Leben jenseits der Überholspur
Anarcho-Autorennen mit Acclaims "Burnout 2: Point of Impact"
Dichte Story und Simulationsrealismus ade, Geschwindigkeitsrausch und Freude an der Gefahr hallo: Burnout 2: Point of Impact ist Fahren am Limit, ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer - Don't try this in your own car!
Die Ästhetik des Crash war bereits eines der Höhepunkte in Acclaims "Burnout". Dort, wo andere Spiele einen Unfall mit einer Zeitstrafe quittieren, gönnt einem "Burnout" den (für manche Mitmenschen durchaus zweifelhaften) Genuss des detailliert dargestellten, aus unterschiedlichen Kameraperspektiven wiederholten Unfalls. Diese Crash-Ästhetik wurde in ihrer Detailverliebtheit zum Markenzeichen des Spiels, diese anfangs willkommene und abwechslungsreiche Szenerie bereitet dem Mensch am Controller freilich ein zweifelhaftes Vergnügen, ersetzt der wiederholte Crash die nüchterne Zeitstrafe, kostet ihn jede wiederholt berstende Fensterscheibe wertvollen Vorsprung.
Nicht ganz so exzessiv bedient sich "Burnout 2: Point of Impact" (der Name ist Programm) des Stilmittels Unfallvoyeurismus. Weniger ist mehr: Lediglich eine Außenansicht des Aufpralls genügt, beschert dem Spieler zumindest einen kurzen Moment des "Ausruhens" und den Blick auf die Außenwelt des eigenen Gefährts, in der er erkennt, ob wenigstens die Mitstreiter dem eigenen Crash ebenfalls zum Opfer fallen oder mit einem Ausweichmanöver umfahren. Der wahre Crash-Fetischist kommt dennoch und sogar noch mehr in einem eigenen Spielmodus auf seine Kosten - doch dazu später.
Vor das Rennen setzt das für GameCube, XBox und Playstation 2 erhältliche "Burnout 2" die Fahrschule, deren Bezeichnung "Offensive Driving 101" nahe legt, dass im Spiel eine andere Fahrweise als auf der Straße, die uns ja schon seit Fahrschulzeiten das defensive Fahren abverlangt, angesagt ist. Die offensive Fahrschule lehrt den Burnout-Fahrschüler dagegen, dass ein Rennen nur durch Beachten angriffslustiger Grundregeln zu gewinnen ist: Fahre enge Überholmanöver, brettere auf der Gegenfahrbahn, nutze jede Kuppe zum Sprung und drifte durch Kurven.
Klare Sache: Das Spiel ist weder realistisch im Sinn einer Simulation noch politically correct. Mehr noch als die Midtown Madness"-Serie (vgl. Mit Tempo 120 durch die Innenstadt) von Microsoft Game Studios oder Segas Crazy Taxi straft der Spieler den restlichen Verkehr mit Verachtung. Der Crash, dem der eigene Wagen nicht zum Opfer fällt, wird zur Wonne. Moralische Bedenken beim Unfall des Führenden in den Sattelschlepper - Fehlanzeige. Einzige Sorge: Dem Unfalldomino, das ein Crash unweigerlich auslöst, auszuweichen, um selbst die Führung zu übernehmen.
Über die (nahezu unvermeidlichen) eigenen Unfälle führt das Spiel während der gesamten Karriere Buch, sodass der Spieler sich stets ein Bild davon machen kann, welchen Schaden er bereits angerichtet hat. An der Stelle eine kleine Beruhigung für moralische Bedenkenträger: Menschen existieren in dem Spiel weder grafisch - die Unfälle strotzen vor Beulen und Glassplittern, verzichten aber gänzlich auf Blut - noch statistisch.
Der Ästhetik des Crash zum Trotz ist doch die weitgehend unfallfreie Fahrt ein Schlüssel zum Sieg, jedoch beileibe nicht der Einzige: Ohne die in "Offensive Driving 101" erlernten Fahrmanövern fährt der Spieler dennoch den Kontrahenten hinterher: Den Mut zum Risiko belohnt "Burnout 2" wie bereits der Vorgänger mit dem Auffüllen des Boost-Meters, der komplett aufgefüllt dem Spieler einen Nachbrenner beschert. Die Kunst des Nachbrennens besteht darin, die einmal aufgefüllt Anzeige nicht versiegen zu lassen. Ein Boost auf der Gegenfahrbahn oder das Driften während des Boosts füllt die Anzeige postwendend erneut, sodass gutes Timing längere Strecken nahezu mit Dauer-Nachbrenner ermöglicht.
