Libyen: Aussichtslos gegen die "militärische Lösung" Haftars?

Seite 2: Gewirr der Interessen

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Schon der Blick auf dieses Beispiel liefert eine Andeutung, wie verstrickt das Gewirr der Interessen ist, wie immens die Arbeit ist, um einen politischen Ausgleich von derart vielen Mitspielern mit fluiden Loyalitäten zu schaffen.

Italien, das sich lange Zeit mit großem Gewicht aufseiten des GNA-Regierungschefs Sarradsch gestellt hat, hatte erst spät angefangen, Khalifa Haftar stärker zu berücksichtigen. Derzeit versucht Rom mehrere Wege aus der Krise, auch über die Söhne des Feldmarschalls. Ob man in der Sache Haftar zu einem gemeinsamen Ansatz mit Paris findet, ist derzeit noch völlig offen. Zuletzt waren aus Rom harte Töne gegen Macron und Frankreichs Libyenpolitik zu hören.

Frankreich versucht sich mithilfe von Haftar als starken Mann seine Position als dominierende Einflussmacht in Nordafrika und der Sahelzone auszubauen. Der Feldmarschall erhält von Paris politische, militärische, geheimdienstliche und medizinische Unterstützung.

Russlands Führung, eine wichtige Adresse für den russischsprechenden Haftar, betont, dass man mit beiden Seiten, also auch mit der offiziell anerkannten Regierung Sarradsch in Verbindung steht, und durch Gespräche mit GNA-Vertretern eine Lösung sucht. In Moskau legt man Wert darauf, dass es nicht zu einseitigen Aburteilungen der Seite Haftars kommt. Allerdings ist das aufgrund der eigenartigen Allianzen und Interessen auch nur bedingt der Fall. Frankreich sitzt hier im selben Boot wie Russland oder die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien.

Die Unterstützer der GNA müssen sich angesichts der dubiosen Milizen, die in Tripolis die Macht haben - bei den Milizenführern sind auch ausgewiesene Schleuserkönige dabei - etwas einfallen lassen, um politisch überzeugend vermitteln zu können. Wie das aussehen könnte, darauf hat derzeit niemand eine gute Antwort.

Laut Wolfgang Lacher von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik, der viel in Libyen unterwegs ist und dort mit Milizen gesprochen hat, können diese nicht nur durch Gewinnstreben charakterisiert werden (wie dies auch hier häufig geschildert wird), sondern auch durch die Gegnerschaft gegenüber autokratischen Ambitionen.

Algerien: Mit Repression stabil bleiben?

Die Friedenskonferenz sollte übrigens ursprünglich im libyschen Ghadames, an der Grenze zu Algerien, stattfinden. Das Nachbarland durchlebt derweil politisch herausfordernde Zeiten. Die Proteste richten sich nach dem Rücktritt des greisen Bouteflika nun gegen die eingesetzte Übergangsregierung. Sie wird, weil sie keine Vertreter aus den Reihen der großen Opposition einbindet, die sich seit 22. Februar in Massen jeden Freitag auf den Straßen der algerischen Städte versammelt, nicht akzeptiert, sondern als "Regierung der Schande" bezeichnet.

Seit einiger Zeit hat der algerische Militärchef, ein enger Vertrauter des zurückgetretenen Präsidenten, auch die Geheimdienste unter sein Kommando gestellt. Seither gehen die Sicherheitskräfte schärfer gegen Demonstrationen unter der Woche vor wie auch gegen Pressevertreter. Der Kursschwenk auf deutlich mehr Repression zeigte sich auch am vergangenen Freitag. Jetzt gab es die Gewalteinsatz-Bilder, die von den Gelbwesten-Protesten in Frankreich bekannt sind, bei den Demonstrationen in Algerien aber bisher ausgeblieben waren.

Es kommt nun darauf an, wie sich die bisher äußerst diszipliniert friedlichen ablaufenden Proteste weiterentwickeln. Algerien ist das riesige Nachbarland des riesigen Libyens. Niemand dürfte Interesse daran haben, dass die Lage in Algerien eskaliert. Aber wie wird das verhindert? Indem man die Regierung aus den Reihen der bisherigen Macht stärkt, gegen die Millionen protestieren?