"Schlüssel zur katalanischen Unabhängigkeit"

Nach allen Umfragen liegt der Weg nach den plebiszitären Neuwahlen am Sonntag in den Händen der linksradikalen CUP. CUP-Parlamentssprecher Quim Arrufat im Interview

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Nach dem Referendum in Schottland über die Unabhängigkeit, will nun Katalonien am Sonntag über die Unabhängigkeit von Spanien in plebiszitären Neuwahlen entscheiden. Die Region an der Mittelmeerküste rückt damit für viele in Europa in den Brennpunkt, die sich nicht mit ihrem Status nicht abfinden und wie Basken, Tiroler und andere ebenfalls die Eigenständigkeit anstreben (Über Selbstbestimmungsbegehren von Katalanen und Tirolern). Die Debatte wird mittlerweile verstärkt von der Linken bestimmt, auch als Reaktion auf das neoliberale Modell, mit dem Briten und Spanier die Finanz- und Wirtschaftskrise auf Kosten der breiten Bevölkerung ausgetragen haben.

Bild: CUP

In Katalonien vertritt die "Candidatura d'Unitat Popular" (CUP) mit linksradikalen Positionen vehement die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien. Sie stellt in diesem Prozess die soziale Frage und greift große Demokratie- und Menschrechtsdefizite in einem Königreich an, das vom Diktator Franco restauriert wurde (Spanien: Nah dran am "failed state"). Der Diktator machte den König zu seinem Nachfolger und zum Militärchef. Und das ist von Bedeutung, weil es dessen Aufgabe ist, für die "Einheit des Landes" zu sorgen, die Katalanen und Basken aufkündigen wollen.

Die CUP ist in den vergangenen Jahren erstarkt. Das hat genauso mit den Kämpfen gegen Folter und Repression sowie mit tiefen Einschnitte ins Sozial-, Gesundheits- und Bildungssystem zu tun, mit dem Kampf gegen Zwangsräumungen oder dem Abbau von Arbeitsrechten und Lohnkürzungen. Hinzu kommen die Einführung autokratischer Knebelgesetze und Strafverschärfungen.

Bedeutsam waren auch Massenmobilisierungen für die Unabhängigkeit, wo sich zuletzt zum Wahlauftakt am "Tag der Katalanen" in Barcelona fast zwei Millionen Menschen sich auf den Weg in die Unabhängigkeit gemacht haben. Da in den letzten Jahren die Katalanen immer stärker links und Unabhängigkeitsbefürworter wählten, zog die CUP 2012 erstmals mit drei Parlamentariern ins Regionalparlament ein. Nach Prognosen sollen es nun bis zu 11 Sitze werden. Damit bekäme sie den Schlüssel in die Hand, wie der Unabhängigkeitsprozess weitergeht. Das gefällt der Partei besonders, machte der Parlamentssprecher Quim Arrufat im untenstehenden Interview mit Telepolis deutlich. In keiner Umfrage wird bezweifelt, dass die Parteien, die sich zur Einheitsliste "Junts pel Si" (Gemeinsam für das Ja) zusammengeschlossen haben, die Wahlen gewinnen werden. Klar ist, dass sie mit der CUP eine Sitzmehrheit erhalten werden. Die Frage ist nur, ob es auch für eine Stimmenmehrheit reicht. Während sich die Antikapitalisten der CUP der Koalition nicht angeschlossen haben, tat das die bedeutende Republikanische Linke (ERC), die mit anderen zusammen mit der Demokratischen Konvergenz (CDC) von Regierungschef Artur Mas kandidieren.

Bild: Junts pel Si

Mit allen Mitteln versucht die sehr rechtslastige konservative Volkspartei (PP) in Spanien dem Prozess zu blockieren. Sie erkennt ihn nicht an, ließ sich nicht einmal auf eine Debatte mit den Katalanen ein und drängte damit die Christdemokraten von Mas erst auf den Zug in die Unabhängigkeit. Es war die Verweigerung einer ausreichenden Finanzierung der unterfinanzierten Region, die überdurchschnittlich zur spanischen Wirtschaftsleistung beiträgt und die ständige Aushöhlung von Sprachen- und Autonomierechten, die das Fass überlaufen ließen.

Aber es waren die Sozialisten (PSOE), die in der Neugestaltung des Autonomiestatuts für die Katalanen enorm wichtige Punkte der Katalanen "abgehobelt" haben, wie sie sich brüsteten. Dass die Konservativen es über das Verfassungsgericht dann weiter verstümmelten, war nur noch Wasser, um den von der PSOE gelegten Keim gedeihen zu lassen. Das hat sogar dazu geführt, dass die einst Katalonien regierenden Sozialisten abstürzten. Sie haben mit der Bewegung der Linken (MES) einen starken Flügel verloren. Der tritt nun auf der Einheitsliste für die Unabhängigkeit ein.

Der MES-Europaparlamentarier Ernest Maragall erklärte gegenüber Telepolis, dass es die "ständige Verweigerung" Madrids ist, die diesen Schritt nötig gemacht habe. Für ihn ist deshalb der Weg klar, in klarer Ablehnung der Politik aus der ehemaligen PSOE-Parteizentrale. "Am 28. September wird ein Prozess zur Schaffung staatlicher Strukturen beginnen und eine Verfassung wird ausgearbeitet", wenn die Unabhängigkeitsbefürworter eine qualifizierte Mehrheit bekommen.

Statt zu versuchen, in einen Dialog zu kommen, versucht eben in Spanien nicht nur die Rechte, die Autonomierechte zu begrenzen oder auszuhebeln. Die rechte PP setzte dem nur die Krone auf und verweigert sich jeder Debatte. Sie versucht, das Problem allein mit Verboten und Repression zu lösen. So wurde ein geplantes Referendum nach schottischem Vorbild verboten. Sogar eine unverbindliche Volksbefragung ließ man über das Verfassungsgericht verbieten, das hatten auch die Sozialisten beantragt. Da sich die Katalanen den demokratischen Akt nicht nehmen ließen und mit 81% für die Unabhängigkeit stimmten, werden nun Mas und weitere Regierungsmitglieder kriminalisiert (Spanien kriminalisiert Kataloniens Regierungschef doch).

Gelernt wurde nichts von Großbritannien, wo man sich auf das Vorgehen und die Fragen mit den Schotten einigte. Dort wurde auf Demokratie statt auf Repression gesetzt. Genau das dürfte es vielen Schotten erleichtert haben, im Königreich zu bleiben. Und als die Umfragen einen möglichen Sieg vorhersagten, rissen die politischen Führer im Land gemeinsam das Ruder herum. Sie machten Angebote zur Ausweitung der Autonomierechte, um vielen Schotten den Verbleib im Bund zu ermöglichen (Briten und Schotten zeigen Europa die demokratische Karte). Das gab den Ausschlag, dass schließlich 55% gegen die Unabhängigkeit votierten. Warum es dagegen in Katalonien plebiszitäre Neuwahlen geben muss und welche Bedeutung sie haben, darüber sprachen wir mit CUP-Parlamentarier Arrufat.