Die Eskalation

Darfur - Ethnographie und Geschichte eines Konflikts Teil IV

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Im neuen Jahrtausend verschärften sich die Auseinandersetzungen in Darfur weiter. Ende 2002 gab es im vorwiegend von Fur besiedelten Dschebel Marra Bergland erstmals Gerüchte über eine bewaffnete Rebellengruppe, die Darfur Liberation Front (DLF). Anfang 2003 griff diese Gruppe dann tatsächlich Golo, die Hauptstadt des Dschebel-Marra-Gebiets, an und besetzte sie. Aus den Auseinandersetzungen zwischen Dorfmilizen und Nomadenmilizen war ein Aufstand gegen die Zentralregierung geworden.

Nach diesem militärischen Erfolg benannte sich die DLF in "Sudanese Liberation Movement/Army" (SLA/M) um. Im März geriet auch das von Zaghawa besiedelte Gebiet nördlich des Dschebel Marra unter die Kontrolle der SLA/M, die unter Führung des Zaghawa Minni Minnawi stand, einem ehemaligen Leibwächter des Bidayat Idriss Déby, der nun Präsident des Tschad war. Am 25. April griffen die Rebellen in einer aufeinander abgestimmten Aktion al-Faschir und Nyala an, die Hauptstädte Nord- und Süddarfurs. Den Angriff gegen al-Faschir leitete der SLA/M-Militärkommandant Abdallah Abbakar aus dem Tschad, der sich im Krieg gegen Hissène Habré einen zweifelhaften Ruf erworben hatte. Abbakar besetzte den Flugplatz von al-Faschir und sprengte zwei Antonow-An-12 sowie drei Mil-Mi-17-Kampfhubschrauber. Nach Informationen der Sudan Unit des US State Department1 ließ er außerdem fast 200 gefangene Regierungssoldaten exekutieren, obwohl diese sich ergeben hatten. Im Juli griffen die Rebellen Tinay an, und die Regierung begann eine Gegenoffensive mit Bombenangriffen, worauf Zehntausende von Zivilisten in den Tschad flüchteten. Den Vormarsch der SLA/M konnten sie dadurch nur bedingt stoppen: Am 1. August nahmen die Rebellen Kutum ein und töteten auch dort einen großen Teil der Garnison.

Minni Minnawi (links). Foto: whitehouse.gov

Berichten von unabhängigen Organisationen zufolge versuchten Teile der Sicherheitskräfte und der sudanesischen Regierung seit Juli 2003 von ihnen ausgerüstete Reiternomaden zur Unterstützung der Gefechte einzusetzen. Die Zeugenaussagen deuten darauf hin, dass die sudanesische Regierung - ähnlich wie andere Staaten - die Entsendung regulärer Truppen beschränkte und zur neoliberalen Lösung griff, indem sie Privatarmeen mit Waffen ausstattete und mit der Bekämpfung der Rebellen beauftragte. Und wie in anderen mit Privatarmeen geführten Kriegen ergaben sich auch hier sehr bald ausgesprochen negative Folgen für die Zivilbevölkerung.

Die Dschandschawid

Die neuen Grenzkrieger wurden schnell unter dem Namen "Dschandschawid" bekannt – was "bewaffnete Reiter" bedeutet. Ein Teil von ihnen stammte aus dem Tschad und hatte sich bereits dort bewaffnete Auseinandersetzungen mit Zaghawa geliefert. Die häufig pauschal als "Araber" bezeichneten Dschandschawid zerstörten bevorzugt die Dörfer der um das knappe Wasser konkurrierenden Hirsebauern, die meist nilo-saharanische Mundarten wie Fur oder Masalit sprechen. Allerdings stellten auch "afrikanische" Stämme wie die Gimr Dschandschawid.2

