Lernen von Josef Schumpeter

Seite 4: Die perfekte Mega-Maschine

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Schumpeter hat zwei Bedingungen genannt, die erfüllt sein müssen, bevor ein Übergang in eine nichtkapitalistische Wirtschaft möglich werden kann: 1. Sättigung, und 2. "Vollkommenheit" der Produktionsmethoden.

Schumpeter war sich der Tatsache bewusst, dass diese Sättigung ein "bewegliches Ziel" darstellt, weil immer wieder neue Bedürfnisse entstehen und geschaffen werden. Dennoch glaubte er, dass es sich hier um einen "dominierenden Zug" des Bildes der wirtschaftlichen Entwicklung handle, der deutlich Schlussfolgerungen stützt, nämlich eben den, dass dieses immerwährende Hervorrufen neuer Bedürfnisse den immerwährend neu geschaffenen Produktionsmöglichkeiten immer weiter hinterherhinkt, und irgendwann ein Zustand erreicht wird, den man mit Sättigung de facto gleichsetzen muss, auch wenn nirgendwo eine rote Ampel aufgeleuchtet ist, auf der steht: Sättigung eingetreten. Die nur durch exzessive private und staatliche Verschuldung zu kompensierende weltweite Kapitalschwemme und der dem entsprechende Null- bis Minuszins sind vielleicht das markanteste äußere Merkmal dafür.

Nun zu den "vollkommenen Produktionsmethoden". Dies konnte zu Schumpeters Zeiten nur bedeuten: höchste Produktivität und höchste Effizienz. Aber spätestens seit Eintreten der wirtschaftlichen Entwicklung in diese Phase der zurückhaltenden Nachfrage, der eingebrochenen Massenmärkte und der Entstehung der Käufermärkte mit hoch volatilem und "hedonistischem" Kaufverhalten verlangen die Hersteller nicht nur hoch produktive, sondern ebenso hoch flexible, also schnellstens auf neue Produkte umzustellende Produktionsanlagen.

Ein Ideal in diesem Sinne ist etwa die sehr hoch automatisierte Automobilproduktion des amerikanischen Automobilherstellers Tesla: diese Fabrik sei in der Lage, außer Autos so gut wie alles herzustellen, schrieb über sie Chris Anderson in seinem Buch "Makers", denn die ganze riesige Fabrik mit ihren Heerscharen an Kuka-Robotern lasse sich so flexibel programmieren wie eine kleine CNC-Maschine. Und tatsächlich folgt die gesamte Industrieproduktion bereits seit Jahrzehnten diesem neuen Leitbild der hochproduktiven und gleichzeitig hochflexiblen und möglichst universalen Fabrik. In Deutschland wurde dieses Leitbild "Industrie 4.0" getauft.

Die perfekte Megamaschine in diesem Sinne ist also eine, die beliebige Dinge herstellen kann und dazu nichts weiter benötigt als Rohstoffe, Energie und Daten. Das heißt: Die eigentlichen Produkte bestehen dann aus einem digitalen Datensatz (einem "digitalen Zwilling"), der das Produkt sichtbar macht, und gleichzeitig die physische Produktion steuert, wenn die Produktion denn tatsächlich erfolgen soll.

Wenn eine solche Perfektion allerdings erreicht ist, werden ganz andere Abläufe von Produktionsplanung möglich. Dann kann die Produktion etwa so organisiert sein, wie dies in dem patentierten Entwurf einer Textilfabrik von Amazon vorgesehen ist: Der Kunde wählt sein Produkt online im Internet, kann es ggfls. seinen Wünschen und Bedürfnissen anpassen und "editieren", und erst dann, wenn er das Produkt gekauft hat, startet die Produktion.

Eine Fabrik auf diesem technischen Level ist gewissermaßen eine Universalfabrik, und ihr Produkt ist nicht das fertige, konsumierbare Gut, sondern die homogene, abstrakte und erst vom Kunden zu einem fertigen Konsumgut zu instanziierende Produktionsleistung.

Und eine solche Fabrik kann nach Erreichen eines hinreichenden Reifegrades durchaus ohne "ernstliche Einbuße an Leistungsfähigkeit" in öffentlicher Trägerschaft betrieben werden. Eine solche hochautomatisierte Fabrik arbeitet weitgehend faktorunspezifisch und benötigt kaum faktorspezifisches bzw. produktspezifisches Knowhow, sondern nur faktorunspezifisches, rein auf die Produktion bezogenes Knowhow. Produktspezifisches Knowhow wird nur für die Herstellung der "Designs", der Datenmodelle der Produkte benötigt, das darum weiter privatwirtschaftlich organisiert sein sollte.

Wohl erst dann, wenn auch die Produktion des privaten Endkonsums der Massen zu signifikanten Anteilen in öffentlicher Trägerschaft durchgeführt wird, kann eine neue Phase der wirtschaftlichen Entwicklung eingeläutet werden. Insofern spricht vieles für die Annahme der Richtigkeit der Marxschen These, wonach es die Arbeitsmittel zur Produktion des gesellschaftlichen Reichtums sind, die die Epochen bestimmen.

Diese hochtechnisierten Universalfabriken stellen den Gipfel der heutigen technischen Möglichkeiten dar; derartiges hat es in der Geschichte der Menschheit niemals vorher gegeben. Wozu anders sollte dies gut sein, als eine neue Phase der menschlichen Kulturgeschichte einzuläuten?

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