Land der Schmutzkübel - Ex-Kanzler Sebastian Kurz in Schwierigkeiten
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Obwohl der Wahlkampf in Österreich offiziell noch nicht begonnen hat, beginnt er bereits heiß zu laufen, wobei es weniger um politische Inhalte als um Anschuldigungen geht
Sebastian Kurz bedauerte am Wochenende in einer persönlichen Mitteilung die "Grauslichkeit" des Wahlkampfs. Gemeint hat er damit die Schmutzigkeit des Nationalratswahlkampfs, den er selbst nach Kräften mitverschmutzt.
Genüsslich liest die ÖVP in letzter Zeit aus aufgedeckten Emails und von Schmuddel-Webseiten vor, die ohne den Hinweis der beschmutzten Partei nahezu niemand gekannt hätte. Ohne Frage werden dort ungeheuerliche Dinge behauptet - nur, worin liegt eigentlich der Informationsgehalt? In der Bekanntmachung, dass sich im Internet gefährliche Spinner tummeln? Hat das irgendjemand noch nicht gewusst?
Die Medien machen mit
Im österreichischen Saure-Gurken-Sommer machte der Boulevard bei diesem Spiel der "Aufdeckungen" gerne mit und beklagt die gemeinen Behauptungen gegen Kurz. Dabei helfen die Medien genau jene weite Verbreitung zu schaffen, die sich die kriminellen Schöpfer*innen der Anschuldigungen nur hatten wünschen können. Es ist ein aberwitziger Widerspruch der "klassischen" Medienwelt, ununterbrochen die Macht der sozialen Netze zu bedauern und dies als eine Gefahr zu brandmarken, während man genau diese Macht befördert, indem man laufend die gleichen Säue durchs Dorf treibt.
Gänzlich absurd wird das Spiel, wenn das Team um Kurz zu behaupten beginnt, bei den Schmutzkübelkampanien im Internet läge jene Taktik vor, die Josef Göbbels beschrieb: "Wenn nur genügend Dreck geschleudert wird, bleibt auch etwas hängen." Wenn dies die Taktik der ominösen Gegner der ÖVP wäre, dann wäre es doch besser, die meisten Anschuldigungen zu ignorieren, die Personen auszuforschen, die falsche Beschuldigungen gemacht haben, um sie anzuklagen und ansonsten einen ruhigen Sommer zu genießen. Denn mit dem Wahlkampf wollte man ja eigentlich noch abwarten und den Österreicherinnen und Österreichern eine erholsame Ferienzeit verschaffen. Stattdessen werden fleißig die sprichwörtlichen Schmutzkübel bis zum Boden ausgeleert.
Message-Control geht nur in der Offensive
Warum geschieht dies also? Es scheint als habe sich Sebastian Kurz verkalkuliert, der doch gerne seine eigene "Professionalität" im Umgang mit den Medien lobt. Er hatte bald nach dem verlorenen Misstrauensantrag erkennen müssen, dass seine Message-Control zunehmend den Bach runtergeht. Die von ihm projektierten Erzählstränge, wie "der junge, dynamische Führer besucht das Silicon-Valley", wurden nicht mehr aufgegriffen und wirkten wie die lächerlichen Inszenierungsversuche, die sie waren.
Seine im Sommer üblichen Wanderungen mit hunderten Getreuen durchs österreichische Gebirge, die Volksnähe demonstrieren sollen, zogen nicht die entsprechenden Fanmassen an. Stattdessen musste Kurz ständig Fragen beantworten zu Skandälchen (ein wenig glaubwürdiger Fanbrief, in dem eine 6-Jährige instrumentalisiert wurde, die Abwahl von Kurz zu bedauern) und Skandalen (Mitarbeiter, die unter falschem Namen Festplatten haben schreddern lassen).
Kurz tut sich mit der Defensive schwer. Nur ungerne beantwortet er Fragen, die nicht Teil der von ihm konzipierten Außenwahrnehmungsstrategie sind. Folglich musste wieder die Offensive her. Im Fernsehen verbreitete er zur "Schredderaffäre", auch sein Vorgänger im Kanzleramt Christian Kern hätte Datenträger nach dessen Abwahl verschwinden lassen. Eine nicht belegbare Behauptung, die Kurz nun wohl die Klage Kerns einbringen wird. Diese Vorgehensweise darf ebenso als nicht gerade sauber betrachtet werden, was erneut Kurz‘ Klage über die Schmutzkübel hohl erscheinen lässt.
Finde den Silberstein
Aber genau hierin scheint die Taktik des Team Kurz zu liegen. Es soll die Assoziationskette über Christian Kern zu dessen ehemaligen Wahlkampfmitarbeiter Tal Silberstein geknüpft werden, der Fake-Seiten über Kurz im Internet erstellen ließ. Damit möchte die ÖVP im aktuellen Wahlkampf suggerieren, die SPÖ würde erneut nicht fair agieren und versuche, Kurz in den Dreck zu ziehen. Sebastian Kurz stellte es in seinen besorgten Zeilen vom Wochenende explizit so dar, als wollten dunkle Mächte den erfolgreichen Reformkurs des Ex-Kanzlers torpedieren.
Belege dafür blieb Kurz bislang schuldig. Die Masche ist in Österreich allerdings hinlänglich bekannt. Berühmt gemacht hatte sie Jörg Haider. Immer wollte wer dem "erfolgreichen Landeshauptmann von Kärnten, der Österreich veränderte" was Böses, wo hingegen Haider selbst keiner Fliege ein Haar krümmen konnte. Kurz schwenkt also auf die bekannte Strategie der Rechtsradikalen ein, das Opferlamm zu spielen.
Der Versuch, damit von den sich in letzter Zeit häufenden eigenen Fehlern abzulenken, mag plump wirken, aber auch Platzpatronen können in Österreich töten. Gerade die Inszenierung "Kurz allein gegen alle" könnte ihm verlorene Sympathien zurückerobern.
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