Es waren keineswegs alle arabischen Stämme gleichermaßen in die Überfälle und Vertreibungen verwickelt: Die Stämme im Norden – viele davon Kamelhirten - beteiligten sich häufiger an den Dschandschawid-Aktivitäten als die im Süden Darfurs. Am stärksten in die Kampfhandlungen eingebunden waren anfangs die Juhayna-Kamelhirten, weit weniger die Zayadiya-Abbala. Und während sich die Mahamid-Rizeigat in Norddarfur unter Musa Hilal sehr häufig an militärischen Aktionen teilnahmen, verhielt sich der Führer der südlichen Rizeigat, Said Madibo, 2003 neutral - auch weil er der Zentralregierung grollte, die ihn trotz der Teilnahme am Krieg nicht zu Friedensverhandlungen dort eingeladen hatte. Auch andere wichtige arabische Gruppen wie die Habbaniya, die Maaliya und die Taaisha waren - zumindest zu Anfang des Konflikts - kaum involviert. Unter den weniger stark beteiligten Rinderhirten verübten wiederum die Beni Halba am häufigsten Überfälle und Vertreibungen.

Während Armee und Luftwaffe Operationen im Zaghawa-Gebiet durchführten, überfielen die Reiternomaden vorwiegend Masalit-Dörfer in Westdarfur und Fur-Siedlungen im Dschebel Marra, wobei sie teilweise Luftunterstützung erhielten. Diese erfolgte mit viermotorigen Antonow-An-12 – also nicht mit Bombern, sondern mit Transportmaschinen ohne Bombenschacht und Zielvorrichtung. Die Bombardements wurden durchgeführt, indem über die hintere Laderampe mit Sprengstoff und Schrott gefüllte Olfässer abgeworfen wurden. Anschließend feuerten Mil MI-17 Kampfhubschrauber beziehungsweise MiG 19, 23 oder Shenyang-Flugzeuge mit Maschinengewehren und Raketen auf die Gebäude. Danach griffen die Dschandschawid auf Pferden, Kamelen und Toyota-"Technicals" an. "Technicals" sind seit den Kriegen im Tschad verbreitete offene Toyota Land Cruiser, auf denen Geschütze montiert sind.3

Ein fester Bestandteil dieser Überfälle scheinen Zeugenaussagen zufolge Vergewaltigungen gewesen zu sein. Teilweise sollen Frauen und Mädchen auch gebrandmarkt und durch Brechen der Beine oder Durchtrennung der Sehnen am Fliehen gehindert worden sein.4 Da alle ethnischen Gruppen in Darfur patrilineare Vorstellungen von Abstammung und Verwandtschaft hegen, konnte dieses Vorgehen auch als Beitrag zu einer "Umvolkung" verstanden werden.

Mil Mi

Im September 2003 vermittelte die Regierung des Tschad einen Waffenstillstand zwischen der sudanesischen Regierung und der SLA/M. Idriss Déby lavierte zwischen einer Unterstützung seiner eigenen ethnischen Hausmacht (den Bidayat und Zaghawa im Tschad), war sich aber auch bewusst, dass sein Rivale Abdallah Abbakr Militärkommandant der Rebellen war. Aus diesem Grunde half Déby der sudanesischen Regierung anfangs sogar mit Kampfhubschraubern aus.

Die Turabisten

Mittlerweile gab es aber einen dritten Beteiligten - das von Zaghawa dominierte und eher an einer islamistischen bzw. turabistischen Ideologie ausgerichtete „Justice and Equality Movement“ (JEM), das den Waffenstillstand verweigerte. Das JEM war bereits im August 2001 von Ibrahim Khalil ausgerufen worden, griff aber erst 2003 militärisch ein. Allerdings war und ist Khalil nicht der unumstrittene Führer des JEM – als sein ernstzunehmendster Konkurrent hat sich Ahmad Tugod entwickelt. Seine größte Anhängerschaft hatte das JEM unter Khalils eigener ethnischer Gruppe, den Kobe-Zaghara, die zum großen Teil im Tschad siedeln. Khalil war ein begeisterter Anhänger Hassan al-Turabis und seiner National Islamic Front (NIF). Zwischen 1991 und 1994 war er Erziehungsminister in Darfur, später Minister für Soziales am blauen Nil und Berater des Gouverneurs im Südsudan. Anhänger Khalils veröffentlichten nach der Spaltung der islamistischen Bewegung im Sudan 1999 ein "Schwarzbuch", in dem sie die Herrschaft der arabischen Stämme aus dem Niltal über die afrikanischen Moslems und ihre Ressourcen anprangerten. Die auch in den Erklärungen des Darfur-Konflikts gerne reflexhaft genannten Ölvorkommen waren damals allerdings überwiegend Spekulation. Zwar hatten chinesische, japanische, russische, bulgarische, rumänische und irische Firmen Interesse an Bohrungen bekundet, allerdings wurde bisher lediglich an einer an die chinesische CNPC konzessierten Stelle in Süddarfur tatsächlich Öl gefunden (das aber noch nicht gefördert wird). Ebenso verhält es sich mit Uran und Kupfer, über deren Vorkommen ebenfalls gemutmaßt wird.

