Linksradikale blockieren katalanischen Unabhängigkeitsweg

Die CUP forciert mit der definitiven Ablehnung des Regierungschefs nun Neuwahlen, CUP-Chef Baños ist deswegen heute zurückgetreten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Beschluss der CUP-Parteiführung hat in Katalonien, in ganz Spanien und auch darüber hinaus für großes Aufsehen gesorgt. So wurde mit Genuss in Spanien vermeldet, dass nun das Unabhängigkeitsbestreben "stolpert" und in eine "Sackgasse" geraten sei.

CUP verkündete gestern, die Alternative "Mas oder März", also Wahlen, abzulehnen. Bild: CUP

In Katalonien wurde dagegen vielfach mit Entsetzen darauf reagiert, dass die antikapitalistische "Kandidatur der Volkseinheit" (CUP) praktisch Neuwahlen in der Region auf die Tagesordnung gesetzt hat. Der auch mit den Stimmen der CUP kürzlich eingeleitete "Weg in die Unabhängigkeit", der in den kommenden 18 Monaten beschritten werden sollte, ist damit blockiert und es ist fragwürdig, ob er kurzfristig erneut aufgenommen werden kann. Denn nach monatelangen Debatten hat der "Parteirat" entschieden, das Modell einer geteilten Präsidentschaft unter Führung des Christdemokraten Artur Mas definitiv abzulehnen. Damit läuft schon am Sonntag die Frist zur Regierungsbildung ab.

Zwar hat die CUP keine Abstimmungsergebnisse veröffentlicht, doch die Delegierten der 13 Basisversammlungen, die eilige zum Jahreswechsel einberufen wurden, sollen das Modell nur knapp abgelehnt haben, war aus gut unterrichteten Kreisen zu vernehmen. Die Entscheidung sei erst dadurch sehr klar geworden, als die Stimmen der Organisationsvertreter hinzugezählt wurden, die die CUP stützen. Damit sei eine klare Entscheidung gefallen, dass sich alle zehn Parlamentarier der CUP erneut enthalten, weshalb Mas keine Regierung bilden kann. Der Kandidat der Einheitsliste für die Unabhängigkeit "Junts pel Si" (Gemeinsam für das Ja/JxSi) würde damit erneut abgelehnt.

Die Parteiführung entfernte sich damit aber sehr weit von ihrer Basis. Denn ihre Entscheidung wurde nur deshalb nötig, weil auf der Mitgliederversammlung vor Weihnachten genau die Hälfte für und die andere Hälfte gegen das Modell war, Mas mit zwei Stimmen doch zur Regierungsbildung zu verhelfen (Katalonien: Neuwahlen oder Unabhängigkeit?). Die streng basisdemokratischen Antikapitalisten haben mit dem Beschluss der Parteiführung eigentlich auch gegen eigene Prinzipien verstoßen. Deren Beschluss spiegelt zudem mit seinem klaren Ergebnis nicht wieder, dass die Basis in der Frage genau in der Mitte gespalten ist.

Da der Unabhängigkeitsprozess nun gefährdet ist, hat der Präsident der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) erklärt. "Ich bitte euch um Verzeihung, die ihr dem ANC vertraut habt, als wir euch als Präferenz für Unabhängigkeitsparteien zur Wahl der CUP aufgefordert haben", sagte Jordi Sánchez. Der ANC war federführend an riesigen Mobilisierungen der letzten Jahre für die Unabhängigkeit von Spanien beteiligt (Katalonien: Nächste Station Unabhängigkeit). Die ehemalige ANC-Chefin Carme Forcadell, die auf dem zweiten Listenplatz für JxSi kandidierte, erklärte, sie habe stets geglaubt, die CUP werde das Ergebnis der Wahlen am 27. September respektieren. "Es war nicht so, ich habe mich sehr getäuscht."

"Katalonien weint, Spanien applaudiert der CUP"

Für die Abspaltung der spanischen Sozialisten kommentierte Míriam Nogueras: "Katalonien weint, Spanien applaudiert der CUP." Auch "Demokratie und Freiheit" hatte auf der Einheitsliste kandidiert. Gerade für die linken Unabhängigkeitsbefürworter ist besonders schwer verdaulich, dass ausgerechnet die CUP den Prozess "beerdigt" und sich mit Madrid "verbündet" habe. Dass sollte "tief im Gedächtnis" bleiben, fordern viele, wie der katalanische Stadtrat in Arenys de Mar David Caldeira. Die Journalistin Pilar Rahola sieht in der CUP nun sogar ein Instrument des spanischen Geheimdienstes CNI: "Die Dankesschreiben für das Nein der CUP müssen an den CNI geschickt werden. Vertut euch nicht in der Adresse."

