Lauschangriff im Elefantenzoo

Ein Forschungsprojekt zur Lautbildung bei Afrikanischen Elefanten sorgt für Aufsehen

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Seit Jahren belagert die Zoologin Angela Stöger-Horwath im Wiener Tiergarten Schönbrunn das Elefantengehege. Mit Spezialmikrofon, Tonband und Computer will sie dem Grunzen, Kreischen und Trompeten der Dickhäuter auf die Schliche kommen. Doch erst zwei skurril anmutende Tonproben aus Kenia und Basel, in denen sich die Elefanten als wahre Stimmakrobaten präsentieren, brachten das Forschungsprojekt weltweit in die Schlagzeilen. Was hat es mit der "Sprache" der Elefanten wirklich auf sich?

Afrikanischer Savannanelefant. Bild: genome.gov

Als sich vor vier Jahren im Wiener Zoo seltener Elefantennachwuchs einstellte, wusste die Bioakustikerin Angela Stöger-Horwath die Gunst der Stunde zu nutzen. Mit einem "AKG C 480 B"-Mikrophon dokumentierte sie jede Phase in der "Sprachentwicklung" des Jungelefanten Abu: vom Protestruf, den er ausstieß, wenn er sich beim Säugen gestört fühlte, bis zum Elefanten-"Stimmbruch", in dem er nur noch klägliches Krächzen hervorbrachte.

Das akustische Repertoire des ungelenken Babyelefanten erwies sich als sehr beschränkt; selbst das bekannte Trompeten wollte dem Schönbrunner Jungtier so richtig erst nach vier Monaten gelingen.

Alle in [den ersten Lebenswochen] aufgezeichneten Stimmäußerungen Abus dienten in erster Linie der Kommunikation mit seiner Mutter "Sabi" - und scheinen nur auf kurzen Distanzen eingesetzt zu werden. Die häufig registrierten, abrupten Frequenzsprünge scheinen aufgrund mangelnder Routine im Umgang mit dem Stimmapparat für Babyelefanten charakteristisch zu sein.

Angela Stöger-Horwath

Infraschalllaute konnten beim Elefantensäugling überhaupt noch nicht registriert werden; diese Sprachfertigkeit musste sich Abu erst über die Monate aneignen. Die Fähigkeit zum tiefen Grollen ("Growling" oder "Rumbling"), das im Niederfrequenzbereich und weitgehend unterhalb der menschlichen Hörschwelle angesiedelt ist, ist Jungtieren also keineswegs angeboren, sondern - wie die Sprachvermögen des Menschen - mühsam erlernt.

Ferngespräche in der Savanne

Dabei spielen gerade die Infraschalllaute, also akustische Schwingungen mit Frequenzen unterhalb von 20 Hz, im Smalltalk der Elefanten eine zentrale Rolle. Zwei Drittel ihrer Kontaktlaute, die der Mensch bestenfalls als Pochen und Vibrieren der Luft wahrnimmt, liegen im untersten Frequenzbereich, der weniger überlagerungsanfällig ist und die Verständigung über größere Distanzen (über 8 km) hinweg überhaupt erst ermöglicht.

Wenn Elefanten im Busch auf Nahrungssuche ohne Sichtkontakt sind, geben sie ihrem Wohlbefinden durch tiefe Geräusche Ausdruck. [...] Die Langstreckenübertragbarkeit der niederen Frequenzen dürfte ein Grund für die bemerkenswerten Koordinationen der Verhaltensweisen der verschiedenen Elefantengruppen sein, z.B. zur Verständigung zwischen den Familien ebenso wie die Kontaktaufnahme zwischen brünstigen Kühen sind deckfähigen Bullen. Außerdem ist die geringe Störungsanfälligkeit für eine Kommunikation in dichter Vegetation von großem Nutzen.

Sprache der Elefanten

Weit über 1.000 Stunden mit über 3.000 Elefanten-Rufen hat Stöger-Horwath in den letzten vier Jahren auf Band aufgenommen und die Sonogramme mit einem Analyseprogramm am Computer bearbeitet: An die 70 verschiedene Töne können mittlerweile unterschieden werden, Droh- und Warnrufe ebenso wie Verständigungslaute zwischen verschiedenen Herden. Die Tonhöhe korreliert dabei mit dem Erregungszustand des Elefanten. Höhere Frequenzen (wie Trompeten, Brüllen und Schreien) entsprechen größerer Aufregung und treten meist im Gefolge von Aggression, Angst oder Erschrecken auf.

Elefanten-Linguistik in Nairobi

Die Studien, die Stöger-Horwath im Elefantengehege von Schönbrunn vor allem an Abu (und später am Elefantenbaby Mongu) begann, führten sie schließlich auch nach Basel und Afrika: Im Elefantenwaisenhaus von Nairobi fand die Wienerin ideale Bedingungen, um das Brüllen und Brummen der afrikanischen Elefanten genauer unter die Lupe zu nehmen.

