Kurden erklären Gleichberechtigung der Frauen

Seite 2: Wandlungsprozess bei den Männern über die PKK durchgesetzt

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Die Selbstorganisation der Frau in den Reihen der PKK

Sich militärisch zu engagieren, - militant zu sein -, galt bis vor einigen Jahren auch bei uns als "unweiblich" und wurde auch in der europäischen Frauenbewegung kontrovers diskutiert. Hier wie auch im Nahen Osten, wurde den Frauen vorgeworfen, die Heiligkeit der Familie zu verletzen, - also ihre Reproduktionsrolle nicht einzunehmen, bzw. männliche Domänen einnehmen zu wollen, denen Frauen nicht gewachsen sind.

Auch wenn hier vorwiegend von kurdischen Kämpferinnen gesprochen wird, soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch zahlreiche Türkinnen, Araberinnen, Aramäerinnen und Armenierinnen bei der YPJ und PKK mitkämpfen.

Während die meisten sozialistischen/kommunistischen türkischen Organisationen die Befreiung der Frau als Nebenwiderspruch betrachteten, wurde in der PKK von Anfang an eine neue Sichtweise auf die Frauenfrage propagiert4: "Die Frage der Emanzipation der Frau sollte nicht als Anhang zum revolutionären Programm, sondern als organischer und integraler Bestandteil des gesamten Programms betrachtet werden."

Von Anfang an haben sich Frauen der PKK angeschlossen. So war z.B. die 2013 in Paris ermordete Sakine Cansiz Gründungsmitglied der PKK. Bese Hozat, Kovorsitzende des Executivrates der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Firat (ANF):

Es gibt kein vergleichbares Beispiel für eine militärische Selbstorganisation der Frau, wie sie in den Reihen der PKK stattgefunden hat....Je mehr es den Frauen in der PKK gelungen ist sich zu befreien, desto stärker konnten sie den allgegenwärtigen Herrschaftsanspruch der Männer zurückdrängen. Dadurch ist es den Frauen letztendlich auch gelungen, einen Wandlungsprozess bei den Männern zu initiieren…

Die türkische Regierung reagierte auf diesen Widerstand der Frauen durch Vergewaltigungen in den Dörfern durch das türkische Militär, die Einsetzung von (erpressten) Spitzeln, die sogenannten "Dorfschützer", und finanziellen Anreizen, wenn sich die Kurden konvertieren lassen. (Woran erinnert uns das aktuell? Anm. d. Verf.)

Um ihre Töchter vor diesem Wahnsinn zu schützen, schickten viele Mütter ihre Töchter schon mit 13 Jahren in die Berge zur PKK. Die türkischen Medien drehten diese Tatsache um (es durfte ja nicht objektiv berichtet werden) und behaupteten, die PKK entführe junge kurdische Mädchen und auch Jungen. Tatsächlich sah es so aus, dass, wenn das türkische Militär (z.B. durch die Dorfschützer) herausbekam, dass die Töchter oder Söhne verschwunden waren, sie der Familie mit Folter oder Mord drohte. Viele Mütter griffen in ihrer Not dann zu der Notlüge, die PKK hätte ihre Kinder entführt. Nicht besonders hilfreich, aber durchaus verständlich, wenn man die Foltermethoden der türkischen Militärs kennt.

Bild: YPJ

Viele junge Mädchen und Frauen rissen allerdings von alleine von zu Haus aus, um dem Terror der Militärs zu entgehen, aber auch Eltern schickten ihre Kinder in die Berge, weil sie sie bei der PKK in Sicherheit wähnten. Seit Mitte der 1990er wollte die PKK keine Jugendlichen unter 18 Jahren mehr aufnehmen. Dennoch musste sie sich immer wieder Kinder und Jugendliche aufnehmen, weil diese bei ihnen sicherer waren als im Dorf. Sie kamen in speziell für sie eingerichtete Schulungszentren nach irakisch Kurdistan, wo sie kindgerechten Unterricht bekamen.

Auch aus den Metropolen flüchteten sich viele kurdische Frauen und Männer aufgrund der Verfolgung in die Berge und schlossen sich der PKK an. Die meisten waren schon mehrmals verhaftet und gefoltert worden.

Bei der PKK trafen in den 1980er/90er Jahren zwei "Frauengruppen" aufeinander, die Kämpferinnen aus den ländlichen Regionen, meist Analphabetinnen, die im direkten Kampf aufgingen und keinen Zugang zu ideologischen und politischen Themen hatten.

Die Frauen aus den Dörfern fühlten sich teilweise schon frei allein durch die Tatsache, bei der Guerilla zu sein. Sie hatten keinen besonderen Anspruch an das soziale, kollektive und politische Leben.

Anja Flach

Anders die Städterinnen, die über Bildung verfügten, z.T. auch über politische Erfahrungen in linken Organisationen. Diesen Frauen wiederum fiel das harte Leben und die körperlichen Herausforderungen in den Bergen viel schwerer als den Frauen, die dies schon von Geburt an kannten.

Dagegen waren sie mehr interessiert an Diskussionen und frauenpolitischen Themen, waren offen für Schulungen, Kongresse und politische Strukturen. Nicht selten leiteten sie daraus Ansprüche auf den Posten der Kommandantin ab, die Frauen aus den ländlichen Strukturen meldeten Ansprüche aufgrund ihrer Ortskenntnis an.

In den Anfängen der PKK (sie wurde 1978 gegründet), gab es schon vereinzelt Frauen, die sich am Guerillakampf beteiligten. Sie waren aber mit Männern in einer Einheit, und die Rollenfrage wurde zwar theoretisch diskutiert und publiziert, aber nicht gelebt. D.h. die Männer trauten den Frauen nicht zu, sich aktiv an den Kämpfen zu beteiligen und wiesen ihnen die Rolle zu, für die Einheiten zu kochen, Nahrung zu beschaffen etc. Die Frauen hatten in diesen Jahren noch nicht das Selbstbewusstsein und die Einsicht, dass Gleichberechtigung in allen Situationen gelebt werden muss und lebten ihre gelernten Verhaltensmuster in den gemischten Einheiten weiter.

Mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass es einer Frauenorganisation und eigenen Einheiten in der PKK bedarf, damit die Frauen sich aus ihrer patriarchalischen Sozialisation befreien können und die Männer sie als gleichwertig anerkennen können.

1982 wurde auf Initiative von Abdullah Öcalan der erste Frauenkongress durchgeführt. Frauen in der PKK organisierten sich in Frauengruppen. Anfang der 1990er Jahre wurde damit begonnen, Mangas (Gruppen) aufzubauen, die sich dann zu Fraueneinheiten formierten. 1995 wurde YAJK (Verband freier Frauen), die Frauenarmee der PKK mit eigener Leitung gegründet. 1999 wurde dann die PJKK (Partei der werktätigen Frauen Kurdistans) gegründet.