Lieber Bundestag: Afghanistankrieg war kein "strategischer Fehler", sondern Aggressionsakt
Seite 2: Das Terror-Trainingscamp in den USA
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Aber das ist nur ein Beispiel von sehr vielen anderen. An der sogenannten "School of Americas" im Bundesstaat Georgia bildeten die USA regelmäßig Terroristen, Paramilitärs und Junta-Befehlshaber aus, die in verschiedenen Ländern in Lateinamerika wüten sollten. Das Trainingscamp wird auch manchmal als "backyard terrorism" der Vereinigten Staaten bezeichnet.
Und dann sind da die vielen Aggressionsakte der USA mithilfe seiner Partner gegen andere souveräne Staaten (siehe allein die Indochinakriege, aber auch der Angriffskrieg gegen den Irak). Sie könnten nach der 9/11-Doktrin alle als Rechtfertigung von den angegriffenen Ländern genommen werden, die "Drahtzieher" und Verbrecher im Westen mittels Krieg gegen die Staaten zur Rechenschaft zu ziehen.
Es gab im Fall der 9/11-Schwerkriminellen zudem eine alternative, zivile Lösung, die von renommierten Historikern, Richtern, dem Vatikan und der Friedensbewegung, wie auch der Mehrheit der Weltbevölkerung, eingefordert wurde. Sie verlangten eine internationale Polizeiaktion zur Erfassung der Verdächtigen, wenn nötig mit geheimdienstlicher Unterstützung, die dann vor ein Gericht gestellt werden sollten, wo ihnen Beweise für ihre Schuld vorgelegt werden müssten.
Flex Targeting und Opferstudien
Aber das wurde alles übergangen, nicht nur von den politischen Entscheidungsträgern in Washington und seinen Partnerländern in Europa, sondern auch von den meinungsbildenden Massenmedien im Westen, mit sehr wenigen Ausnahmen.
Die Folgen der 9/11-Doktrin und des Kriegs gegen eines der ärmsten Länder der Welt waren von Anfang an absehbar.
Da das US-Militär, um eigene Verluste auszuschließen, aus einer extremen Höhe von 10.000 Metern über dicht besiedeltem Gebiet bombte und Piloten das sogenannte "time critical" bzw. "flex targeting" ohne Aufklärung verwenden durften, wurden viele unschuldige Afghanen bei den US-Bombardements getötet.
Zwei Monate nach Beginn des Luftkriegs legte die New Hampshire University eine umfängliche Untersuchung der direkten zivilen Opfer der US-Bombardierungen in Afghanistan vor, inklusive Rohdaten. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Bomben innerhalb von acht Wochen fast 4.000 Zivilisten getötet hatten, vor allem Frauen und Kinder.
Lasst sie Gras essen
Die Medien gingen darüber hinweg oder stellten die Zahlen infrage. Für die FAZ und andere Medien war daher unerheblich, dass der von der US-amerikanischen Universität bezifferte "Kollateralschaden" durchaus nicht die "tatsächliche Zahl der zivilen Toten" wiedergab.
Die Hilfsorganisation "Médecins Sans Frontières International", die mit Mitarbeitern vor Ort war, nannte zum Beispiel höhere Opferzahlen – die deutschen Leserinnen und Leser erfuhren nichts davon. Ebenso nicht von den Tragödien in den afghanischen Lagern und Bergdörfern, wo Väter, Mütter und Kinder dazu übergingen, Gras vom Boden zu essen, um zu überleben.
Denn seit dem US-Luftkrieg hatten die USA Hilfslieferungen nach Afghanistan, einem der ärmsten Länder der Welt, das von humanitärer Hilfe abhängig war, gestoppt. Die Bäuche der afghanischen Babys wurden zuerst durch den Grasbrei wie die ihrer Eltern und Geschwister, steinhart, bevor sie in den Armen ihrer Mütter, die keine Milch mehr geben konnten, verstarben.
Kein Thema: Bis zu 20.000 indirekte Opfer
Tausende Afghanen verendeten im Winter 2001/2002 ohne Zugang zu Lebensmitteln – wie die Hilfsorganisation "Christian Aid" vom Lager in Maslakh nahe Herat zu berichten wusste. Die britische Reporterin McKinley bilanzierte, dass Maslakh sich am Rande eines "humanitären Desasters im Stil Äthiopiens" befände.
Opfer-Berechnungen zufolge, so der britische Guardian in einem Artikel (eine der seltenen Ausnahmen), starben in den ersten Monaten der Offensive als Folge des US-Luftkriegs mindestens 20.000 Afghanen an Bomben-Verletzungen oder medizinischer und humanitärer Unterversorgung, zusätzlich zu den direkten Opfern der Bombardierungen.
Während die Opfer der Anschläge vom 11. September in den USA (zu Recht) eine ausgiebige und einfühlsame Berichterstattung erfuhren, inklusive Human-Touch-Stories, und bis heute an die Opfer erinnert wird, verschwanden die Opfer "unserer" Aggression im Mülleimer der Geschichte. Genauso wie die Illegitimität des Kriegs, der Invasion, der Bombardierungen insgesamt
Die aktuelle Bilanz des Bundestags, kritisch gegenüber den "strategischen Fehlern" der gut gemeinten "humanitären Operation", ist nur ein weiterer (und konsequenter) Schritt bei der Entsorgung unangenehmer historischer Realitäten, wenn es um "unsere" Gewaltakte auf der internationalen Bühne geht.