Ibrahim Khalil (links). Foto: usinfo.state.gov

Nachdem das JEM im September 2003 einen Waffenstillstand verweigerte, begann die Zentralregierung neue Bombardements und löste eine zweite Flüchtlingswelle aus. Viele Bauern flüchteten im Laufe der folgenden Kämpfe in die Städte. Die Bevölkerungszahl der Hauptstadt Darfurs, al-Faschir, stieg zwischen 2001 und 2006 von knapp 180.000 auf 264.734. In den verlassenen Gebieten weideten arabische Nomaden ihre Herden, was Human Rights Watch und andere Organisationen dazu veranlasste von „ethnischen Säuberungen“ zu sprechen.5

In den darauffolgenden Jahren kochte der Darfur-Konflikt auf kleinerer Flamme, war aber alles andere als erloschen. Im April 2004 gab es einen Waffenstillstand mit SLA/M und JEM, der nicht lange hielt. Im selben Jahr wurde die Vielfalt der Rebellen um das "Mouvement National pour la Réforme et le Dévelopment" (MNRD) bereichert, eine Zaghawa-Gruppe, die beiderseits der Grenzen operierte und der sowohl Verbindungen zum sudanesischen Geheimdienst als auch zur Regierung in N'djamena nachgesagt werden. Die seit Sommer 2004 in Darfur stationierte African Mission in Sudan (AMIS), eine Friedenstruppe der Afrikanischen Union, konnte zwar gegen das eigentliche Kriegsgeschehen wenig ausrichten, sorgte aber für die Bildung von relativ geschützten Flüchtlingslagern in der Nähe ihrer Garnisonen. Ab 2005 war die Regierung in Khartum nicht mehr "arabisch", weil die südsudanesische SPLM beteiligt war - am Krieg in Darfur änderte das jedoch wenig. Es wurden sogar weitere, bisher unbeteiligte Gruppen in den Konflikt hineingezogen: Als die SLA/M südlich von Nyala arabischen Rinderhirten Vieh stahl, traten auch diese in den Konflikt ein. Allerdings führten sie nicht nur Krieg gegen die SLA/M, sondern auch gegen die Kamelhirten: Von Oktober bis Dezember 2005 gab es bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Hotiya-Baggara und drei Abbala-Stämmen, den Newiba, den Mahariba und den Mahamid.

JEM, SLA/M und MNRD sind alles andere als Opferverbände. Vor allem Dschibril Abd al-Karim vom MNRD und Yakub Schant von der SLA/M werden zahlreicher Menschenrechtsverletzungen beschuldigt. In Schaeriya in Süddarfur beraubten und terrorisierten SLA/M-"Steuereintreiber" die afrikanischen Bergid, wobei es auch zu Vergewaltigungen kam. Daraufhin verbündeten sich Bergid- und arabische Missiriya-Milizen im September 2005 gegen die SLA/M.6 Aber auch nicht organisierte Ackerbauer führten Vertreibungen durch: 2005 verjagten Masalit-Bauern Fellata-Baggara, weitgehend arabisierte Fulbe- und Hausa-Rinderhirten, aus Süddarfur.

Das Bündnis aus Ackerbauer-Gruppen und Zaghawa, das zur Bildung der SLA/M geführt hatte, zerfiel im Laufe des Konflikts zunehmend – auch deshalb, weil sich die Halbnomaden in einem strukturellen ökonomischen Konflikt mit den sesshaften Bauern befanden. Bereits Ende 2003 hatte sich die SLA/M in zwei Lager aufgespalten: Eine Zaghawa-Fraktion unter Führung Minnawis und eine Ackerbauer-Fraktion (der vor allem Fur, Tunjur, Dago und Berti zusprachen) unter Führung des Fur Abd-al-Wahid Mohamed Nur. Im November 2005 kam es schließlich zum offenen Krieg zwischen der Minnawi-Fraktion und der Ackerbauer-Fraktion.

