Kurden erklären Gleichberechtigung der Frauen
Seite 3: Gegen die Salafisten und gegen die Vorherrschaft der Männer
- Kurden erklären Gleichberechtigung der Frauen
- Wandlungsprozess bei den Männern über die PKK durchgesetzt
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Frauen in den Selbstverteidigungseinheiten in Rojava/Nordsyrien
2005 gründete sich in Nordsyrien die Selbstverteidigungseinheit YPG (Yekîneyen Parasttina Gel). In deren Generalkommandantur sind von drei Mitgliedern zwei Frauen. 2013 wurden die Frauenselbstverteidigungseinheiten YPJ Yekîniyên Parastina Jin - gegründet. Der Anteil der Frauen an den etwa 45.000 bis 50.000 YPG-Kämpfern wird auf Wikipedia mit rund einem Drittel angegeben.
Ronahî, eine der jungen YPJ Militanten, beschreibt, dass sie am Anfang sehr viele Probleme hatten, als sie sich als Frauen dem Militär oder der Polizei angeschlossen hatten, sie wurden von der Bevölkerung, die Frauen in solchen Rollen nicht kannte, nicht akzeptiert, aber nach und nach gehörten die bewaffneten Frauen ins Straßenbild, das Bild der Frau hat sich sehr gewandelt. Sie sagt: "Ich kann immer noch nicht glauben, dass das passiert ist, es fühlt sich an, als sei man aus dem Gefängnis entlassen worden."
Die Revolution der Frauen in Rojava, November 2013
Kurdische Frauen gewinnen auch in Westkurdistan zunehmend an Selbstbewusstsein. Frauen sind in Rojava überall vertreten: ob in kämpfenden Einheiten, in Stadt- und Dorfräten oder im Hohen Kurdischen Rat, dem wichtigsten Verwaltungsorgan mit Sitz in Qamislo. Mittlerweile sind die Frauen auch per Dekret den Männern gleichgestellt. Dies unter Kriegsbedingungen einzuführen ist mutig und muss kritisch beobachtet werden, inwieweit dies dann auch in Zukunft gelebt wird.
Nichtsdestotrotz fangen die Männer an, ihre Frauen in der neuen Rolle zu respektieren. Männer in den Selbstverteidigungseinheiten müssen dieselben Aufgaben übernehmen wie Frauen - sie müssen lernen zu kochen, Brot zu backen und Wäsche zu waschen.
Das Engagement der an vorderster Front kämpfenden kurdischen Frauen in Sengal und Kobanê erfährt weltweite Würdigung und Beachtung, weil es weltweit einzigartig ist, dass so viele tausende Frauen sich aktiv an den Kämpfen beteiligen. Selbst die sowjetische Armee konnte nicht mit einem Batallion von tausenden Frauen aufwarten. Die ägyptische Frauenrechtlerin El Saadawi schreibt in ihrem Brief an die Kämpferinnen der YPJ:
Es gibt in Syrien kurdische Frauen, die kämpfen. Sie sind ein Teil des Islams im Nahen Osten. Die kurdischen Frauen leisten Widerstand gegen den IS (Islamischer Staat). Der Kampf der kurdischen Frauen richtet sich gegen die Salafisten und gegen die Vorherrschaft der Männer. Die kurdischen Frauen führen diesen Kampf für die Freiheit und die Demokratisierung der gesamten Welt.
Frauen bei den irakischen Peschmerga
Frauenemanzipation, Gleichberechtigung und Frauenbefreiung ist im kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak kaum ein Thema. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass Frauen bei den Peschmerga im Gegensatz zu den Kämpferinnen der YPJ und PKK keine herausragende Rolle spielen. Erst seit 1996 wurden Frauen bei den Peschmerga zugelassen, ca. 100 Kämpferinnen umfasste damals ihre Einheit.
Die Frauen nahmen - je nach Parteiparadigma und Situation - unterschiedliche Funktionen in der Bewegung wahr. Bei den Hauptparteien PDK und PUK waren Frauen als Kriegspartizipierende eher eine Ausnahme. Aufgrund der patriarchalischen und stammesstrukturellen Prägung der Gesellschaft, wurden ihnen eher organisatorische Aufgaben zugeordnet… Denn die Frau in der kurdischen Gesellschaft leidet unter schwerwiegenden sozialen Kontrollmechanismen, deren Ursprung in der feudalistischen, patriarchalischen Geschichte der Region vorzufinden sind. Die Peshmergabewegung war somit eine Art frühe Version von Frauenhäusern, die verleumdeten, marginalisierten Frauen eine Alternative bot. Die dritte erwähnenswerte Gruppe waren die Frauen, die aufgrund von Liierungen mit Peshmergakämpfern ihren Ehemännern in die Berge folgten. Ein klassisches ist hier die… Lebensgefährtin von Jalal Talabani.
Die Peshmerga - Ein Blick ins Auge vom Tod
Gerechterweise muss aber erwähnt werden, dass im Zuge des Kampfes gegen den IS zunehmend mehr Frauen als Soldatinnen bei den Peschmergas ihren Dienst an der Waffe tun.
Inwieweit dies allerdings zu einer Änderung des traditionellen Frauenbildes in der feudal konservativen Stammesgesellschaft des Barzani-Clans führt, darüber lässt sich noch keine Aussage machen. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich in Kurdistan momentan eine Frauenbewegung entwickelt, die einzigartig für den Nahen Osten ist, aber auch weltweit Ausstrahlung hat, denn sie entwickelt sich unter schwierigsten Kriegsbedingungen und ist nicht nur getragen von intellektuellen Frauen, sondern auch von Frauen, denen Schulbildung vorenthalten wurde.
Es wird noch viele Probleme, Fehleinschätzungen, interne Kämpfe geben - aber die Frauen im Nahen Osten machen sich auf den Weg. Mit diesem historischen Korsett können wir westliche Frauen nichts anfangen und müssen konstatieren, dass im Westen die Frauenbewegung eingeschlafen ist und wir nun von den Frauen dort lernen können und müssen.
Die Autorin Elke Dangeleit, Jg. 1960, studierte Ethnologie, Politologie und Philosophie an der FU Berlin.Seit über 30 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Nahen Osten und Westafrika. Politisch aktiv seit den 1980er Jahren: Bezirksverordnete der Alternativen Liste in Berlin-Kreuzberg 1980-1987, Mitglied im Kurdistan-Solidaritätskomitee, Mitglied im Bundesarbeitskreis Türkei-Kurdistan (BAK-DTFK) der LINKEN. Zuletzt besuchte sie im April/Mai 2014 den Nordirak und die Südosttürkei.