Libyen: Italien schließt Abkommen zur Sicherung der Südgrenze
Mit viel Geld für rivalisierende Stämme und Wirtschaftshilfe soll das Schleusergeschäft mit Migranten eingedämmt werden
Italien hat mit Stammesführern in Libyen ein Abkommen zur Sicherung der Südgrenze getroffen, wie Innenminister Marco Minniti bekannt gab. Demnach wurde mit 60 Stammesführern verhandelt, um Flüchtlingsbewegungen hauptsächlich aus Niger und dem Sudan zu unterbinden. Die 60 Stämme rivalisieren laut Medienberichten untereinander. Italien setzt insbesondere die großen Stämme der Tuareg, die die Grenze mit Algerien kontrollieren und die Tebu (oder auch Tubu), die an der Grenze zum Tschad und zum Sudan eine wichtige Rolle spielen.
Nach Informationen des Libya Herold wurde bereits Ende März in Rom eine Vereinbarung mit Führern der Tebu, der Tuareg und der Awlad Suleiman (von denen Teile angeblich auch mit dem IS in Verbindung gestanden hatten) getroffen, auch hierbei lag der Schwerpunkt auf der Grenzsicherung. Laut der italienischen Vertretung in Libyen soll die Abmachung mit wirtschaftlichen Aufbauhilfen gekoppelt werden.
Auch das Verhältnis der drei großen Stämme, die in Fezzan großen Einfluss haben (siehe Ein, zwei, viele Libyen?), untereinander ist von teilweise kriegerischen Rivalitäten gekennzeichnet, wie aus dem Bericht der libyschen Zeitung hervorgeht. Sie sind von zentraler Bedeutung für die Routen der Schleusernetzwerke, da die Stadt Sebha in Fezzan ein wichtiger Knotenpunkt ist.
So ist die eine Frage, wie viel Italien investiert, um die Stämme, die vom lukrativen Schleuser-und Menschenhandelgeschäft profitieren, für die italienischen und europäischen Interessen einzuspannen und die andere Frage, ob sich die Stämme auch künftig an das Abkommen halten, ohne auszuscheren. Wie der Standard, auf italienische Quellen gestützt, berichtet, waren die Verhandlungen schwierig und das Geschäft "sehr kostspielig". Genaue Zahlen werden nicht genannt.
Hingewiesen wird auf die Forderungen der Stämme nach einer "umfangreiche Unterstützung" in Form von Beschäftigungs- und Infrastrukturprogrammen. Zum Beispiel sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass junge Menschen, in Italien studieren können; "Gebt ihnen Arbeit, und sie werden aufhören zu schleppen. Helft uns, und niemand wird mehr die Grenze überqueren", zitiert die österreichische Zeitung einen Sprecher der Stämme.
"Richtiger Ansatz", schwierige Durchführung
Nach Einschätzung eines Kenners der Schleuser- und Schleppernetzwerke in Libyen, Mark Micallef (siehe Fließband des Menschenhandels und der Migration), ist der Ansatz richtig, weil er sich an wichtige Ansprechpartner wendet. Allerdings sei die Kontrolle der 5.000 Kilometer langen Südgrenze, die durch die Sahara verläuft, "logistisch eine riesige Herausforderung".
Die Regierung ist damit bislang überfordert. Vom Präsidentenrat, der mit Serraj die von der UN vermittelte Regierung stellt, war Abdelsalam Kajman an dem Abkommen mit den Stämmen beteiligt. Kajman gilt als Gegner des Generals Haftar. Das lässt vermuten, dass das Abkommen keinen garantierten Rückhalt in den politischen Machtzentren in Libyen hat. Haftar ist Gegner der Islamisten, die mit den Msulimbrüdern in Verbindung stehen. Kajman gehört dagegen einem Lager an, das in Verbindung mit islamistischen Gruppierungen steht.
Uneinigkeiten gibt es auch unter den Tebu zum Abkommen. Deren Nationalversammlung lehnte das Abkommen mit Italien ab, da die Unterzeichner die Tebu-Gemeinschaft nicht repräsentieren würden. Die Grenzsicherung im Süden Libyens bleibt wegen der volatilen Loyalitäten ein kompliziertes Unterfangen.