Währenddessen im Tschad

Auch im Tschad verwirrte sich die Situation zusehends. Am 9. Mai 2004 hatte es dort einen Umsturzversuch gegeben: Déby gab daraufhin den am Putsch beteiligten Zaghawa nach und schlug sich im Darfur-Konflikt auf die Seite der Rebellen. Zu seinem neuen Sicherheitschef ernannte er einen Cousin des JEM-Führers Khalil Ibrahim. Der Staatschef des Tschad beschuldigte die Regierung in Khartum nun, tschadische Rebellen zu unterstützen, die ihre Operationen von Darfur aus durchführten. Der Sudan wiederum klagte Déby der kaum verhohlenen Unterstützung der Rebellen im Westsudan und der Eingliederung dieser Kräfte in die Armee des Tschad an. Im November 2005 brach der Bürgerkrieg auch im Tschad aus. Die tschadischen Déby-Gegner von SCUD (einer Bidayat-und-Zaghawa-Organisation, angeführt von Dusa-Déby, einem Schwager Idriss Débys) griffen Minnawis SLA/M in der Nähe des Dschebel Mun an.

Am 23. Dezember 2005 stellte Idriss Déby aufgrund der mit dem Konflikt um Darfur einhergehenden Rebellenaktivitäten im Grenzgebiet den "Kriegszustand" mit dem Sudan fest, betonte aber, dass dies keine Kriegserklärung sei. Im Januar 2006 schloss sich die SCUD mit der RDL (einem Bündnis aus Teda-Tubu, Borgu/Maba/Masalit und Tama) zur FUCD zusammen, die von dem Tama Mahamat Nour angeführt wurde. Im Frühjahr 2006 besiegte Idriss Déby mit Hilfe der Minnawi-SLA/M die SCUD und am 13. April auch die RDL, die N'djamena angegriffen hatte.

Idriss Déby. Foto: usifo.state.gov

Jetzt flohen Menschen aus dem Tschad in die von AMIS-Streitkräften geschützten Lager Darfurs. Doch nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Flüchtlingserzeuger überschritten die Grenze: Im Februar 2006 hatten sich auch im Tschad grenzübergreifend agierende arabische Reitermilizen gebildet, die Dago-Siedlungen in Darfur verwüsteten. Bei der Bekämpfung dieser Dschandschawid schien wiederum Déby wenig zwischen Reiterbanden und arabischer Zivilbevölkerung zu differenzieren: 2007 drangen Meldungen über angeblich von der Regierung des Tschad ausgerüstete Milizen nach außen, die dort siedelnde Araber über die Grenze nach Darfur vertreiben.

Mittlerweile hat der Konflikt auch auf den Norden der zentralafrikanischen Republik übergegriffen. Die dortige Regierung beschuldigt das Regime in Khartum, die Gula-Rebellenarmee UFDR ("Union des forces Démocratiques et du Rassemblement en République Centrafricain") zu unterstützen, die von Darfur aus gegen die von Frankreich gestützte Regierung der Zentralafrikanischen Republik operiert. Idriss Déby kündigte an, diese gegen die UFDR zu unterstützen und schlug eine Allianz gegen den Sudan vor.

Seitenwechsel

Am 10. Januar 2006 erklärte das JEM seine Vereinigung mit der Minnawi-SLA/M in der neuen "Alliance of Revolutionary Forces of West Sudan" (ARFWS). Die ARFWS zeigte eine große Nähe zum Regime im Tschad: wenig verwunderlich, bedenkt man, dass sowohl der tschadische Staatschef Idriss Déby, als auch Minni Minnawi und Ibrahim Khalis Zaghawa bzw. Bidayat sind. Anfang 2006 ließ das Bündnis in der tschadischen Hauptstadt N'djamena eine Presseerklärung auf französisch und arabisch verlesen, in der es hieß, dass die zwei "Bewegungen" übereingekommen wären, ihre politischen und militärischen Operationen zu koordinieren und so ihre Kampfkraft unter dem neuen gemeinsamen Namen zu verdoppeln.

