Litauen: Regierung beschuldigt Opposition mit Moskau zu kooperieren
Die "grün-rote" litauische Regierung unter Ministerpräsident Saulis Skvernelis steht unter Druck und greift zu Verschwörungsvorwürfen
Es gibt Streiks aufgrund schwindender Löhne sowie kaum Chancen von Ministerpräsident Saulis Skvernelis auf das Präsidentenamt. Nun wirft Skvernelius der Opposition vor, vom Kreml unterstützt zu werden. Eine Rückkehr in die alte Zeit des Konspirationsdenkens?
Skvernelis, der der Partei der "Bauern und Grünen" (LVZS) angehört, unterstellte dem politischen Gegner, dem "Vaterlandsbund Christdemokraten Litauens" (HU-LCD), in der Haushaltsdebatte destruktiv zu agieren und erklärte, der Kreml stecke hinter ihren Aktionen.
Auch die Unterstützung der streikenden Lehrer durch die Konservativen sah der ehemalige Polizeichef Skvernelis als Indiz für seine These. Es gebe einen geheimen Plan, die Regierung der Bauern und Grünen und Sozialdemokraten zu unterwandern. Der ehemalige Polizeichef sprach von einem Dienst von "Drittstaaten" und lobte die bisherige Arbeit der "Beamten", er werde das Salär der Dienste anheben. Skvernelius hatte den Inlandsgeheimdienst VSD beauftragt, sich mit der Opposition zu beschäftigen. Auch der mächtige Parteichef Ramunas Karbauskis bestätigte die Gefahr, er habe entsprechende Unterlagen gesehen.
Verhaftet wurde vielmehr kurz vor Weihnachten Algirdas Paleckis ein ehemaliger Politiker der Kleinpartei "Sozialistische Volksfront" sowie einige weitere litauische Staatsbürger und ein Staatsbürger der Russischen Föderation. Ihnen wird Spionage für Russland vorgeworfen, unter anderem durch die Verwendung von Spyware.
In den Medien schlägt Skvernelisus aufgrund seiner Verdächtigungen herbe Kritik entgegen. Der Politologe Thomas Janeliūnas meint, dass die Opposition das Recht habe, die Regierung zu kritisieren, die Entpolitisierung des jetzigen Geheimdienstes sei ein hohes Gut, das nicht gefährdet werden dürfe. Ausgerechnet ehemalige Geheimdienstoffiziere warnen vor der Debatte. Gediminas Grina, der mit einem Einreiseverbot nach Russland belegt ist, hält eine Verwicklung der Konservativen mit dem Kreml für unwahrscheinlich.
"Meiner Meinung nach haben die Konservativen wirklich nichts mit dem Kreml zu tun. Die Konservativen könnten eher Beziehungen zu Nordkorea haben, jedoch nicht zum Kreml", versicherte der vormalige Geheimdienstchef Mecys Laurinkus. Er sieht das "Konspirative" und die Warnung vor verdeckten Aktivitäten als Rückkehr in die Vergangenheit. Damit ist nicht nur die Sowjetära gemeint, sondern auch die Zeit danach. Mehrere Stimmen warnen auch, dass eine solche Verdächtigungsdiskussion vor allem Russland nützen würde. Aber auch an Paleckis Verhaftung wurde von Grina Zweifel angemeldet. Paleckis sei eine zu auffällig agierende Person, um wirklich für den Kreml als Agent interessant zu sein.
Regierung will kritisches Staatsfernsehen schärfer kontrollieren
Fest steht: Litauens Haushalt ist belastet. Das Land muss die Ausgaben für das Militär aufstocken, um die von Donald Trump geforderten zwei Prozent des Inlandprodukts für die Verteidigung aufzubringen. Die Forderungen der Lehrer würden etwa 200 Millionen Euro für die Gehaltsaufstockung des Landes mit etwas weniger als drei Millionen Einwohnern und einer starken Abwanderung von Arbeitskräften bedeuten.
Zwar ist der Lehrerstreik vor Weihnachten beendet worden, er kann jedoch im nächsten Jahr wieder weiter gehen. Bereits drei Minister hat Skvernelius aufgrund der politischen Spannungen entlassen. Gleichzeitig führen die Konservativen mit 20 Prozent in Umfragen gegenüber der LVZS, die bei 16 Prozent liegt.
Auch deren Präsidentschaftskandidatin Ingrida Simonyte hat die besseren Chancen als Skvernelis, der als Kandidat seiner Partei ins Oberste Amt des Landes strebt. Simonyte wird gern mit Staatspräsidentin Daria Grybauskaite (blond, kinderlos, konservativ) verglichen, die gerade die Regierung nicht schont, ihr Arroganz und Unfähigkeit bei der Einführung von Bildungsreformen vorwirft.
Der Kreml-Verdacht und der Einsatz des Geheimdiensts kann als Panik gesehen werden, einige betrachten es als Ablenkungsmanöver. Denn dem mächtigen Parteichef der Grünen und Bauern, Ramunas Karbauskis, wurde 2014 von den Konservativen vorgehalten, im Dienste des Kremls zu stehen. Karbauskis, ein litauischer Oligarch und Eigentümer des Düngemittel-Unternehmens Agrokoncerno, würde mit seiner Partei einen Einfluss Russlands auf das litauische Energiewesen ermöglichen.
Glaubt man dem staatlichen Fernsehen LRT, das im Gegensatz zum polnischen Staatsfernsehen TVP noch nicht gleichgeschaltet ist, so gibt es zumindest dubiose Geschäftskontakte des Parteichefs der litauischen Regierungspartei. Zum Beispiel zu Viktor Gerasimenko, seit 2015 Vorsitzender des Chemie-Unternehmens KuibyshevAzot, zuvor Werksleiter und einst wichtiger Sponsor für den Wahlkampf von Wladimir Putin im Jahr 2000. Er ist auch Mitglied von dessen Partei "Vereinigtes Russland. LRT fand zudem heraus, dass Agrokoncernas seit fast einem Jahrzehnt eine Düngemittelanlage in Belarus besitzt.
Karbauskis sah im Gegensatz zu seinen Kritikern in den Kontakten kein Problem. Allerdings sollte dem investigativ agierenden Sender ein Riegel vorgeschoben werden. Die Regierungspartei arbeitet schon seit Anfang dieses Jahres daran, den Sender zu "durchleuchten". Zudem sollte der LRT-Rat ausgetauscht werden, politischen Parteien die Mitgliedschaft verwehrt und durch einen Vorstand ersetzt werden, vermutlich mit regierungsfreundlicheren Mitgliedern. Dies wurde im litauischen Parlament kurz vor Weihnachten verhindert, die Regierungspartei sei jedoch entschlossen, den Sender in ihrem Sinne zu reformieren, so die politischen Gegner.
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