Lauschangriff auf extraterrestrische Raumsonden

Bild: NASA

Ein belgischer Astronom schlägt vor, in solaren Brennsphären nach Funksignalen zu suchen, die von miteinander kommunizierenden außerirdischen Sonden stammen

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Was wäre, wenn sich fremde Raumsonden in der solaren Brennsphäre oder in den exosolaren Fokalpunkten benachbarter Sternsysteme eingenistet haben und unter Ausnutzung des Gravitationslinseneffekts Kontakt zu allen Schwestersonden oder ihrer Heimatwelt halten? Müsste es in diesem Fall nicht möglich sein, Emissionen dieser Sendungen oder die Raumsonden selbst aufzuspüren? Ausgehend von diesen Fragen, stellt ein belgischer Astrophysiker eine neue SETI-Strategie (SETI=Suche nach außerirdischer Intelligenz) vor, die dabei helfen könnte, die Existenz solcher Sonden nachzuweisen oder mit ihnen sogar direkt in Kontakt zu treten, sofern sie überhaupt existieren.

In solaren Brennpunkt eintauchen

Vor 34 Jahren wartete ein unbekannter amerikanischer Ingenieur mit einer völlig ungewöhnlichen Idee auf, die bis dahin ihresgleichen suchte. R. von Eshleman von der Stanford Universität in Kalifornien, bis dahin in der SETI-Szene und auf astrobiologischem Feld eher ein unbeschriebenes Blatt, gab einen futuristischen Vorschlag zum Besten, der darauf abzielte, eine höchst ambitionierte Raumsonden-Expedition zu starten.

Gravitationslinsen-Effekt. Bild: NASA, ESA & L. Calçada

Sein fiktiver Entwurf sah vor, einen mit einem Radioteleskop bestückten Forschungsroboter in die Brennsphäre der Sonne zu entsenden, der sich dort mithilfe der solaren Gravitationslinse hauptsächlich auf den populären 21-Zentimeter-Wellenbereich fokussieren ("Wasserstofflinie") sollte, der als kosmische Standardfrequenz gilt, auf der extraterrestrische Intelligenzen senden könnten. Anlass genug für den Vater und Pionier der SETI-Idee und Initiator der Suchprogramme, Frank Drake, sechs Jahre später Eshlemans Gedanken aufzugreifen und weiterzuentwickeln.

In Anlehnung an Drakes Vorschlag stellte sodann der italienische Astrophysiker und SETI-Forscher Claudio Maccone vor 20 Jahren das Missionskonzept FOCAL vor. Es sieht das Einbringen einer mit speziellen Teleskopen und einer 100 Meter großen ausfaltbaren Radioschüssel bestückten Sonde in die Sonnenlinse vor. Unter Anwendung des Gravitationslinseneffekts sollte FOCAL neben klassisch-astronomischen Beobachtungen von der solaren Brennsphäre aus gezielt extraterrestrische Licht- und Funkbotschaften aufspüren, die von Nachbargalaxien stammen und deren Sender nicht leistungsstärker als Walkie-Talkies sind.

Brennsphäre und Gravitationslinse

Die solare Brennsphäre definieren Astronomen als jene Region, wo der Brennpunkt der Sonne liegt und die Gravitationslinse dank der Schwerkraft der Sonne die von anderen Sternen eintreffende elektromagnetische Strahlung inklusive aller Radiowellen bündelt, konzentriert und vor allem verstärkt - ähnlich einer optischen Linse. In der Astronomie hat sich der Gravitationslinseneffekt als etabliertes Verfahren für die Beobachtung ferner Sterne oder Galaxien gemausert.

Solare Gravitationslinsen basieren auf demselben Prinzip: Die von unserem Heimatstern am Sonnenrand abgelenkten Strahlen fokussieren sich in einem Raumbereich, dessen Form am ehesten mit einer Kugelschale beschrieben werden kann, der jedoch weit außerhalb unseres Sonnensystems liegt - 82 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt: 14-mal weiter entfernt als Pluto von der Sonne.

82 Milliarden Kilometer von unserer Sonne entfernt befinden sich die Brennpunkte unserer Sonne, die Aliens zum Austausch interplanetarer Botschaften nutzen könnten. Bild: NASA/ESA

Hier befindet sich eine ganze Sphäre von Brennpunkten, die zahllose Bilder von Sternen und Galaxien generieren. Und hier könnten interstellare Raumsonden mithilfe der Brennsphäre der Sonne einen optimalen Kommunikationskanal zu ihrer Heimatwelt öffnen und aufrechterhalten. Anstatt gewaltige Antennen auszufahren, würden die Außerirdischen wahrscheinlich eine Funkstation im Brennpunkt der solaren Gravitationslinse stationieren, auf einer Linie mit ihrem Heimatstern, der mit seiner Schwerkraft ebenfalls die Funksignale verstärkt, so Maccone. "Wenn wir nach fremden Raumschiffen suchen wollen, dann hier."