Diese Koordination dauerte nicht allzu lange. Bei den Friedensverhandlungen mit der Regierung im Mai 2006 traten JEM und SLA/M wieder getrennt an. Am 9. Mai unterschrieb Minnawi für die SLA/M ein Friedensabkommen mit der Regierung, in das der Tschad nicht einbezogen wurde. Der Zaghawa sicherte sich darin Positionen als oberster Stellvertreter der Regierung in Darfur, als Vorsitzender der Interims-Regionalverwaltung und als "Senior Assistant" des Präsidenten der Republik - nominell das vierthöchste Amt im sudanesischen Staat. Die von Minnawi unterzeichnete Friedensvereinbarung wurde von den Ackerbauer-Fraktionen nicht akzeptiert, welche den Kampf gegen die Regierung fortsetzten. Nun kämpfte die SLA/M Minnawis offen gegen ihre ehemaligen Verbündeten. Im Juli 2006 griff die Minnawi-SLA/M zusammen mit Dschandschawid und unterstützt von Flugzeugen der sudanesischen Regierung Tunjur-Dörfer an, wobei auch Zivilisten vergewaltigt und getötet wurden.7

Minnawi war nicht der einzige, der behände die Seiten wechselte: Im April 2007 drangen Meldungen von zunehmenden Spannungen zwischen Dschandschawid und sudanesischer Regierung an die Öffentlichkeit: Verschiedene Dschandschawid-Führer bekannten sich in Interviews zum JEM und schoben die Schuld an den Überfällen und Vertreibungen auf die Zentralregierung. Die neue Allianz ist auf den zweiten Blick allerdings weniger widersprüchlich als sie auf den ersten scheint: ökonomische Gegensätze zwischen der von islamistischen Zaghawa dominierten Gruppe und anderen Nomadenstämmen bestehen nur bedingt – das neue Bündnis geht dadurch potentiell nicht nur zu Lasten der sudanesischen Zentralregierung, sondern auch der Fur- und Masalit-Bauern.

Der Seitenwechsel schien durchaus auch von der Anklage und der Zustimmung des Sudan zur Stationierung von afrikanischen UN-Truppen beeinflusst gewesen zu sein – und davon, dass die Regierung spezielle Gerichte für Kriegsverbrecher eingerichtet hatte und sogar laut über die Auslieferung von Dschandschawid-Führern nach Den Haag nachdachte. JEM-Führer wie Nasradin Ahmmad Tendi haben im Zweifel eher ein Interesse daran, die Schuld der jetzt mit ihnen verbündeten Dschandschawid-Führer gegenüber der Regierung kleinzureden, weil es ihre militärische Position potentiell stärkt. Dass die Regierung Abu Sara ein Haus und ein Auto versprochen habe, wenn er gegen die Rebellen kämpft, beinhaltete jedoch nicht die Aufforderung zu vertreiben und zu vergewaltigen. Aber es zeigt, wie wenig die Dschandschawid steuerbar sind, wie sehr sie nach eigenen Interessen handeln und wie sehr die Gruppen ganz eigene lokale Interessen verfolgen.

Lange herrschte die Vorstellung vor, dass die sudanesische Regierung die Dschandschawid einfach entwaffnen könne und insoweit die alleinige Verantwortung für das Fortdauern der Massaker innehabe. Nach Ansicht ortskundiger Beobachter gibt es aber weder eine Kommandostruktur zwischen der Armeeführung und den Dschandschawid, noch ist der Sudan ein funktionierender Staat, der eine Entwaffnung durchsetzen könnte, sondern lediglich die "Fassade eines modernen Staates".8

Teil V der Serie wird sich mit möglichen Lösungen des Konflikts und ihren Konsequenzen befassen

Teil 1: Ethnische Identitäten und ethnogenetische Prozesse

Teil 2: Grenzkrieger, Razzien und die koloniale Ausnahme

Teil 3: Die Rückkehr der Waffen

Teil 4: Die Eskalation

Teil 5: Lösungen und Konsequenzen