Kritik von Soldaten: Keine "positiven Bezüge" auf angesammelte "Kampferfahrung" im 2. Weltkrieg
Seite 2: Widerstand der Traditionalisten
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Doch damit ist sie umstritten. Der pensionierte Generalmajor Christian Trull hatte vor einiger Zeit von der FAZ eine ganze Seite für seine Kritik an der Ministerin bekommen. Nun legte er nach: In den Stuttgarter Nachrichten stellte Trull die Eignung der Ministerin offen in Frage: Es sei vor allem die "Neigung zu Pauschalierungen, Übertreibungen und Alarmismus, die viele Soldaten befremdet". So könne die Bundeswehr nicht geführt werden.
Von daher ist es verfrüht, wenn der Presseoffizier der Bundeswehr, der das Gelöbnis im Sender phoenix erklärte, erklärte, zuerst habe es schon Diskussionen über die Ministerin gegeben, in der Mittagspause etwa oder in der Raucherpause. Aber jetzt hätten sich die Wogen "etwas geglättet", behauptete er. "Alle sind wieder ein bisschen runtergekommen."
Wertvolle "Kampferfahrung"
Auf der konservativen Meinungsseite "Tichys Einblick" hat man das wohl nicht mitbekommen. Dort warfen drei aktive Soldaten, Jens Barthelmeß, Jan Hoffmann und Heiko H. Perlitz, der Ministerin Vereinfachungen vor, "die den Fakten nicht standhalten".
Es müsse gewürdigt werden, dass die Bundeswehr von ehemaligen Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS aufgebaut worden sei, denn: "Dabei legten die westlichen Verbündeten besonderen Wert darauf, einen westdeutschen Wehrbeitrag in der Qualität zu erhalten, wie sie ihn durch die Wehrmacht schmerzhaft kennen gelernt hatten."
Doch all die "Kampferfahrung, die in knapp 6 Jahren dieser Zeit gesammelt wurde und bis heute international auch vielfältige Anerkennung findet", würde heute nicht beachtet, klagen die Autoren weiter. "Und selbst in der DDR war viel Wehrmacht in der sozialistischen Truppe. In den Medien war in der Berichterstattung jedoch kaum etwas von diesen Zusammenhängen zu erfahren."
Auch in der Bundeswehr werde entsprechende deutsche Militärgeschichte gar nicht mehr gelehrt, weil "zu oft auf politische Befindlichkeiten Rücksicht genommen wird". Deutsche Offiziere hätten heute kaum Ahnung von Werken wie "Mansteins 'Verlorene Siege' und Rommels 'Infanterie greift an'". Soviel Herrschafts- bzw. Kriegswissen darf nach Ansicht der Autoren nicht verloren gehen. Nicht zuletzt, weil die Bundeswehr noch keinen adäquaten Erfahrungsschatz aufgebaut hat: Beim Kampfeinsatz in Afghanistan sei nur eine Minderheit der Soldaten dabei gewesen. Und "Hilfeleistungen im In- und Ausland bei Waldbränden, Erdbeben, Hochwasser und Borkenkäferbefall" seien genau so wenig ausreichend.
Gericht gibt Ministerium Recht
Auch der wegen zu langsamer Aufklärung abgesetzte Chef-Heeresausbilder Walter Spindler legte jetzt mit Kritik nach. Ursula von der Leyen habe einzelne Soldaten und Standorte wie Pfullendorf oder Sondershausen "pauschal, beständig und in einem verantwortungslosen Maße" beschädigt, behauptete Spindler in den "Stuttgarter Nachrichten".
Doch das Ministerium bekam vor Gericht Recht. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies die Klage von vier Soldaten ab, die wegen entwürdigenden Aufnahmeritualen im Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf entlassen worden waren. So befand das Gericht:
Das Verhalten der Kläger stelle eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung dar. Insbesondere liege ein Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht und gegen das Gebot der gegenseitigen Achtung und zu vertrauensvollem Verhalten vor.
Verwaltungsgericht Sigmaringen
Gleichzeitig nimmt die Zahl der Beschwerden in der Bundeswehr zu. Wie die Rheinische Post berichtet, beschweren sich immer mehr Soldatinnen und Soldaten über sexuelle Belästigung, Rechtsextremismus oder Fehlverhalten von Vorgesetzten. Im ersten Halbjahr 2017 hat es demnach schon 56 Beschwerden über Vorgesetzte gegeben, nach 28 im ganzen Vorjahr. Bei sexueller Belästigung gibt es jetzt schon 127 Verdachtsfälle, soviel wie im ganzen letzten Jahr mit 128. 96 Mal wurden Fälle von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit gemeldet, nach 63 in 2016.
Interessant dabei: Laut Verteidigungsministerium sind darunter auch alte Fälle, die aber erneut gemeldet wurden, weil sie nach Sicht der Beschwerdeführer nicht oder nur unzureichend bearbeitet worden waren. Diese werden jetzt erneut geprüft.
Schwierige Tradition
Nicht jedem passt der Kurs von Ursula von der Leyen nicht. Im Gegenteil, manchen geht es zu langsam: So erkundigte sich die Linkspartei in einer Kleinen Anfrage, wie weit denn die - in der Bundeswehr umstrittene - geplanten Umbenennung von Kasernen ist. Denn während die NVA-Kasernen nach 1990 alle sofort umbenannt wurden, wie das Verteidigungsministerium feststellt, dauert der entsprechende Prozess heute länger. So heißt es in der Antwort der Bundesregierung:
Es gilt daher, bei den Bundeswehrangehörigen einen offenen Meinungsbildungsprozess anzustoßen und gemeinsam mit den Vertretern der Kommunen in einen entsprechenden Dialog zu treten. Der Prozess soll noch im laufenden Jahr abgeschlossen werden.
Bundesregierung
Pikant dabei: An zwei Rommel-Kasernen will das Ministerium festhalten. "Neuere historische Forschungen zu Rommel" legten den Schluss nahe, dass Erwin Rommel den Widerstandskämpfern des 20. Juli 1944 "näherstand als bislang angenommen". "Rommel ist zudem durch seinen erzwungenen Selbstmord selbst Opfer des NS-Regimes", behauptete das Ministerium über den von der NS-Propaganda als "Wüstenfuchs" gefeierten "Lieblingsgeneral" Hitlers. "Unfassbar" nannte das Linkspartei-Politiker Jan Korte gegenüber der taz.
Wie schwierig der Umgang mit der deutschen Vergangenheit ist, zeigt das Beispiel des niederländischen Soldatenfriedhofs Ysselsteyn. Dort sind 30.000 deutsche Soldaten beigesetzt, darunter 6000 SS-Mitglieder. Die Bundeswehr schickte jüngst mal wieder eine Delegation zu einem dortigen Gedenkmarsch. Die niederländische Armee begrüßte das, nicht aber der niederländische Bund der Antifaschisten AFVN/BvA. Denn in Ysselsteyn sind auch deutsche Kriegsverbrecher wie der SS-Scherge Ernst Knorr beerdigt oder der niederländische Kollaborateur Antonius van Dijk. Der AFVN/BvA fordert die Schließung des Friedhofs.