Kritik von Soldaten: Keine "positiven Bezüge" auf angesammelte "Kampferfahrung" im 2. Weltkrieg
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Beim Gelöbnis am 20. Juli erhält die Verteidigungsministerin Beistand von Michael Wolffsohn
Zum 19. Mal hat die Bundeswehr den 20. Juli mit einem Rekrutengelöbnis begangen. Doch die Erinnerung an das Hitler-Attentat an diesem Tag vor 73 Jahren war diesmal ganz anders als sonst: Die nächste Bundestagswahl steht kurz bevor und die Verteidigungsministerin ist im eigenen Haus schwer umstritten, seit sie der Bundeswehr ein "Haltungsproblem" attestiert hat sowie "Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen", nachdem mal wieder rechtsextreme Tendenzen in der Truppe öffentlich geworden waren.
Umso spannender war es, was Michael Wolffsohn wohl zu all dem sagt. Als Professor hatte er jahrzehntelang selbst an der Bundeswehr-Universität in München den Soldaten Neuere Geschichte gelehrt. In diesem Jahr war er der Gastredner beim Gelöbnis am 20. Juli im Berliner Bendlerblock dabei, wo seinerzeit die Attentäter um Claus Schenk Graf von Stauffenberg vergeblich den Sturz des NS-Regimes versucht hatten.
Widerspruch und Wahlen
Michael Wolffsohn wird als unabhängiger Denker nicht nur unter Konservativen geschätzt. Deswegen war es geschickt, ihn einzuladen. Schon im Vorfeld hatte er sich deutlich für Ursula von der Leyen positioniert. Es gebe derzeit Soldaten, die "beleidigte Leberwurst" spielen, monierte er. Man könne viele Einzelfälle eben irgendwann nicht mehr als solche abtun und dürfe auch nicht warten, bis diese tröpfchenweise ans Licht kommen.
Im Hof des Bendlerblocks mahnte Wolffsohn deshalb die Rekruten zum Widerspruch. Denn: "Widerspruch ist für das Denken des Einzelnen sowie für alle in einer Demokratie unverzichtbar, sogar im Militär einer Demokratie." Die Bundeswehr verbinde "gemäß dem Vermächtnis des 20. Juli 1944" mit dem Konzept vom "Bürger in Uniform" Befehle und Bürgerrechte. Das sei "moralisch und militärhistorisch (...) geradezu einzigartig". In der Bundeswehr gehe es darum, "Befehle zu empfangen, sie auszuführen, trotzdem mit- oder gegenzudenken und, wo nötig, zu widersprechen".
Und dann wurde er deutlich: In der Bundeswehr gebe es "Defizite und Fehlentwicklungen wie zum Beispiel das Fehlverhalten von Vorgesetzten, rassistische Deutschtümelei oder Männer-Chauvinismus", kritisierte Wolffsohn: "Dieses Verhalten widerspricht dem Geist der Bundeswehr." Die Soldaten sollten sich in solchen Fällen an den Wehrbeauftragten wenden. Und wohl mit Blick auf die Kritiker von Ursula von der Leyen stellte er klar:
Hin und wieder werden Sie sich über die jeweilige Koalition oder Opposition oder auch über beide ärgern, vielleicht sogar über einzelne Minister oder Ministerinnen. Wie alle Bürger können Sie das ändern. Beteiligen Sie sich an Wahlen und bürgerschaftlichen Belangen.
Michael Wolffsohn
Bundeswehr mit eigener Tradition
Und die Ministerin selbst? Ursula von der Leyen würdigte die Bundeswehr als eine "Bundeswehr, die ihre eigene Geschichte benennt, würdigt und entfaltet", eine Armee "multinational eingewoben in der Europäischen Union und der Nato". Das klingt erst mal nicht ungewöhnlich für eine amtierende Verteidigungsministerin.
Doch vor dem Hintergrund des jüngsten Streits hat es eine besondere Bedeutung: Ursula von der Leyen wirbt seit Monaten dafür, dass die Soldaten heute keine fragwürdigen Vorbilder aus dem Zweiten Weltkrieg, also von der Wehrmacht, mehr bräuchten. Denn die Bundeswehr existiere inzwischen lange genug, um eine eigene Tradition zu begründen. Dazu hätten im Laufe der Zeit mehr als 15 Millionen Soldatinnen und Soldaten beigetragen, sagte sie beim Rekrutengelöbnis. "Sie, Rekrutinnen und Rekruten, reihen sich jetzt in diese traditionsreiche und stolze Formation ein."