Let's play Curveball

Was eine deutsche Geheimdienstinformation über die Bereitung des Angriffskrieges gegen den Irak offenbart

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Es war der 26. August 2002. US-Vizepräsident Richard Cheney sprach in Nashville zu Soldaten, die aus Liebe zu ihrem Land in zahlreiche amerikanische Kriege gezogen waren. Cheney wusste zu diesem Zeitpunkt: Es wird einen neuen Krieg geben. "Simpel ausgedrückt," beschwor Cheney die begeisterten Veteranen, "es gibt keinen Zweifel, dass [der irakische Staatschef] Saddam Hussein nun Massenvernichtungswaffen besitzt. Es gibt keinen Zweifel, dass er sie anhäuft, um sie gegen unsere Freunde, gegen unsere Alliierten und gegen uns einzusetzen." Cheney hatte gelogen. Es gab diese Waffen nicht. Um die getroffene Kriegsentscheidung im Nachhinein zu rechtfertigen, wurden von Auslandsgeheimdienst CIA und Pentagon Berichte gefälscht und Desinformationen gestreut.

Eine zentrale Rolle spielte dabei der Irakische Nationalkongress. Diese Exilorganisation hatte seit 1992 im amerikanischen Ausland Informationen verbreitet, die dem Regimewechsel im Irak dienen sollten. Über den deutschen Bundesnachrichtendienst fand vor dem Irakkrieg auch die Desinformation, das Regime sei im Besitz von mobilen Labors zur Herstellung biologischer Kampfstoffe, Eingang in die amerikanischen Geheimdienstordner. Anhand öffentlich verfügbarer Informationen wird rekonstruiert, wie und von wem diese Information bearbeitet oder manipuliert worden ist. Dabei offenbart sich nicht nur die Rolle Deutschlands bei der propagandistischen Bereitung eines Angriffskrieges. Es zeigt sich, dass die USA den Boden dazu bereits seit Anfang der 90er Jahre bereitet haben.

Der Krieg, der den Irak von einem unterdrückten und gepeinigten in ein besetztes und terrorisiertes Land verwandelt hat, basiert auf Lügen der US-Regierung. Anfang 2002 wurde im Pentagon vom stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz und dem Unterstaatssekretär für Verteidigung Douglas Feith ein Büro eingerichtet, das dafür sorgen sollte, die längst getroffene Kriegsentscheidung mit Geheimdienstinformationen zu untermauern und diese dem Weißen Haus bevorzugt zukommen zu lassen. Leiter dieses "Office of Special Plans" (OSP) war der stellvertretende Unterstaatssekretär für Verteidigung William Luti, vormals enger Mitarbeiter von Vizepräsident Richard Cheney. So malten Cheney, Präsident George W. Bush und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice ab 2002 auch das Szenario an die Wand, dass amerikanische Städte in Atompilzen verglühen könnten, sollte Saddam Hussein nicht gestoppt werden.

Zusätzlich zum OSP richtete Unterstaatssekretär Feith die "Policy Counterterrorism Evaluation Group" (PCTEG) ein. Details zur PCTEG sind in einem Anhang des Irak-Berichts des Geheimdienstausschusses des US-Senats veröffentlicht worden. Mit erfundenen - in der Sprache des Senators John Rockefeller, IV: möglicherweise "rechtswidrig" beschafften - Informationen ist das Weiße Haus über eine fiktive Verbindung zwischen al-Qaida und dem Regime Saddam Husseins informiert worden. Auch für diese "Intelligence" hatte die Regierung eine Verwendung: In Reden wurden al-Qaida und der Irak im selben Atemzug genannt, mit dem Ergebnis, dass Mitte 2003 70 Prozent der Amerikaner glaubten, Saddam Hussein habe bewiesenermaßen mit den Anschlägen vom 11. September 2001 zu tun. Weder der Geheimdienstausschuss noch die 9/11-Untersuchungskommission konnte eine solche Verbindung entdecken.

Die Massenvernichtungswaffen, die es nicht gab

Nicht entdecken konnten UN-Waffeninspektoren, die seit November 2002 wieder im Land waren, auch gefährliche Massenvernichtungswaffen im Irak. Am 28. Januar 2004 urteilte auch der US-Waffeninspekteur David Kay, der mit seinem Team nach Ende der großen Kampfhandlungen den Irak durchsucht hatte:

Viele Regierungen, die sich entschieden hatten, den Krieg nicht zu unterstützen - gewiss der französische Präsident [Jacques] Chirac, wenn ich mich an April [2003] erinnere - bezogen sich auf den Besitz des Iraks von Massenvernichtungswaffen. Gewiss dachten auch die Deutschen - der Geheimdienst -, dass es dort Massenvernichtungswaffen gäbe. Nun stellt sich heraus, dass wir alle falsch lagen, meinem Urteil nach, und das ist höchst beunruhigend.

