacherin und jeder Programmmacher kann sich beim Verdacht auf einen Programmkonflikt an die Ausschüsse wenden.
Starke Redaktionsstatute garantieren die Rechte und Pflichten der Programmmacherinnen und -macher. Deshalb müssen die Statute weiter gestärkt werden, die Redaktionsvertretungen brauchen zudem ein garantiertes Berichts- und Rederecht in den Aufsichtsgremien wie den ARD-Rundfunkräten und dem ZDF-Fernsehrat.
AGRA – Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse
Sprecher*innen: Hubert Krech (ZDF), Gabi Probst (RBB), Alexandra Dietz (SWR)