Linke und Klimabewegung: Wie weiter?

Klaus Ernst fährt Porsche, während viele seiner Parteifreunde das Auto als Lifestyle-Produkt ablehnen, wenn sie keines brauchen. Symbolbild: NoIAA

Nach der Entscheidung der Bundestagsfraktion Die Linke für Klaus Ernst als Leiter des Klima-Ausschusses gab es Parteiaustritte. Doch einige Aktive der Bewegung bleiben auch bewusst

Es war ein denkwürdiger Tag, als Carla Reemtsma in einem Gastbeitrag für die taz die Enttäuschung der Jugendbewegung Fridays for Future über die Grünen zum Ausdruck brachte – und als die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke den Umwelt- und Klimabewegten fast zeitgleich signalisierte: Wir brauchen eure Stimmen auch nicht unbedingt.

So kam deren Personalentscheidung für den Vorsitz des Klima- und Energieausschusses jedenfalls an: Der frühere Parteichef und IG-Metall-Funktionär Klaus Ernst will nicht "grüner als die Grünen" sein, kritisierte öffentlich linke Proteste gegen die Automesse IAA und erweckt gerne den Eindruck, die Beteiligten solcher Aktivitäten – darunter auch Mitglieder seiner Partei – hätten die soziale Frage nicht auf dem Schirm.

Auch ein offener Protestbrief aus ihren Reihen konnte nicht verhindern, dass die Fraktion sich am Dienstag vergangener Woche für Ernst als Vorsitzenden des Klima- und Energieausschusses im Bundestag entschied. Kritiker der Kritiker meinen, dieses Schreiben habe womöglich noch einen Teil der Abgeordneten darin bestärkt, den einzigen Ausschussvorsitz, den die kleinste Oppositionsfraktion überhaupt "bekommt", mit ihm zu besetzen.

Am selben Tagen erschien der taz-Artikel, in dem Reemtsma den Grünen Verrat am eigenen Anspruch und einen "Rückfall in altbekannte Machtspiele und Dynamiken" in den Koalitionsverhandlungen vorwarf. Damit hätten die Grünen "das bisschen Vertrauen, das ein klimabewegter Teil der Gesellschaft in sie gesetzt hatte" verspielt. "'Wir sind auf 1,5-Grad-Pfad'– das behauptete Robert Habeck bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags. Diese Aussage ist, ebenso wie das Versprechen eines 1,5-Grad-Wahlprogramms, glatt gelogen", stellte Reemtsma fest.

Das hätte fast heißen können: Linke, übernehmen Sie! Denn deren letzte Bundestagsfraktion hatte bereits 2020 einen umfassenden Aktionsplan Klimagerechtigkeit ausgearbeitet. Darin geht es eben nicht nur darum, "grüner als die Grünen" zu sein, sondern auch darum, sicherzustellen, dass einkommensschwache Gruppen nicht draufzahlen – auch nicht "die in einem schlecht gedämmten Haus allein auf dem Land lebende Armutsrentnerin mit Ölheizung", die nach anderen Konzepten trotz "Klimabonus" draufzahlen müsste.

Einen CO2-Preis für die Sektoren Wärme und Verkehr lehnt Die Linke deshalb "für die nahe Zukunft ab". Vielmehr müsse der "ordnungsrechtliche Kohleausstieg" durch einen CO2-Mindestpreis für Kraftwerke und Industrie abgesichert werden, heißt es auf Seite 92.

Bei energetischen Sanierungen soll der Mieterschutz gestärkt werden – und statt auf die individuelle Moral und Rechercheleistung von Verbraucherinnen zu setzen, sollen keine Handelsverträge mehr mit Ländern geschlossen werden, die das Pariser Klimaschutzabkommen nicht ratifiziert haben oder nicht umsetzen.

"Soziales hört nicht an den Landesgrenzen auf"

Was wegen der Klimakrise besorgte Parteifreunde Klaus Ernst vorwerfen, ist nicht, dass der Porsche-Fahrer im Zusammenhang mit Klimaschutz die soziale Frage thematisiert, sondern dass er so tut, als hätten sie sich darüber noch keine Gedanken gemacht. Denn unter anderem der besagte Aktionsplan spricht eine andere Sprache.

Parteimitglieder, die sich auch für Klimagerechtigkeit engagieren, stört am Ernst-Lager die einseitige Fixierung auf Beschäftigte bestimmter Branchen wie der Autoindustrie, auf eine bestimmte Altersgruppe und das eigene Land, während Menschen im Globalen Süden schon einen Vorgeschmack darauf spüren, was der jungen Generation hierzulande später bevorstehen könnte.