Von allen Geheimdienstfehlern sei die Behauptung, der Irak sei im Besitz von mobilen Labors zur Herstellung von biologischen Kampfstoffen, "besonders beunruhigend", sagte Kay der Los Angeles Times, da sich die Hauptquelle der Behauptung als "ausgemachter Lügner" erwiesen hätte.

Rückblick: Als US-Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 den UN-Sicherheitsrat von der Notwendigkeit eines Irak-Kriegs zu überzeugen suchte, sagte er unter anderem:

Eines der Besorgnis erregendsten Dinge, die wir in unserem dicken Ordner über Iraks Biowaffenprogramm haben, ist die Existenz mobiler Einrichtungen zur Herstellung biologischer Kampfstoffe.

Den CIA-Chef im Rücken: US-Außenminister Colin Powell bei seinem Schuldspruch vor dem UN-Sicherheitsrat

Powell nannte einen irakischen Überläufer und drei weitere Iraker "in wissender Position" als Quelle. Hinter sich hatte er nicht nur den CIA-Direktor George Tenet sitzen, sondern wusste er auch die "National Intelligence Estimate" (NIE) vom Oktober 2002. Dieser CIA-Bericht wird bis heute weitgehend geheimgehalten. Darin steht:

Bagdad hat mobile Einrichtungen zur Herstellung bakteriologischer und toxischer Kampfstoffe.

Im Juli schloss der Geheimdienstausschuss des US-Senats, dass die meisten Aussagen Powells und der NIE nicht haltbar seien. Trotz allem, was über das OSP und die PCTEG mittlerweile bekannt ist, beschuldigt der Ausschuss nicht die Regierung sondern die Dienste der falschen Behauptungen. Die Geheimdienste hätten den Politikern die "Ungewissheit der Schlussfolgerungen" nicht klar genug erläutert. Wie genau die Behauptung, der Irak besitze mobile Biowaffenlabors, zustande kam, dazu lohnt ein genauerer Blick in den Senatsbericht.

Ein Blick in den Senatsbericht

Nachdem die UNSCOM-Inspektoren 1998 den Irak verlassen hatten, trat ab 2000 eine Quelle auf den Plan, die behauptete, an einem Projekt zum Bau mobiler Biowaffenlabors gearbeitet zu haben. Die Quelle war 1998 nach Deutschland übergelaufen und hatte sich dem deutschen Auslandsgeheimdienst Bundesnachrichtendienst anvertraut. Der BND taufte die Quelle "Curveball" und teilte deren Aussagen den amerikanischen Partnerdiensten mit. So steht in einer amerikanischen Geheimdiensteinschätzung vom Dezember 2000:

Gemäß [geschwärzt; sinngemäß: deutschen] Berichten einer einzelnen Quelle hat der Irak sieben transportable - via Lastwagen und Schienenfahrzeug - Anlagen, von denen manche biologische Kampfstoffe hergestellt haben. Obwohl die Information unbestätigt ist, stimmt sie mit UNSCOM-Hinweisen von Mitte der 1990er überein, dass der Irak ein solches Programm in Erwägung zog.

In der NIE von 2002 war dann die Einschränkung "unbestätigt" verschwunden und die Aussage stand ohne Quelle im Indikativ: "Bagdad hat mobile Einrichtungen".

Wegen Bedenken über des Zutrauen der Geheimdienste zu einer einzelnen Quelle erbat der Geheimdienstausschuss des US-Senats eine Einschätzung von Curveballs Glaubwürdigkeit. Am 17. Dezember 2003 teilte ein Pentagon-Mitarbeiter mit, Curveball sei "weder Biowaffenexperte noch Biowissenschaftler" und hätte "nie behauptet, dass das Projekt, für das er gearbeitet hatte, mit der Herstellung von Biokampfstoffen zu tun hatte."

