Kuba als Basis: Im Kalten Krieg waren nur die Russen auf der Insel. Jetzt ist China auch da

Angebliches chinesisches Radar in Kuba. Bild: CSIS

Atom-U-Boot und Kriegsschiffe aus Russland vor Kuba, chinesische Radars am Festland. Vor der eigenen Haustür gibt es ein massives Problem für Washington.

In dem Maße, wie sich das Kräfteringen zwischen den USA einerseits und Russland sowie China andererseits zuspitzt, gewinnt das kleine Kuba wieder an geopolitischer Bedeutung.

Russland unterhält in der Hauptstadt Havanna von jeher einen enormen Botschaftskomplex, zehntausende chinesische Studenten haben in den vergangenen Jahren in Kuba Spanisch gelernt, um dann in ganz Lateinamerika aktiv zu werden.

China und Russland in Kuba: Für die USA wird es kritisch

Doch nun wird die Kooperation zwischen den drei Staaten deutlich kritischer für Washington.

Mitte Juni haben vier Schiffe der russischen Marine, darunter das atomgetriebene U-Boot "Kasan", im Hafen von Havanna festgemacht – nicht im militärischen Teil, sondern vor dem Hafeneingang und der alten spanischen Festung "El Morro".

Gut sichtbare Kriegsschiffe Russlands

Sichtbar waren auch die Fregatte "Admiral Gorschkow", der Tanker "Paschin" und der Schlepper "Nikolai Tschiker". Das kubanische Außenministerium stellte klar: "Keines der Schiffe führt Atomwaffen mit sich" und betonte, dass von diesem Besuch "keine Bedrohung für die Region" ausgehe.

Das ist wichtig: Lateinamerika definiert sich von jeher als "Zone des Friedens" und lehnt jede nukleare Bewaffnung ab. Dass sich Kuba und Russland daran halten, während die Briten auf den umstrittenen Malwinen (Falkland-Inseln") mit Atomwaffen einliefen, wird in der Region zur Kenntnis genommen.

Der Westen besorgt, Lateinamerika gleichgültig

So nehmen Staaten der Region die Präsenz der Russen und Chinas weit weniger als Problem war, als dies im Westen der Fall ist. Kuba, das wird auch in Gesprächen vor Ort klar, versucht angesichts anhaltender wirtschaftlicher Probleme – das Land steht seit Jahrzehnten unter US-Sanktionen – von dem neuen geopolitischen Ringen und politische und wirtschaftliche Macht zu profitieren.

Vertreter der Biden-Regierung hatten bereits vergangenes Jahr über den Zugang Chinas zu mehreren Spionageeinrichtungen in Kuba berichtet.

US-Thinktank: Chinesische Abhörstationen ausgebaut

Wie nun aus einer Analyse von Satellitenbildern des US-amerikanischen Thinktanks Center for Strategic and International Studies (CSIS) hervorgeht, hat China seine globalen Aufklärungskapazitäten ausgebaut und sich damit bis an die Schwelle der USA gewagt.

Das ist neu. Traditionell hatte ein Bündnis zwischen Kuba und der Sowjetunion bestanden. Die Verbindungen sind nach 1990 massiv zurückgegangen, wurden in den vergangenen Jahren aber wieder reaktiviert.

Kubas Präsident in Moskau

Von westlichen Beobachtern ist das kaum wahrgenommen oder belächelt worden. Etwa als Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel zu den Staatschefs gehörte, die zur am 9. Mai dieses Jahres zur Siegesparade nach Russland reisten. Natürlich ging es bei den Gesprächen auch um eine engere Zusammenarbeit.

Diaz-Canel, Putin – Sicherheitsexperten horchen auf. Bild: cubaminrex.cu

Sicherheitsexperten in den USA ist die Brisanz dieser neuen Kooperation Kubas mit Russland und China bewusst; ihnen ist das Lachen vergangen. Denn der Inselstaat Kuba, weniger als 160 Kilometer südlich von Florida gelegen, bietet eine strategisch günstige Position, um sensible Kommunikation und Aktivitäten in der Region zu überwachen. Das CSIS stellt dazu fest:

An der Südostküste der Vereinigten Staaten gibt es zahlreiche Militärstützpunkte, Hauptquartiere der Streitkräfte, Raumfahrtzentren und militärische Testgelände.

CSIS, 2024

Früher die UdSSR, heute China und Russland

Und in der Tat: Während des Kalten Krieges betrieb die Sowjetunion in Kuba mit einer Abhörstation in der Ortschaft Lourdes ihre größte Auslandsaufklärungsanlage. Nun scheint China eine ähnliche Rolle einzunehmen.

Gerüchte über chinesische Abhöraktivitäten auf der Insel kursieren seit Jahrzehnten, wurden aber Mitte 2023 durch Medienberichte über eine chinesische "Spionagebasis" nahe Havanna neu entfacht.

US-Thinktank wertet öffentliche Satellitenbilder aus

Die Satellitenbilder und offen zugängliche Informationen, die vom CSIS ausgewertet wurden, bieten einen beispiellosen Einblick in vier aktive Standorte in Kuba, die zur elektronischen Überwachung geeignet sind.

Diese Standorte sind, so vermutet das US-Forschungszentrum, wohl Teil von Chinas Bemühungen, die nachrichtendienstlichen Aktivitäten gegen die USA zu verstärken.

