Lebensmittel: Was Patente auf Saatgut für unseren Warenkorb und die Preise bedeuten
Agrar- und Saatgutkonzerne ließen tausende Pflanzensorten patentieren. BASF-Patent auf Wassermelonen bleibt bestehen. Über Auswirkungen – und Auswege.
Für steigende Lebensmittelpreise gibt es unterschiedliche Gründe. Gerade in Zeiten der Klimakrise ist eine lokale Lebensmittelproduktion mit angepassten Sorten und fairen Preisen eine wichtige Voraussetzung für Ernährungssicherheit. Patente auf Saatgut stärken allerdings die Macht der Konzerne – sowohl bei der Preisgestaltung als auch, was die Vielfalt der angebotenen Sorten betrifft.
Das Europäische Patentamt (EPA) wies kürzlich einen Einspruch gegen ein Patent von BASF auf buschig wachsende Wassermelonen (EP2814316) zurück. Der Einspruch wurde von der europäischen NGO "No Patents on Seeds!" eingelegt, weil das Patent nicht erfinderisch und die Patentierung von konventionell gezüchteten Pflanzensorten verboten ist.
Der buschige Wuchs der Pflanzen, die laut Patentschrift in einem Hausgarten entdeckt wurden, sei zufällig entstanden. Weder das eingesetzte Verfahren noch die Entdeckung des buschigen Wuchses beruhen auf einer erfinderischen Leistung. Das EPA hatte das Patent 2021 erteilt, weil der Patentinhaber zusätzlich ein übliches Verfahren (Erzeugung von Triploidie) eingesetzt hatte, um die Anzahl der Kerne zu reduzieren. Für den Anbau der Pflanzen wird weniger Fläche benötigt.
Die Entscheidung des Patentamtes stehe im Widerspruch zu gesetzlichen Bestimmungen und den Grundsätzen des Patentrechtes, erklärt Christoph Then. Wird eine Entdeckung mit einem üblichen Verfahren kombiniert und ist das Ergebnis nicht überraschend, könne von einer Erfindung keine Rede sein, kritisiert der Koordinator von No Patents on Seeds! Mit der Entscheidung werde das Verbot der Patentierung von konventionell gezüchteten Pflanzensorten verletzt.
Maßgebend für die Praxis bei Patenten auf Leben ist die1998 beschlossene Europäische Richtlinie für Biopatente (98/44/EG). Auf dieser Grundlage entscheidet das Europäische Patentamt (EPA) in München darüber, ob eine Erfindung in der EU als Patent anerkannt wird. Laut Beschluss des Deutschen Bundestages vom Juni 2013 sind Patente auf Tiere und Pflanzen verboten, zumindest, wenn diese konventionell gezüchtet wurden.
Auch herkömmliche Züchtungsverfahren dürfen nicht patentiert werden. Von der Patentierung ausgeschlossen sind Pflanzensorten und Tierrassen sowie biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren. Allerdings dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Tiere, Pflanzen oder Mikroorganismen patentiert werden: Nämlich dann, wenn sie eine Erfindung darstellen – also nicht in der Natur vorgefunden wurden - und wenn diese gewerblich anwendbar ist; und wenn es sich bei der Erfindung um ein mikrobiologisches Verfahren handelt, dessen Anwendung sich nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt.
Verbote von Patenten werden systematisch unterlaufen
Ob eine Pflanze mit einer technischen Erfindung (patentierbar) und durch ein "im Wesentlichen biologisches Verfahren" (nicht patentierbar) gewonnen wurde, ist im Einzelfall nicht leicht zu unterscheiden. Aus diesem Grund können Agrochemie-Konzerne wie Bayer, BASF, Syngenta und Corteva, aber auch traditionelle Züchtungshäuser wie Rijk Zwaan und KWS mit Hilfe ihrer Patentanwälte und des Europäischen Patentamts (EPA) das bestehende Patentierungsverbot immer wieder umgehen.
So werden zum Beispiel in die Patentanmeldungen spezifische Formulierungen eingefügt, die den Einsatz gentechnischer Verfahren suggerieren, obwohl diese Verfahren in den meisten Fällen gar nicht angewandt wurden und für die Entwicklung der gewünschten Pflanzen auch nicht notwendig sind. In anderen Fällen beinhalten die Patentanmeldungen einen Anspruch auf ein Pflanzenmerkmal sowie einen bestimmten natürlich vorkommenden Genotyp.
Es sei nicht möglich, ein Patent für eine einzige Sorte zu erhalten, wohl aber ist es möglich, ein Patent für eine neu entdeckte Eigenschaft zu erhalten, die verschiedenen Sorten angezüchtet werden kann, erklärt François Meienberg, Projektleiter Saatgutpolitik bei ProSpecieRara.