Da diese Aussage die CIA-Einschätzung vollends in Zweifel gezogen hätte, bat der Ausschuss um Klarstellung. Daraufhin war der Pentagon-Mitarbeiter für Wochen nicht in der Lage zu antworten, teilte aber mit, die Sache sei zur Bearbeitung im Büro von CIA-Direktor Tenet. Am 15. Januar 2004 teilte der Pentagon-Mitarbeiter dann mit, als ehemaliger Projektmanager hätte Curveball sehr wohl Kenntnis "intimer Details des mobilen Biowaffen-Programms." In seiner Hast hätte er Aussagen von Curveball fehlgedeutet.

Frühe Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Hauptquelle

Vor dem Krieg hatte nur ein amerikanischer Geheimdienstmitarbeiter direkten Zugang zu Curveball. Auch das war eine Ausnahme, weil selbst Partnerdienste sich gegenseitig keine Kontakte zu ihren Quellen ermöglichen. Dieser Pentagon-Mitarbeiter hatte laut Senatsbericht anderen Analysten gegenüber Bedenken über Curveballs Verlässlichkeit geäußert. Der vermeintliche Überläufer sei zu einem Treffen mit einem schrecklichen Kater erschienen, er sei vielleicht Alkoholiker. Außerdem hätte der BND mitgeteilt, es sei unklar "ob Curveball derjenige ist, der er zu sein behauptet." Dem Geheimdienstausschuss sagte der Pentagon-Mitarbeiter:

Ich wurde zunehmend frustriert, und als ich gebeten wurde, Colin Powells Redeentwurf zu begutachten, dachte ich, mein Gott, ich muss meine Bedenken äußern.

Erst einen Tag vor Powells Präsentation im UN-Sicherheitsrat teilte er mit, dass weitere Untersuchungen nötig seien, bevor Curveballs Aussagen für Schlussfolgerungen über die Existenz irakischer Biowaffen herangezogen werden könnten. Es ist aber auch fraglich, ob eine rechtzeitigere E-Mail etwas bewirkt hätte, da die "ganze Sache" längst "ein Eigenleben" entwickelt hatte.

Von den drei weiteren Quellen, auf die sich Powell bezogen hatte, ist nur über eine etwas in Erfahrung zu bringen. Der Senatsbericht ist hier zum Teil vollständig geschwärzt. Quelle Nummer 2, ein "irakischer Überläufer mit Verbindungen zum Irakischen Nationalkongress" (INC), war jedoch bereits im Frühjahr 2002 von CIA- und Pentagon-Analysten als unzuverlässig eingestuft worden. Die Person sei offenbar vom INC auf Desinformation trainiert worden. Der Irakische Nationalkongress hatte seit 1992 mit allen Mitteln versucht, den Sturz Saddam Husseins herbeizuführen.

Nur das zugeben, was bereits öffentlich ist: Zensierte Seiten des Senatsberichts zu Powells vier Quellen

Mittlerweile gilt als unstrittig, dass auch Curveball mit dem INC liiert ist. Er ist der Bruder eines engen Mitarbeiters von INC-Präsident Ahmed Chalabi und sollte offenbar dem Regimewechsel dienen. Chalabi bestreitet dies. Als UN-Waffeninspektoren im November 2002 Curveballs Angaben über Biowaffenstandorte überprüften, fanden sie "nichts". Als Kays Team im Irak die Spur des Informanten aufnahm, fanden sie keine mobilen Waffenlabors sondern heraus, dass Curveball vor Verlassen des Landes gefeuert worden war und wegen Veruntreuung im Gefängnis gesessen hatte. Tatsächlich gefundene Labors waren ungeeignet für die Herstellung von Kampfstoffen.

Was wussten die Geheimdienste?

Die Tatsache, dass Curveball eine deutsche Geheimdienstquelle ist, führte im Frühjahr zu einem ungewöhnlichen öffentlichen Wortwechsel zwischen CIA und BND. Die Los Angeles Times zitierte den ehemaligen stellvertretenden CIA-Direktor Richard Kerr, die USA hätten von der Glaubwürdigkeit Curveballs überzeugt sein müssen, weil die Berichte aus Deutschland so "detailliert und spezifisch" gewesen seien. Ein anonymer CIA-Angehöriger sagte, der BND habe erst nach Powells Rede vor dem UN-Sicherheitsrat über Glaubwürdigkeitsprobleme ihrer Quelle informiert.

