Läßt sich das Alphabet des Lebens erweitern?

Wissenschaftler haben dem genetischen Code eine künstliche Base hinzugefügt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das gesamte Leben, wie wir es kennen, basiert auf der genetischen Information. Das Genom aller irdischen Lebewesen besteht lediglich aus vier Bausteinen oder "Buchstaben", den Basen Adenin (A), Guanin (G), Cytosin (C) and Thymin (T). Die Doppelhelix des genetischen Codes verbindet jeweils zwei der Buchstaben zu einem komplementären Paar, und aus den Sequenzen dieser Basenpaare entsteht der dem Leben zugrundeliegende Text, der gewissermaßen den Lösungsraum für mögliche Lebensformen absteckt.

Die Frage ist natürlich, ob die Beschränkung auf die vier Bausteine als Alphabet zwingend ist oder ob das genetische Alphabet auch erweiterbar sein könnte, in dem man "künstliche" Buchstaben hinzufügt. Könnte man das genetische Alphabet erweitern, so wäre es vielleicht möglich, völlig neue Informationen in ein Genom einzuschreiben, so dass Organismen auch neue Eigenschaften haben könnten.

Wie Nature berichtet, haben Wissenschaftler des Scripps Research Institute in Kalifornien (McMinn, D.L., Ogawa, A.K., Wu, Y., Liu, J., Schultz, P.G. & Romesberg, F.E. Efforts toward Expansion of the Genetic Alphabet: DNA Polymerase Recognition of a Highly Stable, Self-Pairing Hydrophobic Base, J. Am. Chem. Soc. 121, 11585 (1999) ein Möglichkeit entdeckt, eine "Designerbase" der DNA hinzuzufügen.

Die Basenpaare des Genoms werden durch Wasserstoffbrückenverbindungen verknüpft, die ineinander wie Teile eines Puzzles passen. Bislang hat man versucht, andere Basen mit neuen Wasserstoffverbindungen zu einem künstlichen Paar zu verknüpfen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass sie möglicherweise auch mit den natürlichen Basen Verbindungen eingehen können und so die biologische Maschinerie durcheinanderbringen können. Das Team von Dustin McMinn hat daher eine Base entwickelt, die sich durch einen anderen Mechanismus an sich selbst ankoppeln kann. Die Moleküle dieser Base sind nämlich hydrophobisch, also wasserabstoßend, und schützen sich vor dem wasserhaltigen Inneren der Zelle, indem sie sich miteinander verbinden.

Die Wissenschaftler haben, um zu sehen, ob sich diese Base überhaupt in die genetische Information einfügen lässt, eine DNA-Sequenz hergestellt und die künstliche Base vier Buchstaben vor ihrem Ende eingebracht, wobei vor dieser fünf einzelne Basen sich befanden. Sie konnten dann zeigen, dass ein Enzym des Bakteriums Escherichia coli, das DNA herstellt, eine zweite Kopie des künstlichen Basenpaars erzeugen und in die unvollständige Sequenz einbauen konnte. Allerdings schien das künstliche Basenpaar die Vervollständigung der einzelnen Basen zu behindern.

Trotzdem habe, so Nature, das Experiment gezeigt, dass man dem genetischen Code prinzipiell fremde Buchstaben hinzufügen kann, wodurch die Frage entstehe, ob man neue Bausteine auch irgendwann dazu einsetzen könne, das Buch des Lebens weiterzuschreiben und ihm neue Seiten hinzuzufügen, ohne darauf angewiesen zu sein, nur die unausgefüllten Seiten des bestehenden Buchs des Lebens mit den natürlich vorhandenen Bausteinen zu beschreiben, also nur die Kombinationen zu verändern. Auch damit ließen sich, wie es das Minimal Genome Project anstrebt, möglicherweise ganz neue Lebewesen schaffen, die es bislang noch nicht gegeben hat, aber man bliebe damit auf den vorgegebenen Lösungsraum des Lebens beschränkt.