Die vier mutmaßlichen Standorte der Chinesen in Kuba

Signalaufklärung, kurz: SIGINT, ist ein zentrales Element moderner Spionage. Das Abfangen von Signalen, die von zivilen und militärischen Akteuren übertragen werden, kann Ländern wertvolle Informationen über ihre Gegner, Konkurrenten und Verbündeten liefern.

Die vier SIGINT-Standorte in Kuba, die strategisch positioniert sind, um die USA auszuspionieren, umfassen:

Bejucal: Dieses größte aktive kubanische SIGINT-Gelände wurde während des Kalten Krieges für sowjetische Nuklearwaffen bekannt. Satellitenbilder von März 2024 zeigen, dass das Gebiet in den vergangenen zehn Jahren eine deutliche Modernisierung erfahren hat, einschließlich des Baus eines neuen Radoms, das möglicherweise ein Radar oder ELINT-System (Elektronische Aufklärung) beinhaltet.

El Salao: Auf der gegenüberliegenden Seite der Insel befindet sich ein neues SIGINT-Komplex. CSIS enthüllte einen bedeutenden neuen SIGINT-Standort im Bau östlich der Stadt Santiago de Cuba, nahe El Salao, der eine große CDAA zu beherbergen scheint.

Antennen, die in einer als CDAA (Circularly Disposed Antenna Array) bezeichneten Konfiguration angeordnet sind, ermöglichen ein 360-Grad-Beamforming. CDAAs sind äußerst effektiv bei der Bestimmung des Ursprungs und der Richtung eingehender Hochfrequenzsignale und wurden während des Kalten Krieges sowohl von den Vereinigten Staaten als auch von der Sowjetunion häufig eingesetzt.

Wajay: Weniger als zehn Kilometer nördlich von Bejucal liegt eine kleinere Anlage, die für militärische oder andere sensible Aktivitäten bestimmt zu sein scheint. Der Komplex verfügt über zwölf Antennen verschiedener Größen und Ausrichtungen.

Calabazar: In der Nähe befindet sich ein kleiner kubanischer Militärkomplex, der Merkmale von SIGINT-Operationen aufweist. Mehr als ein Dutzend Parabolantennen verschiedener Größen sind über das gesicherte Gelände verteilt.

Die Nähe Kubas zu den südlichen Vereinigten Staaten und der Karibik macht es zu einem idealen Standort für die SIGINT-Sammlung in der Region. Für Peking würde der Zugang zu SIGINT-Kapazitäten in Kuba ein bedeutendes Aufklärungsfenster eröffnen, das von chinesischem Territorium aus unzugänglich ist.

Mehr als politische Freundschaft

Wie einst die UdSSR besteht aus politischen Gründen eine enge Bindung zwischen den regierenden Kommunisten in Kuba und China. Doch man sollte die Kooperation nicht auf diesem Aspekt beschränken. Es geht, wie auch das CSIS bekräftigt, um beidseitige strategische Interessen.

Kubas aktuelle wirtschaftliche Krise stellt Havanna vor die dringende Notwendigkeit externer Hilfe, und China hat sich als lebenswichtige Unterstützung erwiesen. Chinesische Technologiekonzerne wie Huawei und ZTE, die von der US-Regierung wegen Spionagerisiken auf die schwarze Liste gesetzt wurden, bilden nun das Rückgrat der kubanischen Telekommunikationsinfrastruktur.

Kuba und China: Militärische Zusammenarbeit

Die chinesische Volksbefreiungsarmee (PLA) und die kubanischen Revolutionären Streitkräfte (FAR) pflegen seit 1999 regelmäßige hochrangige Kontakte. Im April 2024 traf der ranghöchste politische Führer der FAR mit einem führenden PLA-Mitglied in Beijing zusammen.

CSIS beurteilt die Lage aus der Washingtoner Perspektive als besorgniserregend. Es sei zwar unwahrscheinlich, dass China kurzfristig größere Offensivkapazitäten auf der Insel aufbauen werde, heißt es in dem Bericht. Die stetige Ausweitung der chinesischen Präsenz auf der Insel bleibe für die USA aber ein Grund zur Sorge.

Die Grenzen westlicher Sanktionen

So weit, so kurz gegriffen. Denn an der Entwicklung in Kuba zeigen sich auch die Grenzen westlicher Sanktionspolitik in einer stärker multipolar organisierten Ordnung auf. Unter der Präsidentschaft von Barack Obama hatte am 20. Juli 2015 die US-Botschaft in Havanna nach Jahrzehnten wieder eröffnet. Es wäre die Chance für Washington gewesen, den Konflikt vor der eigenen Haustür beizulegen.

Das ist nicht geschehen. Donald Trump fuhr die Beziehungen wieder zurück, Biden machte nichts draus. Nun suchen sich die Kubaner andere Partner und nutzen ihren geografischen Vorteil dafür aus.

Schäden der US-Politik in Kuba

Weiter sanktioniert werden können sie dafür kaum. Das steht nach wie vor unter einer weitgehenden Handelsblockade. Die nach Berechnungen aus Havanna binnen sechs Jahrzehnten einen Schaden von bis zu 1,37 Billionen US-Dollar verursacht hat.

De facto haben die USA kaum Möglichkeiten, eine stärkere Präsenz unter der militärischen Schwelle zu verhindern. Was zeigt: Eine Politik aus Zeiten des Kalten Krieges in einer multipolaren Weltordnung kann nach hinten losgehen.