Kuscheln für den "fairen Wandel"

Die IG Metall setzt beim sozial-ökologischen Umbau auf Dialog mit Spitzenpolitikern, auf die bisher kein Verlass war. Archivbild: © Rainer Wermke / CC-BY-SA-4.0

Am IG-Metall-Aktionstag für einen sozial-ökologischen Umbau bekamen auch Politiker von Parteien eine Bühne, die schon mehrere Jahre Zeit hatten, genau dieses Projekt anzugehen

Wer sich vom bundesweiten Aktionstag der IG Metall für einen "fairen Wandel" ein kämpferisches Statement gegen faule Kompromisse bei den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP versprochen hat, könnte enttäuscht sein. Denn eine Bühne bot die Gewerkschaft heute nicht zuletzt Spitzenpolitikern von Parteien, die in den letzten vier Jahren schon reichlich Gelegenheit hatten, den "fairen Wandel" in die Wege zu leiten.

Bei einer IG-Metall-Kundgebung vor der Zentrale der ThyssenKrupp-Stahlsparte in Duisburg hatte Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) seinen ersten großen Auftritt. Der Nachfolger des gescheiterten Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet sagte dort Sätze wie: "Wir müssen alles tun, damit mit wir in Deutschland auch weiterhin Stahl wettbewerbsfähig produzieren können."

Alles tun für Wettbewerbsfähigkeit? Ging es nicht um irgendwas mit Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit? Ach so: "Wenn wir wirklich was fürs Klima tun wollen, dann geht das nur, wenn wir der Welt vormachen, wie man dabei gute Arbeitsplätze, Wohlstand und soziale Sicherheit erhält. Denn sonst macht uns das auf der ganzen Welt keiner nach", erklärte Wüst, als sei Deutschland weltweit Vorreiter in Sachen Klimaschutz und seine Partei schon immer für soziale Sicherheit gewesen.

Zahlreiche Medien berichteten anschließend, Wüst habe den "Erhalt der Stahlindustrie in Deutschland" gefordert. Als hätte den irgendjemand mit Macht und Einfluss zur Disposition gestellt. Selbst Umweltbewegte, die grenzenloses Wachstum aufgrund begrenzter Ressourcen infrage stellen, waren nie der Meinung, in Deutschland solle gar kein Stahl mehr verarbeitet werden, zumal sie sich für schwere Dinge möglichst kurze Transportwege wünschen, solange der Güterverkehr nicht klimaneutral ist.

"Ich hoffe, ihr nehmt das nicht als Anbiederung wahr"

Neben der Kundgebung mit Wüst in Duisburg fanden im Rahmen des Aktionstags in rund 50 Städten weitere Veranstaltungen unter dem Motto "FairWandel - sozial, ökologisch, demokratisch" statt. Einen Ausstand gab es dafür nicht; interessierte Gewerkschaftsmitglieder mussten sich freinehmen oder Pausenzeiten für die Teilnahme nutzen. Im Berliner Regierungsviertel hatte Metall-Chef Jörg Hofmann unter anderem Noch-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum "politischen Frühstück" eingeladen.

Heil, der seit 1998 dem Bundestag angehört, also seit mehr als 20 Jahren nicht außerhalb des Politikbetriebs gearbeitet hat, war am Donnerstag demonstrativ Mitglied der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) geworden. "Ich hoffe, ihr nehmt das nicht als Anbiederung wahr", sagte Heil unter Applaus auf dem Kongress der Gewerkschaft, die sich an einigen Orten auch am "FairWandel"-Aktionstag beteiligte, obwohl sie einem Kohleausstieg vor 2038 kritisch gegenübersteht.

Anders als die Umweltbewegung kritisierte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis nicht, dass der Kohleausstieg laut Sondierungspapier der drei "Ampel"-Parteien "idealerweise" - also nicht verbindlich - auf 2030 vorgezogen werden soll, sondern dass dies überhaupt in Betracht gezogen wird. "Das Ausstiegsdatum 2038 haben wir in der Kohlekommission ja nicht irgendwie ausgekegelt, sondern es gewählt, weil es unter derzeitigen Bedingungen erreichbar ist", sagte Vassiliadis vergangene Woche dem RedaktionsNetzwerkDeutschland (RND). "Wenn man es nun vorziehen will, muss man die Frage beantworten, wie das gehen soll."

Zumindest die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm eine Investitionsoffensive versprochen, um die Energie- und Verkehrswende sowie die Digitalisierung voranzubringen. Pro Jahr sollen demnach 50 Milliarden zusätzlich investiert werden. Allerdings will der kleinere "Königsmacher" FDP dafür auf keinen Fall den Spitzensteuersatz erhöhen, wie es SPD und Grüne vorgeschlagen haben.

Lob der Sozialpartnerschaft

Auch der SPD-Kanzlerkandidat und bisherige Finanzminister Olaf Scholz hatte beim IG-BCE-Kongress Applaus bekommen, als er dort eine Rede hielt und eine schnelle Energiewende ohne soziale Verwerfungen in Aussicht stellte. Kritik musste er sich allerdings dafür anhören, dass in den Koalitionsverhandlungen auch eine "flexiblere Arbeitszeitgestaltung", sprich eine längere Tageshöchstarbeitszeit zur Debatte steht.

Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock und FDP-Chef Christian Lindner kamen bei der IG BCE zu Wort. Letzterer war allerdings nur per Video zugeschaltet. Natürlich umschiffte er dabei heikle Finanzierungs- und Umverteilungsfragen und setzte ganz auf versöhnliche Phrasen. "Betriebliche Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft sind ganz entscheidende Standortfaktoren" erklärte Lindner. "Der Beitrag der Gewerkschaften, um Deutschland als Wirtschaftsstandort zu stärken, darf nicht unterschätzt werden."

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