Libyen: Erstickungstod von acht Migranten
UN-Sondergesandter: Der gegenwärtige politische Zustand im Land ist unhaltbar
Der Erstickungstod von acht Migranten, sechs Kindern und zwei Erwachsenen, in einem verschlossenen Gefriercontainer bei der libyschen Küstenort Zuwara ist die jüngste Schockmeldung aus einer ganzen Serie von Nachrichten und Bildern im Zusammenhang mit der Migration, die sich in der Öffentlichkeit zu einer Art hysterischem Stresstest von Humanität und Politik entwickelt hat (siehe: Warum nicht über Seenotrettung diskutieren?).
Laut Reuters wurden 90 Personen aus dem Container gerettet, allesamt in einem kritischen Zustand. Offenbar wurden sie von Schleusern in einen Gefriercontainer für den Transport von Fisch und Fleisch gesteckt, um unentdeckt nach Zuwara zu kommen. Zuwara ist ein bekannter Ablegeort für Boote, die in Richtung Europa aufbrechen mit der Aussicht, dass sie entweder von der libyschen Küstenwache aufgegriffen werden oder weiter draußen von Schiffen der EUNAVFOR MED, Handelsschiffen oder anderen dort verkehrenden Schiffen, die von der Seenotrettungsleitzentrale in Rom zur Hilfe geschickt werden oder dass sie im Meer umkommen. Seetauglich sind die Boote nicht.
NGO-Schiffe gibt es momentan nicht vor der libyschen Küste, weswegen nun auch hier und da Stimmen von emotional Hochgereizten zu lesen sind, die nicht länger gegen die "NGO-Taxis", die ausgebootet wurden, wettern, sondern gegen jede Rettungsaktion, in deren Folge Migranten in die EU gebracht werden.
"Sie sollen zurück nach Libyen gebracht werden", lautet der klar vernehmbare Tenor der Mehrheit der Meinungsäußerungen in den Foren. Auffallend ist, dass die Forderung, die damit einhergehen muss - nämlich die Sicherstellung einer völlig anderen, d.h. menschengemäßen, Behandlung und Versorgung der Migranten in Libyen als bisher - in den meisten Fällen ausgelassen wird. Möglicherweise weil dies als Selbstverständlichkeit gesehen wird (um es gelinde zu formulieren, Anm. d.A.). Die Verbesserung der Situation in den libyschen Auffanglagern, die aufgrund der dort herrschenden harten Bedingungen als Haftlager bezeichnet werden, ist bitter nötig.
Derzeit fließt viel Geld von Italien nach Libyen, um Kommunen zu unterstützen, die mit Menschenschmuggel und Schlepperei zu tun oder zu kämpfen haben. Der Plan, den der italienische Botschafter Perrone vorstellt, ist ambitioniert. Die Frage ist, welche Milizen profitieren und was sie daraus machen.
Bis die politische Stabilität in Libyen erreicht wird, von welcher Italiens Botschafter spricht, wird es nach Einschätzung des UN-Sondergesandten Ghassan Salamé noch dauern, obwohl der gegenwärtige Zustand unhaltbar sei, wie er am Montag gegenüber dem UN-Sicherheitsrat feststellte.
Salamé hat sich dafür ausgesprochen, trotz aller Schwierigkeiten doch möglichst bald Wahlen in Libyen abzuhalten, entsprechend sollte Druck vom Sicherheitsrat auf das international anerkannte Repräsentantenhaus in Tobruk ausgeübt werden. Bei einem Treffen in Paris, wo die Gegenspieler Sarradsch und Haftar anwesend waren, machte sich der französische Präsident Macron für einen Wahltermin noch in diesem Jahr stark.
Indessen macht ein Bericht des Wall Street Journals zum Streit über die Kontrolle des libyschen Ölexports klar, wie sehr in Libyen internationale Interessen im Spiel sind. Nach Informationen der Zeitung haben die Vereinigten Arabischen Emirate Feldmarschall Haftar bei seinem Manöver unterstützt, die Kontrolle von der staatlichen Ölgesellschaft (National Oil Company, NOC) in Tripolis zu einer "Filiale" im Osten (NOC East) zu transferieren, mit der die VAE in bester Beziehung stehen. Bekanntlich lässt sich mit Öl wieder gut Geld machen.
Haftar musste in der Sache jedoch auf Druck von anderen Ländern einen Rückzieher machen.