Wie bei Rennspielen üblich, stehen dem Spieler zu Beginn nur eine begrenzte Zahl an Strecken, Fahrzeugen und Spielmodi zur Verfügung. Nach der Fahrschule darf er sich im Einzelrennen oder der Meisterschaft mit anderen Fahrern und in Time-Attack nur mit der Uhr messen. Ein besonderes Augenmerk verdient der Crash-Modus, dessen einziges Ziel darin besteht, einen möglichst teuren Unfall zu verursachen. In insgesamt dreißig festen Szenarien rast der Spieler ins Verkehrsgeschehen und sammelt Schadenspunkte, wobei der errechnete (rein finanzielle) Schaden noch mit der Anzahl der am Unfall beteiligten Vehikel multipliziert wird. Die höheren Stufen besitzen anspruchsvollen Puzzle-Charakter: Für eine Goldmedaille muss dann der passende PKW getroffen werden, sodass der eigene Wagen beim Aufprall in die richtige Richtung abhebt, um aus der Luft möglichst viel Schaden anzurichten. Bleibt nur zu hoffen, dass sich kein Verkehrsrowdy auf "Burnout 2" beruft und das Spiel (das übrigens die Altersfreigabe 6 trägt) zum Counterstrike unter den Rennspielen wird.
Das überwiegende normale Renngeschehen findet im Meisterschaftsmodus statt. Hier fährt der Spieler mehrere Strecken hintereinander und schaltet mit einem Sieg in der Gesamtwertung neue Grand-Prixs frei. Der Gewinn aller Goldmedaillen eines Grand Prixs öffnet zusätzlich One-on-One-Rennen, in denen der Spieler mit einem Sieg den gegnerischen Wagen gewinnt. Zwischendurch darf der Spieler zudem im Pursuit-Modus mit einem Polizeiwagen ein fliehendes Fahrzeug aufhalten - dabei ist Blechkontakt ausdrücklich erwünscht, denn dem fliehenden Fahrzeug muss auf einer vorgegebenen Strecke ausreichend Schaden zugefügt werden, um es lahm zu legen. Nach der dritten gewonnenen Verfolgungsrennen öffnet "Burnout 2" die Pursuit-Variante als eigenen Modus - auch als Zweispielerduell.
Cash zählt im Spiel nur für die Unfallstatistik und Highscore-Liste: Neue Autos werden nicht erkauft, sondern schlicht "erfahren" - als Sieger eines Grand Prix oder - The Fast And the Furious lässt grüßen - im One-on-One. Ach, die Highscoreliste: Freilich werden hier nicht nur die besten Zeiten gelistet, sondern auch die Manöver wie die längste Zeit auf der Gegenspur, der beste Drift und dann noch - wie könnte es anders sein - die teuersten Crashs.
Nachdem der Spieler alle Grand Prixs der Meisterschaft gewonnen hat, darf er sich in der Custom Series Meisterschaft in Grand Prix Rennen mit schnelleren Autos stürzen. Diese Rennen führen zwar über die gleichen Kurse wie die normale Meisterschaft, aber beispielsweise ist der Flughafenkurs umgedreht, die Kontrahenten fahren somit ständig gegen den fließenden Verkehr. Auf anderen Strecken ist schlicht nur die Gegenfahrbahn offen, einem Unfall des Vordermanns auf der Autobahnauffahrt auszuweichen wird hier unmöglich - so einfach ist das Leben des Geisterfahrers offensichtlich nicht.
"Burnout 2: Point of Impact" verschwendet keine Zeit mit einer Story oder Feineinstellung an der Wagenaufhängung, schickt den Spieler in Arcade-Racing, das weniger von der genauen Kenntnis der Strecke und der Ideallinie lebt als von der schnellen Reaktion des Spielers. Detaillierte Grafik, eine griffige Steuerung und - das muss man einfach zugeben - die herrlichen Crashs machen Acclaims Spiel zu einem der besten Arcade-Racer für Next Generation Konsolen.