Kritik aus den USA und Israel am Militärschlag gegen Syrien
"Impulsiver Feigling": Vorgeworfen wird Trump, das Ziel der Vernichtung des Chemiewaffenprogramms nicht erreicht zu haben
Während der amerikanische, britische und französische Militärschlag im Westen gerne wegen seiner Präzision und seiner Eingrenzung auf Einrichtungen des angeblich weiter vorhandenen syrischen Chemiewaffenprogramms gepriesen wird, gibt es auch andere Stimmen. Donald Trump hat die Devise ausgegeben, dass alles erreicht wurde: "Mission Accomplished'".
So wird von amerikanischen Experten bezweifelt, dass mit den Angriffen auf das Wissenschaftszentrum und die zwei angeblichen Chemiewaffenlager Syrien auf Jahre hinaus keine Chemiewaffen mehr herstellen könne, wenn es dies wolle. Vornehmlich Chlorgas ist leicht zu beschaffen, wird in der Industrie benötigt und die Produktion ist relativ einfach.
Anthony Cordesman, ein früherer Pentagon-Mitarbeiter, der jetzt beim Center for Strategic and International Studies (CSIS) tätig ist, sagt, es sei "fast unmöglich", Chlor- oder auch Senfgas aus der Industrie zu entfernen. Sarin könne man mit dem Wissen über die Herstellung insektiziden produzieren.
Kritik gibt es auch daran, dass die Angriffe zu begrenzt gewesen seien und weder das angebliche Chemiewaffenprogramm aushebeln noch die militärische Macht reduzieren konnten. Überlegt wird, dass die USA Flugzeugträger vor Syrien positionieren, einen Cyberangriff auf das Stromnetz und die militärischen Kommandostellen durchführen, mit einer Angriffswelle die syrische Flugabwehr lahmlegen oder Kampfflugzeuge mehrtägige Angriffe auf Dutzende von Zielen starten solle.
Eliot Cohen, Direktor des Strategic Studies Program at the Johns Hopkins University School of Advanced International Studies und einstmals Berater von Condoleezza Rice als Außenministerin, nannte in einem Kommentar die Angriffe vielleicht präzise, auf keinen Fall aber angemessen, wie Verteidigungsminister Mattis angepriesen hatte.
"Wir glauben, dass wir insbesondere durch die Bombardierung von Barseh das Herz des syrischen Chemiewaffenprogramms angegriffen haben", sagte der Direktor der Gemeinsamen Streitkräfte. Man muss diese Worte analysieren: "Wir glauben" (nicht: "wir wissen"), "wir haben angegriffen" (nicht: "wir haben zerstört", auch ein Steinwurf zählt als Angriff), "das Herz des syrischen Chemiewaffenprogramms" (nicht seine Lager, nicht seine Wissenschaftler, nicht seine Entscheider, nicht seine Munitionssoldaten, nicht seine Piloten, noch nicht einmal notwendigerweise alle oder die meisten Labore).
Eliot Cohen
Im Pentagon würde man sich bewusst wegen des Präsidenten so ausdrücken. Der habe einen ziemlich pubertären Zugang zum Krieg. Wenn Kinder vergast würden, könne ihn das motivieren, ebenso wie wenn er Bilder sieht. Aber wenn Tausende sterben, interessiere ihn das nicht: "Dieser Angriff war nicht ernsthaft, sondern sollte dazu dienen, emotionalen Druck abzubauen, eine Art Kriegsonanie, die sich als Strategie ausgibt." Der Angriff zeige Trump als "impulsiven Feigling". Natürlich plädiert Cohen, ohne auch nur in Erwägung zu ziehen, ob die Begründung, die von einem fortgesetzten Chemiewaffenprogramm und der Verantwortlichkeit für die Toten von Douma, sofern diese durch eine Chemiewaffe starben, tragfähig ist, für einen massiven Militärschlag im Stil von "fire and fury". Das hört sich dann so an:
In dem Fall wären es Luftangriffe gewesen, um die syrische Flugabwehr zu zerschlagen, die Hubschrauber und Flugzeuge zu zerstören und überdies eine gute Zahl an Männern zu töten, die diese Angriffe ausgeführt und die diese befohlen haben. Dabei wären wahrscheinlich ein paar Russen, Iraner und auch Mitglieder der Hisbollah-Milizen getötet worden. Das wäre selbst dann nicht angemessen, aber käme ein bisschen der Gerechtigkeit näher und wäre, was wichtiger ist, der Einsatz von Gewalt mit einem vernünftigen strategischen Zweck.
Eliot Cohen
Der republikanische Senator Lindsay Graham kritisierte Trumps Angriff als "einen Schritt rückwärts" und als "verpasste Chance". Man habe Assads Möglichkeiten der Kriegsführung nicht beeinträchtigt: "Wir werden zur Chemiewaffenpolizei. Wir haben keine Strategie, warum Syrien wichtig ist. Es sieht so aus, dass wir es Russland und Iran ohne großen Kampf übergeben werden." Graham bezog sich darauf, dass Trump gesagt, die USA würden sich aus Syrien zurückziehen.
In Israel wurde offenbar mehr erwartet
Auch in Israel bezeichnen Regierungsangehörige die Angriffe als nicht ausreichend. Die "verbliebenen Chemiewaffenlager" hätten keinen fatalen Schlag erhalten, noch sei der syrische Präsident abgeschreckt worden, sie wieder zu nutzen. Es sei nur eine teilweise Zerstörung erzielt worden, so wird ein Geheimdienstmitarbeiter von YNET zitiert. Daher habe, so YNET, nach Geheimdienstberichten, der Angriffe die meisten der Ziele nicht erreicht. Ein hoher Mitarbeiter des Militärs erklärte, wenn es das Ziel gewesen sei, die Möglichkeit zu unterbinden, Chemiewaffen abzuschießen oder Assad davon abzuhalten, sie wieder einzusetzen, dann sei dies nicht gelungen.
Quellen aus dem Verteidigungsministerium und dem Mossad sollen davon ausgehen, dass Assad 5-10 Prozent der Chemiewaffen behalten und nicht gemäß des Abkommens von 2013 übergeben hat, um sie zu vernichten. Angeblich habe nach israelischer Zählung Syrien in hundert Fällen Chemiewaffen seit 2013 eingesetzt, in hundert zusätzlichen Fällen ist man sich nicht sicher. Assad habe neben Chlorgas, das nicht in dem Abkommen enthalten ist, Sarin und Senfgas eingesetzt, angeblich soll er das tödlichere VX als "doomsday weapon" zurückhalten.
Es wird wieder so ähnlich wie bei den Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein argumentiert. So sagte ein israelischer "Offizieller": Selbst wenn durch den Angriff die drei Chemiewaffenlager vernichtet worden wären, "beinhaltet dies nicht alle Chemiewaffen. Bei einigen ist es schwer zu sagen, wo die Syrer sie versteckt haben." Dass es keine Berichte über entweichende Chemikalien nach den Angriffen gibt, zeige zudem, dass die größeren Chemiewaffenlager nicht getroffen wurden. Ein israelischer Diplomat wird zitiert, der wenig diplomatisch sagte: "Wenn du schießen willst, dann schieß und red' nicht. Im amerikanischen Fall ist es meist Gerede. Sie zeigen selbst, dass keine weiteren Aktionen folgen werden."