Bracewell- und Von-Neumann-Sonden

Die Idee nach fremden Raumschiffen Ausschau zu halten, ist nicht neu. Bereits 1960 beschrieb der australische Radioastronom Ronald N. Bracewell von der Stanford University in einem Nature-Fachartikel, wie eine kontaktfreudige Hochintelligenz mit einem einzigen Radioteleskop und Transmitter aktiv nach anderen Technologien suchen könnte. Um die eigenen Erfolgsaussichten zu erhöhen, würden sie solche Zonen nicht mit Radiowellen, sondern wohl eher systematisch mit kleinen Raumschiffen überfluten und diese sogleich in der Nähe oder innerhalb der Ökosphäre des Sternsystems aussetzen, wo sie in eine stabile Umlaufbahn um den Zielstern oder einen seiner Planeten bzw. Monde einschwenken.

Der Roboter könnte die Existenz einer anderen technisch begabten Spezies nachweisen, die gesammelten Daten umgehend an seine Heimatwelt schicken. Aus diesem Grund solle man, so Bracewell, in unserem Sonnensystem nach Anzeichen von Sonden suchen, die höher entwickelte Nachbarn entsandt haben.

Proxima Centauri im Röntgenlicht. Der erdnächste Stern ist 4,2 Lichtjahre entfernt. Sollten in dem dortigen Sonnensystem Hochtechnologien zuhause sein, dürften sie unsere künstlich generierte elektromagnetische Strahlung längst empfangen haben. Bild: NASA/CXC/SAO

1953 entwickelte der österreichisch-ungarischen Mathematiker John von Neumann (1903-1957) ein Modell sich selbst reproduzierenden Automaten. Obwohl von Neumann seinerzeit beim Theoretisieren nicht im Geringsten an eine Besiedlung unserer Galaxie durch solche Automaten dachte, wurden die Von-Neumann-Sonden schnell zu einem Synonym für sich autonom replizierende Maschinen bzw. Raumschiffe, die ohne externe Hilfe und Einflussnahme einer anderen Apparatur oder Lebensform eine exakte Kopie ihrer selbst herstellen können. Eine Kopie wohlgemerkt, die wiederum selbst in der Lage ist, von sich einen Doppelgänger zu kreieren. Gleich nach seiner Ankunft oder nach beendeter Mission würde die Maschine mindestens eine Kopie von sich herstellen und diese zum nächsten System schicken, wo sich die ganze Prozedur wiederholte.

ICDs

Inspiriert von Bracewells und Neumanns Sonden und aufbauend auf Maccones und Eshlemans Suchstrategie wartet nunmehr der belgische Astrophysiker Michael Gillon von der belgischen Université de Liège mit einer neuen Idee auf, die sich auf eine Suchmethode bezieht, mit der außerirdische Robotersonden in unserem Sonnensystem oder benachbarten Systemen gezielt und strategisch aufgespürt werden könnten.

In dem unlängst veröffentlichten Preprint "A novel SETI strategy targeting the solar focal regions of the most nearby stars" des Fachmagazin Acta Astronautica geht der Autor von der Überlegung aus, unsere Galaxis könnte von unzähligen miteinander kommunizierenden Von-Neumann-Sonden bevölkert sein, die ihren Zielstern nicht nur umkreisen, sondern den selben gezielt als Gravitationslinse instrumentalisieren, um eine interstellare Verbindung mit der Heimatwelt oder anderen Raumsonden herzustellen.

Maccones eindrucksvolle Folgerung ist, dass wir nur über Nutzung des Potentials der Gravitationslinse der Sonde in der Lage sind, mit jeder zu einem Nachbarstern gesandten Sonne zu kommunizieren. Ausgehend von dieser Folgerung kann angenommen werden, dass extraterrestrische Sonden diese selbe Technik nutzen.

Michael Gillon nennt solch eine potenzielle Sonde "Interstellar Communication Device" (ICD). Seiner Meinung nach könnte jeweils eine Interstellare Kommunikationseinheit in unserem Sonnensystem und den benachbarten Sternsystemen in der fokalen solaren Region treiben und den Kontakt zu anderen Alien-Sonden halten, die entweder das Sonnensystem durchforsten oder selbst als Relaisstationen fungieren.