"Soziales hört auch nicht an den Landesgrenzen auf", sagt Dorothée Menzner, die von 2005 bis 2013 selbst im Bundestag saß und vergangene Woche aus der Linkspartei ausgetreten ist – nach 27 Jahren. Viele ältere Gewerkschafter seien auch schon weiter, als Ernst es ihnen zutraue: "Die meisten Älteren haben auch Kinder, Enkel oder jüngere Verwandte", so Menzner, die in der 16. und 17. Legislaturperiode zuerst verkehrs- und dann energiepolitische Sprecherin der Fraktion war.

Auf ein Auto ist sie selbst unfreiwillig angewiesen: Wer in einer Kleinstadt wohne und als rechtliche Betreuerin arbeite, könne nach ihrer Erfahrung einfach nicht anders, sagt sie. Aber deshalb sei ja eine echte Verkehrswende mit Ausbau des Schienennetzes nötig.

Aus Gewohnheit spricht sie von ihrer ehemaligen Partei immer noch als "wir" und korrigiert sich zwischendurch. Auf die Frage von Telepolis, was denn Umwelt- und Klimabewegte jetzt aus ihrer Sicht noch wählen sollen, will sie keine Empfehlung abgeben – und auch nicht davon abraten, wieder Die Linke zu wählen. Ob es in vier Jahren vielleicht ein völlig neues Projekt als Alternative gebe oder Die Linke dann vielleicht aus Fehlern gelernt habe, sei ungewiss. Ihr Austritt bedeute auch nicht, "dass mir jetzt alle folgen sollen", sagt sie.

Weitere Parteiaustritte und Argumente, zu bleiben

Reaktionen von Genossinnen, die sie verstehen können und sich trotzdem von ihr "alleingelassen" fühlen, kennt sie auch von sich selbst: Das habe sie "mehr als 20 Jahre immer wieder gesagt". Sie sei auch nicht in erster Linie "wegen Klaus Ernst" ausgetreten, sondern schlussendlich wegen des arroganten Umgangs der Fraktionsspitze mit der Kritik an diesem Personalvorschlag, nachdem der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte via Twitter gefragt hatte, ob die Unterzeichner des offenen Briefs "Lack gesoffen" hätten.

Auch die langjährige Umweltaktivistin Kerstin Rudek, ehemals Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, ist vergangene Woche aus der Linkspartei ausgetreten. "Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab", postete sie zu diesem Schritt auf ihrer Facebook-Seite. Die Wahl von Klaus Ernst sei "ein fatales Signal an alle Menschen, die gegen die Klimakatastrophe kämpfen".

Auch der Attac-Campaigner und Rechtsanwalt Roman Denter gibt deshalb sein Parteibuch ab. Er betonte aber in einem Abschieds-Post: "Wir sehen uns auf jeden Fall bald in den sozialen und ökologischen Bewegungen, in Bündnissen und auf der Straße wieder - es gibt genug zu tun!"

So sieht es auch Dorothée Menzner, die einen Wiedereintritt in die Partei nicht ausschließt, falls die aktuellen Austritte zu einem "Nachdenkprozess" führen. Aber jetzt sei es erst mal gut. Sollte dagegen ein ganz neues Projekt gestartet werden, müsse die Initiative eher von Jüngeren, zumindest unter 50-Jährigen ausgehen, sagt die 56-Jährige.

Parteivorstandsmitglied Maximilian Becker ist deutlich jünger und gehört zu denjenigen, die solche Austrittsentscheidungen menschlich nachvollziehen können, aber trotzdem davon abraten:

"Auch wenn ihr gerade verzweifelt seid, es ist nicht die Zeit, der Partei den Rücken zu kehren", erklärte der Aktivist am Tag nach der Personalentscheidung, mit der für ihn "amtlich" war, dass aktuell keine Partei im Bundestag die Interessen der Klimabewegung vertritt. Gerade deshalb sei es jetzt Zeit, "den progressiven klimapolitischen Flügel" der Partei zu stärken und "ein Stück der Veränderung" zu sein.

Geblieben ist auch Lorenz Gösta Beutin, der in der letzten Legislaturperiode als klima- und energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion gut mit der Bewegung auf der Straße vernetzt war, aber nun der verkleinerten Fraktion nicht angehört.

Die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow hatten sich zwar angesichts der Unterschriftenkampagne vor Ernst gestellt, aber das war eher als Ablehnung dieser Art der Auseinandersetzung zu verstehen als eine inhaltliche Parteinahme: Politische Differenzen und solche über die Besetzung solcher Ämter sollten im Rahmen der innerparteilichen Willensbildung verhandelt werden, hatten sie erklärt. Wie sich das innerparteiliche Kräfteverhältnis weiter entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

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