Lebensmittel: Mindesthaltbarkeitsdatum abschaffen?
- Lebensmittel: Mindesthaltbarkeitsdatum abschaffen?
- Warum der Verzicht auf ein Mindesthaltbarkeitsdatum das Problem nicht löst
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"Containern" und "Mülltauchen": Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister will am Verbot festhalten und einen anderen Ansatz in die Debatte bringen. Telepolis hat beim Ministerium nachgefragt.
Im Zusammenhang mit dem Diebstahl aus Abfallcontainern des Lebensmittelhandels taucht immer wieder der Begriff ″Mundraub″ auf, der früher angeblich straffrei gewesen wäre. Dabei war Mundraub nur unter Eheleuten und gegenüber ausgewählten Verwandten straffrei. Mit der Strafrechtsreform vom 1. Januar 1975 wurde das eigenständige Delikt ″Verbrauchsmittelentwendung″ abgeschafft und strafverschärfend als Diebstahl klassifiziert.
Heutzutage kann Diebstahl im Sinne des § 242 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. Er gilt jedoch als sogenanntes Antragsdelikt, das nur verfolgt wird, wenn ein Strafantrag erfolgt ist.
In der aktuellen Diskussion um die Frage, ob "Containern" oder "Mülltauchen" weiterhin strafbar sein soll oder straffrei werden sollte (Lebensmittelverschwendung: "Containern" bald straffrei, wenn Supermärkte mitspielen?) kommt jetzt der Stuttgarter Landwirtschaftsminister Peter Hauk mit eigenen, ziemlich originellen Vorschlägen, wobei er am Verbot des Containerns und seiner Bewertung als Diebstahl festhalten will.
Mindesthaltbarkeitsdatum und Verbrauchsdatum
Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) gibt den Zeitpunkt an, bis zu dem der Hersteller garantiert, dass das ungeöffnete Lebensmittel bei durchgehend richtiger Lagerung seine spezifischen Eigenschaften wie Geruch, Geschmack und Nährwert behält.
Bei sehr leicht verderblichen Lebensmitteln wie Hackfleisch, bei welchen schon nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gesundheitsgefahr bestehen kann, wird dies mit dem "Verbrauchsdatum" gekennzeichnet.
Das Verbrauchsdatum nennt den letzten Tag, an dem das Lebensmittel noch verkauft und am selben Tag auch noch verzehrt werden darf. Die Tatsache, dass frisches Fleisch vielfach unter Schutzatmosphäre verpackt wird und das so verpackte Fleisch durch den Sauerstoff zwar lange schön rot aussieht und den Eindruck von Frische erweckt, könnten Verbraucher jedoch über den wahren Zustand der Ware täuschen.
Die Angabe des MHD kann bei manchen Lebensmitteln auch auf bestimmte Bedingungen eingegrenzt werden. Dazu zählt zum Beispiel die Lagertemperatur. Dies muss dann als deutlicher Hinweis auf dem Etikett angegeben sein.
Diese Temperaturangabe gilt auch für den Transport nach Hause. Zudem gilt das MHD nur, solange die Verpackung nicht geöffnet wurde. Der MHD-Hinweis gilt also keinesfalls für eine angebrochene Verpackung.
Wie Peter Hauk gegen das Containern vorgehen will
Minister Hauk sieht den Hauptgrund für das Containern in der Tatsache, dass viele Lebensmittelhändler Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatums aus dem Verkauf nehmen, weil die Kunden zögern, Lebensmittel zu kaufen, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist.
Dabei sind Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum noch verzehrfähig. Der Hersteller sagt mit der Datumsangabe nur, dass die Eigenschaften des betreffenden verpackten Lebensmittels bis zu diesem Zeitpunkt seinen Qualitätsvorstellungen entspricht. Im englischen Sprachraum hat sich dafür die Angabe ″best before ...″ durchgesetzt.
Damit der Lebensmittelhandel jetzt ältere Ware nicht mehr aussortiert, strebt Minister Hauk an, künftig auf die Angabe des MHD zu verzichten und dass Lebensmittel nur noch mit dem Produktionsdatum versehen werden.
Kunde soll selbst beurteilen
Der Kunde muss dann selbst entscheiden, wie lange ein Produkt noch haltbar ist. Diese Idee will Hauk, der 2023 Vorsitzender der Verbraucherschutzministerkonferenz ist, jetzt mit Bund und Ländern diskutieren.
Um die Lebensmittelverschwendung deutschlandweit zu reduzieren, müssten laut Hauk bereits Jugendliche an Schulen stärker für das Thema sensibilisiert werden.
Verbraucher sollten künftig nicht von Mindesthaltbarkeitsangaben irregeleitet werden, sondern lernen, den Zustand von Lebensmitteln wieder selbst beurteilen können. Bei verpackten Lebensmitteln ist jedoch der Zustand von Lebensmitteln kaum zu beurteilen, da der optische Eindruck, wie oben schon erwähnt, nicht dem Zustand der Ware entsprechen muss.
BW-Landwirtschaftsministerium: Lebensmittel sollen erst gar nicht im Abfallcontainer landen
Telepolis hat beim Landwirtschaftsministerium in Stuttgart nachgefragt. Die Stellungnahme des Ministeriums lautet:
Unser Ansatz muss es sein, die Lebensmittelverschwendung einzudämmen und Grundlagen zu schaffen, damit die Lebensmittel erst gar nicht im Abfallcontainer landen. Begriff und Handhabung des Mindesthaltbarkeitsdatums rufen oft die irrige Annahme hervor, dass Lebensmittel nach Ablauf des MHDs automatisch ungenießbar seien und stellen sich deshalb als ungünstig gewählt dar.
Der Bund sollte daher seiner Verpflichtung nachkommen und im Hinblick auf die Vermeidung von Lebensmittelabfällen das Mindesthaltbarkeitsdatum in seiner jetzigen missverständlichen Form überprüfen. Es muss geprüft werden, ob es eine geeignetere und treffendere Bezeichnung für das Mindesthaltbarkeitsdatum gibt, wie zum Beispiel, 'bei richtiger Aufbewahrung Qualität garantiert bis…' oder aber lediglich ein Herstellungsdatum angegeben wird.
Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg
Auch eine intensivere Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher sei wichtig und könne der Entstehung von Lebensmittelabfällen entgegenwirken. Die Menschen müssten sich auch wieder auf ihre Sinne verlassen und riechen, sehen und schmecken, ob Essen noch gut ist.