Alle diese Reaktionen sagen voraus, dass gerade die CUP bei den von ihr provozierten Neuwahlen besonders leiden und weit hinter ihr Rekordergebnis von 8% zurückfallen dürfte. Gerade sie hatte stets von Mas, JxSi und anderen "unwiderrufliche Schritte zur katalanischen Unabhängigkeit" gefordert und blockiert ihn jetzt. Weil viele in der Partei das auch tatsächlich so gemeint haben, sind diese ebenfalls entsetzt über das Ergebnis. Schließlich war JxSi sogar sehr weit auf die Forderungen der CUP zugegangen. So wurde sogar einer geteilten Präsidentschaft zugestimmt. Sie sollte in vier, klar mit Kompetenzen bestimmten Aufgabengebieten aufgeteilt werden, Mas sollte nur noch deren Chef sein.

Zudem sollte ein Notfallplan für notleidende Familien aufgelegt werden, damit die im Winter ihre Wohnung heizen und ihren Kindern wieder ausreichend zu essen bieten können. Auch der Plan wurde mit dem kalten Wind, der nun erstmals in diesem Winter auch durch die Straßen von Barcelona weht, auch auf Eis gelegt. Auch damit macht sich die CUP bei vielen nicht gerade beliebt, die genau auf sie und ihre kompromisslose Haltung in der sozialen Frage gehofft hatten. Die angesprochen Punkte hatte der CUP-Sprecher vor den Wahlen auch im Gespräch mit Telepolis herausgestrichen ("Schlüssel zur katalanischen Unabhängigkeit").

Wie schwer verdaulich der Beschluss auch für viele in der CUP-Führung ist, wurde am späten Sonntag deutlich. Weder der neue Parteichef Antonio Baños, noch sein Vorgänger David Fernandez oder andere Parteiführer haben den Beschluss vor der Presse dargelegt. Das Gerücht, Baños werde zurücktreten, zirkuliert seit Sonntag. Im Interview mit Radio RAC1 konnte es auch die Abgeordnete Eulàlia Reguant nicht definitiv dementieren. "Die CUP ist angeschlagen", gab sie zu, schließt aber eine Spaltung aus. Da die Formation tief gespalten ist, wird allseits über von einer Abspaltung ausgegangen.

Inzwischen forderte am Montag die CUP-Sprecherin Anna Gabriel, JxSi solle einen anderen Kandidaten aufstellen, der unterstützt werden soll, da auch die CUP keine Neuwahlen wolle. Joan Tardà, Parlamentarier der großen Republikanischen Linken (ERC), forderte Mas auf, "zur Seite zu treten, um den Prozess zu retten. Dessen CDC gibt mit der ERC in JxSi den Ton an. Doch ob die CUP-Führung dann einen neuen Kandidaten absegnet und wie das in der Kürze der Zeit umgesetzt werden soll, steht in den Sternen. Schon deshalb ist kaum noch mit einem solchen Winkelzug zu rechnen.

Zudem ist Mas, auch wegen starker Spannungen in seiner CDC, nicht bereit, sich von der CUP alles vorschreiben zu lassen. Eine Parlamentssitzung zur Wahl des Regierungschefs soll es nun nicht geben. Der bisherige Regierungschef positioniert sich schon für Neuwahlen im März: "Ich habe Lust darauf, Spanien und den Formationen hier, die uns Steine in den Weg legen, weiter die Stirn zu bieten."

Update: Der CUP-Chef ist, wie erwartet, zurückgetreten. Er will auch nicht mehr für die Formation im Parlament sitzen und die Regierung blockieren, nur weil sich in der CUP die Hälfte der Mitglieder am Namen Mas aufhängt. Er gibt auch seinen Sitz als Parlamentarier auf. Baños macht auch keinen Hehl daraus, dass es "streng politische Gründe" sind. Sonst machen ja Politiker gern auf "persönliche Gründe" um das politische Scheitern zu überspielen. Die Entscheidung sei konträr zu den Vorstellungen, mit denen er den Vorsitz übernommen hat. Er hat, neben den sozialen Verbesserungen, auf den "unumkehrbaren Bruch mit dem spanischen Staat und die Schaffung einer sozialen katalanischen Republik gesetzt". Und den Weg dahin hat gerade seine Formation blockiert.