Libyen: Verhandlungen in Russland und Deutschland
Fajis as-Sarradsch, Chalifa Haftar und Mevlüt Çavuşoğlu reisten heute nach Moskau, Recep Tayyip Erdoğan wird am Sonntag in Berlin erwartet
Der russische Außenminister Sergej Lawrow und der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu empfangen heute in Moskau die beiden libyschen Machthaberrivalen Fajis as-Sarradsch und Chalifa Haftar sowie den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, den türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar, und Hakan Fidan, den Chef türkischen Geheimdiensts Millî İstihbarat Teşkilâtı (MİT). Zweck des Treffens ist es Çavuşoğlu zufolge, "Frieden und Stabilität in Libyen zu sichern".
Dort gilt seit der Nacht von Samstag auf Sonntag ein Waffenstillstand, den der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan bei der Eröffnung der Gaspipeline Turkish Stream am letzten Mittwoch ausriefen. Sowohl as-Sarradsch als auch Haftar hatten sich nach anfänglichem Zögern mit dem Waffenstillstand einverstanden erklärt, sich aber gegenseitig Brüche der Vereinbarung vorgeworfen. Trotz dieser (angeblichen oder tatsächlichen) Brüche, so betonten beide, wollten sie sich aber weiter daran halten.
Unterstützerfront zieht sich durch die arabische Halbinsel und die EU
Erdoğan unterstützt im libyschen Bürgerkrieg den auch vom Emirat Katar und der italienischen Staatsführung präferierten moslembrudernahen Fajis as-Sarradsch (der vor seiner Reise nach Moskau einen Zwischenhalt im Palast des türkischen Präsidenten einlegte), während Putin offiziell neutral ist und betont, dass russische Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen in Libyen nicht im Auftrag der russischen Staatsführung unterwegs seien. Inoffiziell sehen Beobachter Russland aber eher an der Seite Haftars.
Ähnliches gilt für die französische Staatsführung, die offiziell ebenfalls eine "Verständigungslösung" anstrebt (vgl. Steckt Macron hinter Chalifa Haftars Marsch auf Tripolis?). Ganz offen an der Seite Haftars stehen dagegen Libyens bevölkerungsreicher Nachbar Ägypten (dessen Staatsführung in ihm den stabilsten Abwehrschild gegen die Moslembrüder und andere Islamisten sieht) und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Merkel will vermitteln
Putin telefonierte den Kreml-Angaben nach gestern mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte zum Thema Libyen. Dabei sollen die beiden Politiker ihr Einverständnis mit dem Waffenstillstand erklärt haben. Außerdem befürworten sie einen Libyen-Gipfel in Berlin, den die deutsche Bundeskanzlerin dort 135 Jahre nach Otto von Bismarcks "Berliner Konferenz" zur Aufteilung Afrikas plant. Meldungen von TRT und CNN Türk zufolge wird der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan deshalb am Sonntag den 19. Januar nach Deutschland fliegen.
Der Bürgerkrieg, der in Libyen herrscht, dauert dort seit der analen Pfählung des langjährigen Staatschefs Muammar al-Gaddafi vor neun Jahren an. Seit 2014 sind seine Hauptakteure vor allem Fajis as-Sarradsch und Chalifa Haftar. Beide untermauern ihre Ansprüche auf die Macht in ganz Libyen unterschiedlich: As-Sarradsch macht geltend, in einem Abkommen von 2015 zum nicht gewählten Übergangsregierungschef erkoren worden zu sein. Allerdings erkannte ihn das gewählte Parlament in Bengasi nicht als solchen an, sondern verbündete sich stattdessen mit Haftar. Letzter beherrscht inzwischen den weitaus größten Teil des ölreichen Wüstenlandes, aber nicht die Hauptstadt Tripolis, die er seit 2017 vergeblich zu erobern versucht.
Auch die anderen dichter besiedelten Gebiete, die Haftar nicht kontrolliert, liegen im Landesteil Tripolitanien (vgl. Ein, zwei, viele Libyen?). Im Süden des Landes haben sich darüber hinaus die Tubu einen eigenen Herrschaftsraum erobert. Sie sind keine Araber, sondern sprechen eine nilosaharanische Sprache. Der Großteil dieses Zwei-Millionen-Volks lebt mit etwa eineinhalb Millionen im Nachbarland Tschad, wo es mit Hissène Habré teilweise den Staatschef stellte. Ihm war es in den 1980er Jahren gelungen, mit Stammeskriegern auf Toyota Technicals überraschend Muammar al-Gaddafi zu besiegen, der mit Panzern und seiner ölfinanzierten Luftwaffe in das Nachbarland eingefallen war (vgl. Die Eskalation).
Eine weitere Waffenruhe, die Putin und Erdoğan vereinbarten, soll für das syrische Dschihadistenrückzugsgebiet Idlib gelten. Für diese Provinz hatten die russische und die türkische Staatsführung bereits im September 2018 eine Waffenruhe vereinbart, die jedoch immer wieder gebrochen wurde. Das soll den Behauptungen von "Aktivisten" wie den "Weißhelmen" nach auch für die neue Waffenruhe gelten, lässt sich jedoch nicht überprüfen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.