Auf Anfrage, ob und wann die deutsche Seite über Glaubwürdigkeitsprobleme informiert hatte und seit wann man wusste, dass Curveball dem INC nahe steht, antwortete eine BND-Sprecherin, zu Quellen würde generell keine Auskunft erteilt. Der Wochenzeitung Die Zeit hatten "ranghohe Sicherheitskräfte" hingegen bereits im März mitgeteilt, man habe die Amerikaner schon lange vor Powells Rede am 5. Februar 2003 über angebrachte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Berichte hingewiesen. Dass Curveball zur Chalabi-Fraktion gehört, habe man in Deutschland erst im Herbst 2003 von der CIA erfahren. Zu dieser Zeit berichtete Die Zeit erstmals über die Zweifel des BND an der Quelle. Auch wenn der oben bereits zitierte Pentagon-Mitarbeiter bestätigt, dass der BND schon vor Powells Rede Zweifel an der Identität Curveballs geäußert hatte, wird er im Senatsbericht zitiert:

Das ist nur meine Meinung und ich habe auch nichts sonst, worauf ich das begründen könnte, aber mir erschien es offensichtlich, dass [geschwärzt; sinngemäß: Curveballs Kontaktmann beim BND], ohne es besser ausdrücken zu können, sich in seine Quelle verliebt hatte und seine Quelle einfach nicht falsch liegen könnte. Ich meine, die Geschichte war 100 Prozent korrekt was [geschwärzt] anging.

Propaganda für den Regimewechsel

Die Gründung des Irakischen Nationalkongresses im Juni 1992 war laut Jane Mayers Artikel im New Yorker Teil der CIA-Bemühungen, den ehemaligen Verbündeten Saddam Husseins zu entthronen. Der INC wurde als Ersatzregime gegründet, nachdem Operation Desert Storm 1991 aus Mangel eines solchen vor den Toren von Bagdad endete. Ahmed Chalabi, Sohn eines (Einfluss) reichen schiitischen Geschäftmanns und Exilant seit dem Sturz der Monarchie von 1958, wurde bis 1993 mit Unterstützung der CIA zum Anführer des INC. Chalabi konnte eine neue Aufgabe gut brauchen: Ein jordanisches Gericht hatte ihn am 9. April 1992 u.a. wegen Veruntreuung, Diebstahl und Fälschung im Rahmen eines Bankbetrugs verurteilt.

Durchgeführt wurde die CIA-gesponserte 100 Millionen-Dollar-Operation in London von der PR-Firma Rendon Group. Die Asia Times schreibt über diese Zeit:

Rendon managte jede Bewegung des INC, bestätigt ein INC-Sprecher, bestimmte sogar den Namen, koordinierte die jährlichen Strategiekonferenzen und orchestrierte Treffen mit diplomatischen Schwergewichten wie James Baker und Brent Scowcroft.

Von Anfang an war es Aufgabe des INC, Anti-Saddam-Nachrichtenbeiträge zu generieren. Dazu versorgte der INC anfangs britische, später andere ausländische Journalisten mit exklusiven Informationen. Deren Artikel wurden von der US-Presse aufgegriffen. Der Auslandsgeheimdienst CIA betrieb auf diesem Weg Propaganda im Inland. Weil die Informationen des INC aber "totaler Müll" waren, wie der ehemalige CIA-Agent im Irak Robert Baer sie gegenüber dem New Yorker bezeichnete, aber auch, weil Chalabi mit CIA-Geldern aufgebaute Kurdische Milizen gegen Saddam Husseins Armee verheizte, verscherzte es sich der INC bis 1996 mit der "Firma".

Dies war der Beginn der strategischen Freundschaft zwischen dem INC auf der einen Seite und den Neokonservativen auf der anderen. Cheney, Wolfowitz, Feith, Luti, et al. waren frustriert über Präsident Bill Clintons Unwillen, im Irak den "regime change" herbeizuführen. Gemeinsam gelang ihnen ein Coup: Am 7. Oktober 1998 verabschiedete der US-Kongress den Iraq Liberation Act, der eine "demokratische Verwandlung des Irak" zur Regierungspolitik machte. Zeitgleich wurde ein Gesetz verabschiedet, dass das Weiße Haus den INC mit 97 Millionen Dollar unterstützen sollte. Doch unter Clinton wollte das Geld nicht so richtig fließen.