Afrikanische Elefenatenherde. Bild: P. Granli/ElephantVoices

Schon damals sprach vieles dafür, dass Elefanten je nach Herkunft unterschiedliche Dialekte "sprechen". Auf die Laute von vertrauten Artgenossen reagieren sie jedenfalls interessierter als auf die Rufe fremder Elefanten. Spielt man ihnen die Stimmaufzeichnungen längst toter Elefantenfreunde vor, erkennen sie diese zweifellos wieder. Und das Klischee vom geschwätzigeren weiblichen Geschlecht scheint sich zumindest bei den Elefanten zu bestätigen, wo sich die wortkargen Bullen, ganz anders als die Weibchen, oft tagelang keinen Laut entlocken lassen.

Ein letzte Woche präsentierter Bericht in Nature bestätigt nun, dass Elefanten das Spektrum ihrer Lautäußerungen gemäß ihren Hörerfahrungen modifizieren können. Das internationale Forscherteam um Stöger-Horwath und Joyce H. Poole vom Amboseli Trust for Elephants, verblüffte die Öffentlichkeit mit zwei Fällen, in denen Elefanten Geräusche und Laute, die sie in ihrer Umgebung aufgeschnappt hatten, in ihr eigenes Stimmrepertoire aufgenommen haben.

Indisches Zirpen und Motorengebrumm

Die Studie beschreibt einen Afrikanischen Elefanten (Loxodonta africana) des Basler Zoos, der einige Jahre in Gesellschaft Indischer Elefantenkühe (Elephas maximus) verbracht und dabei erstaunlichen Integrationswillen bewiesen hat: Das Elefantenmännchen Calimero hat deren spezifische Lautäußerungen, Zirp- und Zwitscherlaute, die seiner Art eigentlich völlig fremd sind, kurzerhand in seinen Wortschatz (akzentfrei?) übernommen.

Neben Calimeros Fremdsprachenkenntnissen schildert der Aufsatz einen zweiten, ähnlich spektakulären Fall aus Kenia, wo sich eine zehnjährige Elefantenkuh namens Mlaika als begnadete Stimmenimitatorin entpuppte. In ihrem Gehege in Tsavo, in Hörweite der Autobahn Nairobi-Mombasa, hat sich die Elefantendame, die offenbar recht häufig den Lärm vorbeidonnernder Lkws zu Ohren bekam, das Motorengeräusch angeeignet. Für die Elefanten-Linguistiker resultiert solche Sprachkompetenz aus der Bedeutung akustischer Signale für die Gruppenbindung, die aufrechterhalten werden muss, wenn Tiere sich trennen und wieder zusammenfinden.

Vocal learning enables a flexible and open communication system in which animals may learn to imitate signals that are not typical of the species. [...] To our knowledge, this discovery in elephants is the first example of vocal imitation in a non-primate terrestrial mammal. It strengthens the idea that there is a primary selection pressure for vocal learning that involves the communicative demands of maintaining social relationships in fluid societies.

Von Flipper bis Hoover

Damit gesellen sich die Elefanten zum illustren Kreis jener Spezies, bei denen Lautimitationen und regionale Dialekte dokumentiert werden konnten. Ihre Begabung teilen die Dickhäuter mit Walen und Delfinen, rund 300 Vogelarten und Fledermäusen. Als sich z.B. 1996 einige Buckelwale versehentlich in den falschen Ozean verirrten, stimmten bald auch ihre ostaustralischen Artgenossen den fremden Walgesang an.

Besonderes Geschick legen etwa Stare an den Tag, wenn es darum geht, Umweltgeräusche - vom Handyklingeln bis zum Hundegebell - in ihre Gesänge einzuflechten. Für einiges Aufsehen sorgten norwegische Stare, die Gefallen an Kurt Schwitters "Ursonate" fanden und dabei beinahe mit dem Urheberrecht in Konflikt gerieten (Stare zwitschern Ursonate) Und zuletzt geisterte die Meldung von Hoover, dem sprechenden Seehund durch die Gazetten, der nach einem Gehirndefekt die Neigung zur Wiedergabe menschlicher Sprachfetzen entwickelt haben soll.

Die Wissenschaft schreitet also zügig voran, die Rätsel tierischer Kommunikation zu entschlüsseln. Dass freilich das wachsende Verständnis der Elefantensprache fatale Missverständnisse zwischen Tier und Mensch nicht ausschließt, musste kürzlich ein Tierpfleger in Schönbrunn mit dem Leben bezahlen, als der "Lausbub" Abu, inzwischen ein 1,6t schwerer "Halbstarker", bei der Morgenpflege unerwartet auf ihn losging.