Langsamer Brüter

Biologen haben erstmals eine Kalmar-Art beobachtet, die ihre Eier sorgsam bewacht

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Gonatus onyx ist keine Rarität. Der Kalmar tummelt sich massenweise im Pazifischen wie im Atlantischen Ozean. Er ist ungefähr 25 Zentimeter groß und 150 Gramm schwer – und eine beliebte Nahrung für Meeressäuger. Über seine Lebensweise weiß man nicht viel. Jetzt haben Biologen bei ihm ein für Kopffüßer ungewöhnliches Verhalten beobachtet: Wie sie im aktuellen Nature berichten, brüten die kleinen Kalmare ihren Nachwuchs über mehrere Monate aus.

Bislang hatten Meeresbiologen vermutet, dass Gonatus onyx wie die anderen Arten aus der Gruppe der Zehnarmigen Tintenfische seine Eier auf dem Meeresboden ablegt, um sie dort ihrem weiteren Schicksal zu überlassen. Man hielt die Kalmare grundsätzlich für unfähig, ihre Eier auszubrüten, weil ihre Muskulatur nach der Geschlechtsreife zurückgeht und sie daher, so vermutete man, nur vermindert in der Lage sind, ihren Nachwuchs zu verteidigen. Einem Biologenteam des Monterey Bay Aquarium Research Institute in Moss Landing in Kalifornien unter der Leitung von Brad A. Seibel hat nun erstmals beobachtet und im Bild festgehalten, dass Gonatus onyx seine Eier geduldig ausbrütet.

Überraschendes vor der Linse

Im Monterey Canyon, vor der Küste Kaliforniens, gingen Seibel und Kollegen besondere Funde vor die Linse und auch ins Netz: mit Tiburon, dem ROV (Remotely Operated Vehicle) des Forschungsschiffes Western Flyer beobachteten sie in 1.500 bis 2.500 Meter Tiefe fünf Kalmare, die ihre Eier „im Arm“ hielten. Einige Eier und geschlüpfte Kalmare sowie zwei erwachsene Tiere konnten sie einfangen.

Bei der Untersuchung stellten sie fest, dass Gonatus onyx über eine aus zwei Schichten bestehende Membrantasche verfügt, in der sich seine Eier befinden. Dieser zylinderförmige Schlauch ist mit Haken an den Fangarmen befestigt, er reicht vom Mund bis zum Ende der Arme und enthält 2.000 bis 3.000 Eier. Die gallertartige Menbranröhre ist an beiden Ende geöffnet. Seibel und seine Kollegen glauben, dass die Kalmare den Laich auf diese Weise durch die Bewegung ihrer Arme mit Wasser durchspülen können, um ihn in dem sauerstoffarmen Meer vor Kalifornien mit Sauerstoff zu versorgen.

Brüten bis zur Regungslosigkeit

Brütende Weibchen verhalten sich auffallend ruhig, schreiben Seibel und Kollegen. Kräftige Bewegungen sind mit ihrer Bürde auch eher gefährlich: Bei Fluchtreaktionen, die die Forscher provozierten, lockerte sich nämlich die Masse aus Eiern und schwamm davon. Doch die Kalmar-Mütter sind auch nicht mehr in der Lage, sich rasch zu bewegen. Im Verlauf des Brütens entwickelt sich ihre Bewegungsfähigkeit kontinuierlich zurück. Während die Tiere mit unreifen Eiern mit Flossen und Mantel Fluchtbewegungen anstellten, zuckten die Tiere mit weiterentwickelten Eiern nur noch leicht, sie bewegten sich aber nicht von der Stelle. Wie die Forscher feststellten, lag dies an der Aktivität der Stoffwechselenzyme in den Muskeln des Mantels, die bei Weibchen mit unreiferen Eiern höher lag als bei denjenigen mit weiter entwickeltem Laich.

Man weiß von Gonatus onyx, dass er als Jungtier im seichten Wasser lebt und dort eine bequeme Nahrung für Meeressäuger und Vögel bildet. Nachts hält er sich in einer Tiefe von etwa 100 Metern auf, tagsüber bevorzugt er Meerestiefen von etwa 400 Metern. Zum Laichen ziehen sich die Kalmare in Tiefen von über 1.500 Metern zurück.

a:Brütendes Gonatus onyx-Weibchen in Ruhestellung, b: Gonatus onyx mit seiner mit Eiern gefüllten Membranröhre, c: Gonatus onyx während die Jungen schlüpfend, aufgenommen in 1.539 Meter Tiefe, d: Geschlüpfter Jungkalmar in einem mittleren Entwickungsstadium, e: Geschlüpfter Jungkalmar in fortgeschrittenem Entwickungsstadium (Bild: Nature)

Weil es im Zeitraum von April bis Juli im seichten Wasser von Jungtieren nur so wimmelt, schätzen die Forscher, dass die Kalmar-Weibchen sechs bis neun Monate brüten. Dies deckt sich mit den Beobachtungen von Seibel und Kollegen, dass die Gonatidae genügend Nahrungsdepots besitzen, um ihren Stoffwechsel auch über lange Brutzeiten hinweg in Gang zu halten. Und noch eine weitere Lebensgewohnheit dokumentierten die Meeresbiologen: Die zwei Exemplare, die ihnen im Abstand von wenigen Tagen ins Netz gingen, wiesen ein unterschiedliches Entwicklungsstadium auf. Damit steht fest, dass Gonatus onyx, der ansich in Schwärmen vorkommt, das Brüten nicht mit der Gruppe synchronisiert.

Gonatus onyx ist die bislang einzige Art aus der Gruppe der Zehnarmigen Tintenfische, der so ein fürsorgliches Brutverhalten an den Tag legt. Bei ferner verwandten Arten ist es jedoch nicht ungewöhnlich, und die Forscher haben, so Seibel, eigentlich längst damit gerechnet, es auch bei einer Kalmar-Art zu beobachten. Denn in der Tiefe und damit außerhalb der Reichweite von Fressfeinden wie Walen und See-Elefanten sind die Kalmar-Weibchen mit ihren Nachwuchs in Sicherheit und können geduldig das Heranreifen ihrer Eier abwarten.