Länger mit Kohlekraft leben aus Solidarität mit der Ukraine?
Während auch Grüne es auf einmal nicht mehr so eilig mit dem Kohleausstieg haben, kündigen Klima-Aktivisten in Lützerath Widerstand gegen die RWE-Pläne an. Baggert der Konzern dort illegal?
Im Zuge des Ukraine-Krieges droht die Klimakrise fast in Vergessenheit zu geraten. Während die Aufmerksamkeit auf den neuen Konfliktherd liegt, wird eine Verschiebung des Ausstiegs aus der Kohleverstromung schon als Solidarität mit der Ukraine verkauft. Ausgerechnet der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck will notfalls auch Kohlekraftwerke länger laufen lassen, um unabhängig von russischen Gasimporten zu werden.
Nur ein Grüner kann so etwas ankündigen, ohne an der Parteibasis der Grünen große Empörung zu erzeugen. Doch unter den unabhängigen Klima-Aktivisten gibt es noch solche, die auch in Kriegszeiten weiter darauf drängen, dass aus schnelle Ausstieg aus der Kohle umgesetzt wird.
"RWE stoppen" ist die Devise
Dazu gehören die letzten Bewohner und Unterstützer von Lützerath, dem Dorf in Nordrhein-Westfalen, das dem Kohleabbau weichen soll und schon längst verschwunden wäre, wenn es nach den Plänen des RWE-Konzerns ginge. Klima-Aktivisten und ein renitenter Landwirt namens Eckardt Heukamp, der seine Grundstücke in Lützerath nicht verkaufen will und damit die Pläne von RWE blockiert, haben dafür gesorgt, dass das kleine Dorf zum Kampfplatz für eine nichtfossile Energiepolitik wurde.
Am Mittwoch hatten Bewohner und Unterstützer zur Pressekonferenz in das Dorf geladen, um Joutnalistn einen Eindruck von der Bedrohung zu vermitteln. Die Bagger kommen immer näher, wurde deutlich. Dabei sorgt eine noch offene juristische Auseinandersetzung um Heukamps Grundstücke, dass das Dorf überhaupt noch besteht. RWE musste sich verpflichten, bis zu der Entscheidung, die in den nächsten Wochen erwartet werden, keine Tatsachen zu schaffen.
Durch das Näherrücken der Bagger sehen die Unterstützer diese Zusage verletzt. Zudem monieren sie, dass die Politik da nicht eingreift, obwohl auch hier Grundsätze verletzt würden.
Kritik auch an der Politik
Die Abbaukante des Tagebau Garzweiler II befindet sich mittlerweile weniger als 200 Meter vor der von vielen Menschen bewohnten Ortschaft. In der Leitentscheidung des Ministeriums für Wirtschaft von NRW vom 23.03.2021 ist unter Entscheidungssatz 4 aufgeführt: "Dazu sind vorrangig die Abstände der Abbaugrenze des Tagebaus gegenüber den Ortsrändern auf mindestens 400 m zu vergrößern."
Das Land NRW müsse "als Aufsichtsbehörde hat dafür zu sorgen, dass der Abstand von 400 Metern bezüglich bewohnter Wohneinheiten eingehalten wird", so die Forderungen der Verteidiger von Lützerath.
Der Widerstand wird auch nach Gerichtsentscheidung weitergehen
Doch die Pressekonferenz vor Ort hat auch noch eine weitere Funktion. Das große zivilgesellschaftliche Bündnis, das sich für den Erhalt von Lützerath einsetzt, macht deutlich, dass der Kampf gegen die Abbaggerung nicht zu Ende ist, falls demnächst ein Gericht der RWE grünes Licht für die Enteignung der Grundstücke von Landwirt Heukamp gibt.
"Der Widerstand wird weitergehen" – das war Tenor der Pressekonferenz. Da auch das Wetter wieder günstiger für Besetzungen wird, könnte sich hier ein Widerstandspotential entwickeln, das größer als im Hambacher Fors ist. Auch dort konnte RWE bisher die Konzernpläne nicht umsetzen. Die Motivation des heterogenen Protestbündnisses für den Erhalt von Lützerath wurde auf der Pressekonferenz mehrfach benannt:
"Wird die Kohle unter den Garzweiler-Dörfern abgebaggert und verbrannt, sind die Pariser Klimaziele für Deutschland nicht einzuhalten. Die 1,5-Grad-Grenze verläuft vor Lützerath – das hat eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung belegt. RWE ist gerade dabei, die 1,5-Grad-Grenze zu überschreiten".
Letzteres gilt zumindest, wenn Deutschland nicht stillschweigend erwartet, das andere Länder durch viel größere CO2-Einsparungen deutsche Versäumnisse kompensieren. Danach sieht es aber momentan nicht aus.
Manche Umweltorganisationen befürchten sogar, dass eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf zwei Grad bald nicht mehr möglich ist. Laut aktuellem Bericht des Weltklimarats sind schon jetzt mehr als drei Milliarden Menschen weltweit durch die Auswirkungen des Klimawandels stark gefährdet.
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