Ein Patent kann nicht nur eine Sorte, sondern unter Umständen tausende Sorten umfassen, welche diese eine Eigenschaft aufweisen. Hinzu kommt, dass manche sogenannten Erfindungen genau genommen nur eine Entdeckung sind, wie zum Beispiel die Mehltauresistenz bei einer wilden Spinatsorte. Diese natürlich vorkommende Resistenz im Erbgut der Pflanze muss nur gefunden und markiert werden.
Zum Beispiel erhielt Syngenta vor Kurzem ein Patent auf alle kommerzialisierbaren Peperoni, die resistent gegen die Weiße Fliege sind. In diesem Fall lag die Resistenz nicht nur in der wilden Sorte, sondern auch in kommerziellen und hybriden Sorten. Das Europäische Patentamt (EPA) hat eine Beschwerde verschiedener NGO gegen ein Peperoni-Patent der Firma Syngenta abgewiesen.
Zwischen 1999 und 2020 wurden fast 4.000 europäische Patente und 2.000 Patente auf Tiere in Europa erteilt. Die meisten davon beziehen sich auf gentechnisch veränderte Pflanzen. Allein Corteva meldete weltweit rund 1.430 Patente an, der Konzern Bayer/Monsanto 119. Beide Firmen schlossen Lizenzabkommen mit denjenigen Instituten ab, welche die neuen Technologien entwickelten und die meisten Grundlagenpatente besitzen. Corteva patentierte zudem als erster Konzern eine Pflanze – in diesem Fall herbizid-resistenter Mais – bei der neben der alten Gentechnik auch CRISPR angewendet wurde.
Von dem Geschäft mit den Patenten profitieren agrochemische Konzerne, Patentanwälte, aber auch das EPA. Verlierer sind die kleineren und mittleren Züchtungsunternehmen, deren Zugang zum Ausgangsmaterial für die Zucht zunehmend erschwert wird.
Ein neues Gesetz in Österreich könnte Vorbild sein
In Österreich wurde im März eine Patentrechtsnovelle beschlossen, um diesbezüglich Abhilfe zu schaffen: "Patente werden nicht erteilt für Pflanzensorten oder Tierrassen sowie für im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren und die ausschließlich durch solche Verfahren gewonnenen Pflanzen oder Tiere sowie Teile von Pflanzen oder Tieren, die ausschließlich einem im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren entstammen, soweit sie zu Pflanzen oder Tieren regeneriert werden können", heißt es in § 2, Absatz 2 des geänderten österreichischen Patentgesetzes (Stand: 27.09.2023).
Ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren ist im Wesentlichen biologisch, wenn es vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung, Selektion, nicht zielgerichteter Mutagenese oder auf natürlichen, zufälligen Genveränderungen beruht.
Mit der Patentrechtsnovelle sollen die bestehenden Lücken bei Patenten auf Leben geschlossen werden: Es darf ausdrücklich keine Form der konventionellen Pflanzenzüchtung patentiert werden. Das betrifft auch das sonst übliche Verfahren der nicht zielgerichteten Mutagenese: Dabei wird eine Pflanze einem bestimmten Stress ausgesetzt, etwa mit intensiver UV-Bestrahlung. Dadurch entstehen zufällige Mutationen und somit vielfältige Eigenschaften, die mittels Kreuzung und Selektion weiter gezüchtet werden können.
Sortenvielfalt muss für alle zugänglich bleiben
Zwar garantiere der bewährte Sortenschutz, dass Züchter mit dem genetischen Material züchterisch weiterarbeiten können. Der Patentschutz in seiner jetzigen Form ermöglicht das nicht, da eine Sorte, die patentgeschützte Teile enthält, nicht weiter vermarktet werden darf, kritisiert auch Stephanie Franck Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e.V. (BDP).
Somit blockieren Patente den Zugang zur biologischen Vielfalt. Biologisches Material, das in einer solchen Form auch natürlich hätte entstehen können, dürfe nicht patentiert werden, unabhängig davon, auf welche Art es hergestellt wurde.
Auch das Bündnis "No Patents on Seeds!" fordert ein striktes Verbot für Patente auf Züchtungsprozesse, einschließlich Kreuzung oder Selektion sowie auf die Nutzung natürlich vorkommender oder zufällig erzeugter genetischer Variationen. Die globale Ernährungssouveränität dürfe nicht über exklusive Eigentumsansprüche kontrolliert und behindert werden. Die Organisation appelliert an das Europäische Patentamt sowie Regierungen, endlich wirksame Maßnahmen zu treffen.
Das EPA solle das eigene Jubiläum - es wurde vor 50 Jahren gegründet - zum Anlass nehmen und ein klares Signal setzen, dass die Patentierung von Saatgut stoppt. Darüber hinaus sollen die nationalen Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten des EPA mit der korrekten Auslegung der Patentgesetze verabschiedet werden.