Die neuen Freunde des INC

Als die Neokonservativen die Macht übernahmen, änderte sich dieses schlagartig. Ab 2000 zahlte das Pentagon für Chalabis "Intelligence". Im Februar 2001 rief der stellvertretende Verteidigungsminister Wolfowitz bei einem Gehilfen Chalabis an und versprach, dass Saddam Hussein diesmal beseitigt würde, berichtet der New Yorker. Neun Tage nach den Anschlägen vom 11. September 2001 trug Chalabi beim "Defense Policy Board" (DPB), dem einflussreichen Stab von Pentagon-Berater Richard Perle, vor. (Perle und Feith hatten bereits 1996 für den damaligen israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu ein Strategiepapier geschrieben und darin ein Szenario für einen irakischen Regimewechsel entworfen.)

Chalabi und seine Leute wurden fortan in sämtlichen Plänen des "Office of Special Plans" für eine neue irakische Regierung berücksichtigt. Der INC bekam den Auftrag, die Gefahr Saddam Husseins herauszuarbeiten. Propaganda lief jetzt nicht mehr betont über ausländische Medien. Im Dezember 2001 etwa schaffte es eine "arrangierte" Information direkt auf Seite 1 der New York Times. (Der Chefkorrespondent der Times, Patrick Tyler, stellte zwei Monate vor Kriegsbeginn Chalabis Nichte als Büroleiterin in Kuwait ein.) Auch bei der Washington Post sitzt ein Freund Chalabis: Eine INC-Geschichte des Kolumnisten Jim Hoagland gab der Bush-Regierung im Oktober 2001 das Stichwort, nach einer Irak-9/11-Verbindung zu suchen. Insgesamt platzierte der INC zwischen Oktober 2001 und Mai 2002 108 Geschichten in englischsprachigen Medien.

Die Neocons nahmen alles, was Chalabi lieferte, begierig auf. Dabei "verdrehte er die Informationen so sehr und malte ein so rosiges und unrealistisches Bild," sagte General Anthony Zinni dem New Yorker, "dass sie glaubten, es würde leicht werden." (Nach Erreichen des Regimewechsels sind Chalabi und der INC von der US-Regierung fallen gelassen worden. Am 20. Mai 2004 ist Chalabis Haus mit Kenntnis des Weißen Hauses bei der Suche nach Betrügern und Entführern durchsucht worden. Am 8. August hat ein irakischer Richter Chalabi der Banknotenfälschung und seinen Neffen des Mordes angeklagt - Schwarze Stunde für eine "irakische Patriotenfamilie".) Ex-CIA-Agent Baer sagte:

Chalabi hat die USA betrogen, weil die USA betrogen werden wollten.

Wusste der BND, dass er benutzt wird?

Und hier schließt sich der Kreis: Anfang 1998 hatte Chalabi den UN-Waffeninspekteur Scott Ritter getroffen. Chalabi fragt: "Was brauchen Sie?" Ritter machte den Fehler zu sagen, was die Inspekteure alles nicht über das irakische Waffenprogramm wussten. Er erzählte von dem Verdacht, der Irak könnte seine Chemie- und Biowaffen-Produktion auf mobile Labors verlagert haben. Monate später tauchte Curveball in Deutschland auf. Ritter ist sich sicher, dass Chalabi "eine Quelle für die mobilen Labors erfunden hat." Der ehemalige CIA-Analyst Vincent Cannistraro sagte dem New Yorker, die CIA sei mittlerweile davon überzeugt, dass der INC "es arrangiert hat, dass Curveball den Deutschen präsentiert wird." Jim Lobe, langjähriger Beobachter der neokonservativen Umtriebe, teilte seine Einschätzung auf Anfrage mit:

Ich glaube, es gab Bemühungen, eine "Echo-Kammer" unter ausländischen Geheimdiensten zu schaffen, die der US-Presse und/oder US-Geheimdiensten (nicht nur der CIA) den einen oder anderen Überläufer empfehlen würde, damit es so aussieht, als käme die selbe Geschichte von verschiedenen Quellen. I denke, der INC bevorzugte es, "Überläufer" erst ausländischen Diensten vorzustellen, bevor sie den US-Diensten präsentiert wurden.

Die Methode, Informationen über ausländische Umwege ins amerikanische Inland einzuschleusen, um einen pluralischen Eindruck zu erwecken, gälte somit nicht nur für die Medien, sondern auch für die Geheimdienste. Damit verändert sich die Fragestellung. Die Frage lautet nicht mehr: Wusste der BND, dass Curveball zum INC gehört. Die Frage muss lauten: Wusste der BND, dass er für Propagandazwecke benutzt wird?