Legal, illegal, scheißegal

Bald legal? Marihuana. Bild: Pixabay

Warum die geplante Teil-Legalisierung von Cannabis ihr Ziel verfehlen wird

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte "kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" soll "die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindern und den Jugendschutz gewährleisten". Durch den Gesetzentwurf ist hauptsächlich die übliche Debatte über das Für und Wider der Freigabe von Cannabis wieder aufgeflammt.

Die Pläne der Regierung werden von Befürwortern in Anerkennung der Tatsache, dass der Konsum ohnehin stattfindet, als Schritt in die richtige Richtung begrüßt – nämlich der Entkriminalisierung von Cannabis. Aber ist die geplante Teil-Legalisierung praktikabel?

Wie die Teil-Legalisierung den Schutz der Jugend besser gewährleisten soll als bislang, erschließt sich nicht. Gerade die Gruppe der Heranwachsenden ist statistisch diejenige, die besonders gern kifft.

Als erwachsen gilt in der Bundesrepublik, wer mindestens 21 Jahre alt ist. Wie soll der Jugendschutz gewährleistet werden, wenn Jugendliche und Heranwachsende ab 18 ausgeschlossen werden vom lizenzierten und auf Reinheit geprüften Cannabis?

Hier müsste man sich schon entscheiden, ob man grundsätzlich entweder den Schutz von Konsumenten vor verunreinigten Substanzen in den Vordergrund stellt – dann kann es nur im Sinne des Jugendschutzes sein, junge Menschen nicht als einzige Nutzergruppe davon auszuschließen. Oder man nimmt, wie gehabt, weiterhin den Schutz vor Konsum in den Fokus.

Bliebe man bei der anvisierten ersten Variante, gälte es zu bedenken, dass nicht zuletzt polizeiliche Strafverfolgung bislang eine tragende Säule der Prävention ist: Die zwei Effekte der Kriminalisierung von Betäubungsmitteln sind einerseits Abschreckung durch Strafandrohung und andererseits der Preis; erst durch die Strafverfolgung wird der Preis für Betäubungsmittel künstlich hochgetrieben.

Straßenpreis wird immer niedriger sein

Die Koalitionspartner versprechen sich durch die kontrollierte Abgabe vorwiegend Steuereinnahmen in Höhe von rund 3,3 Milliarden Euro sowie Einsparungen bei der Strafverfolgung (rund 1,4 Milliarden Euro).

Dass die erwarteten, zusätzlichen 4,7 Milliarden Euro tatsächlich in die Staatskasse spülen, um dann in Präventionsmaßnahmen zu fließen, setzt jedoch voraus, dass künftig kein Schwarzmarkt für Cannabis mehr existiert. Das ist aus mehreren Gründen eher unwahrscheinlich.

Die Hoffnung, dass in der Polizei fortan Ressourcen für wichtigere Aufgaben der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung freigesetzt werden können, könnte sich als realitätsfern herausstellen.

Denn neben der Rauchergruppe unter 21 Jahren wird Cannabis weiterhin in Clubs oder jedenfalls in sozialen Zirkeln, die zu Genusszwecken zusammenfinden, und auch im Umfeld des Nachtlebens erworben werden.

Für Konsumenten, die auch noch andere illegale Substanzen erwerben, gibt es praktisch keinen stichhaltigen Grund, Cannabis nicht mehr in Verbindung mit anderen Betäubungsmitteln zu kaufen.

Ein zweiter Punkt ist der Vertrieb zum Endkunden: Wie viele lizenzierte Abgabestellen müsste es geben, damit das Geschäft des "Dorf- oder Kiezdealers" austrocknet? Schätzungsweise muss jeder Landbewohner maximal die nächste Kleinstadt oder das Nachbardorf ansteuern, um Cannabis zu erwerben.

Städter haben es noch viel bequemer: Weiter als einen Kilometer muss sich hier niemand bewegen. Zudem ist der Drogenkauf meist auch eine sozial gebundene Transaktion: Ausgetauscht werden neben Substanz und Geld oft auch Neuigkeiten und Klatsch.

Drittens wird der Straßenpreis immer mit dem Ladenpreis mithalten können oder diesen sogar unterbieten können: Die Kosten für legale Produktion und Vertrieb sind zwar niedriger, weil, wie bereits erwähnt, die Kriminalisierung der stärkste Preistreiber ist. Dagegen fallen in der informellen Ökonomie keine Steuern, Ladenmieten und Personalkosten an.

Polizei wird durch Teil-Legalisierung von Cannabis nicht entlastet

Attraktiv ist das von der Regierung geplante Angebot hauptsächlich für arrivierte Mittvierziger, die keine Lust auf Drogenszene haben, die ein paar Euro Preisunterschied nicht stören und die anstelle des Weinladens vor dem Feierabend die Apotheke für den geprüft-moderaten Rausch ansteuern.

Das Fortbestehen eines informellen Marktes dürfte die Aussicht auf steuerpflichtige Einnahmen zumindest etwas dämpfen.

Die schwerwiegendere Fehleinschätzung scheint jedoch die Einsparung in der Strafverfolgung zu sein – die Einsparungen bei den Strafverfolgungsbehörden werden sich exakt auf null belaufen: Illegaler Handel mit Cannabis entspricht bislang etwa zehn Prozent aller Drogendelikte. Für die Polizei wird die Arbeit mit diesem Gesetzentwurf nicht weniger und nicht leichter.

Sowohl der Anbau wie auch der Straßenhandel und der Handel beim Dealer des Vertrauens stellen weiterhin Straftatbestände dar, weshalb der Strafverfolgungszwang für Beamte fortbesteht.

In der Praxis wird das Gegenteil eintreten, denn Strafverfolgung wird eher komplizierter: Die zu erwartenden Diskussionen, die Betäubungsmittel-Fahndern mit ihren Adressaten zu führen haben, dürften bizarr werden, wenn jedes Mal geklärt werden muss, ob das gefundene Cannabis von lizenzierter Stelle oder illegal erworben wurde.

Muss der Kaufbeleg vorgezeigt werden können, bis der letzte Krümel geraucht wurde? Auch weil sehr regelmäßiger Konsum von Cannabis zumindest im Ruf steht, etwas schusselig zu machen, scheint eine solche Bedingung nicht besonders praktikabel zu sein.

Überdies ist bei der Strafverfolgung gewerbsmäßigen Handels das erworbene und beim Käufer gefundene Betäubungsmittel für die Polizei (fast) der einzige Beweis für die mutmaßlich verübte Straftat. Denn die Erlaubnis zum Besitz gibt es im Gesetz nicht.

Zwar lässt die Justiz in den meisten Bundesländern Strafanzeigen wegen des Besitzes kleiner Rauschgiftmengen fallen, weil es sich um Bagatelldelikte handelt. An der Strafbarkeit des Besitzes rüttelt die geplante Gesetzesänderung nicht.

Ein letzter Kritikpunkt an der geplanten kontrollierten Abgabe ist der Umstand, dass es kaum Stirnrunzeln zu verursachen scheint, wenn sich wenige börsennotierte Großproduzenten in spe die Hände reiben, während schon der Anbau einer einzelnen Pflanze im eigenen Garten weiterhin strafbar bleibt. Immerhin: Wo bislang roher Kapitalismus waltet, wird ein reguliertes Oligopol geschaffen.

Letztlich müsste eine progressive Politik in dieser Frage aufhören, halbe Sachen zu machen und Cannabis einfach legalisieren. Oder es sein lassen.