Lockdown-Folgen: Weiter keine Rechtssicherheit für Gewerbemieter
Bundesgerichtshof hält Halbierung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage für zu pauschal. Komplizierte Einzelfallprüfungen sind angesagt
Rechtssicherheit in Sachen Mietminderung bleibt vorerst ein Traum für Gewerbetreibende, die von behördlich angeordneten Geschäftsschließungen im Zuge der Corona-Lockdowns betroffen waren. Für sie kommt zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Anpassung der Gewerbemiete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß Paragraph 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Betracht – das hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem Urteil am Mittwoch bestätigt.
Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage berechtige aber noch nicht zu einer Vertragsanpassung, stellte der BGH klar. Eine weitere Voraussetzung sei, dass dem betroffenen Vertragspartner "unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls" das Festhalten am unveränderten Mietvertrag "nicht zugemutet werden kann".
Unter der "großen Geschäftsgrundlage" wird die Erwartung beider Parteien verstanden, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern. Nicht nur im Musterfall einer Filiale des Textil-Discounters Kik im Raum Chemnitz entfiel diese Grundlage, als sie vom 19. März bis zum 19. April 2020 aufgrund einer Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums zur Eindämmung der Covid-19-Infektionswelle schließen musste.
Der Vermieter wollte dennoch die volle Miete in Höhe von rund 7850 Euro für den Monat April. Das Oberlandesgericht Dresden gestand jedoch dem Textil-Discounter eine Mietminderung um etwa die Hälfte zu. Schließlich gehe es um "weitgehende staatliche Eingriffe in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie". Das Risiko einer solchen Systemkrise könne nicht einer Vertragspartei allein zugewiesen werden.
Halbierung der Miete ist dem BGH zu pauschal
Auf die Revisionen der Klägerin, die nach wie vor die volle Miete verlangt, und der Beklagten, die ihren Abweisungsantrag weiterverfolgt, hat der Bundesgerichtshof nun das Urteil des OLG Dresden aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen
Dem BGH war die Halbe-Halbe-Regelung allerdings zu pauschal. "Es bedarf vielmehr einer umfassenden und auf den Einzelfall bezogenen Abwägung, bei der zunächst von Bedeutung ist, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind", hieß es am Mittwoch zur Begründung.
Diese Nachteile bestünden "bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung". Eine gute Nachricht für Kik dürfte darin bestehen, dass dafür nur der Umsatzrückgang im konkreten Mietobjekt und nicht ein möglicher Konzernumsatz entscheidend ist.
Allerdings darf die Anpassung der Miete laut BGH-Urteil zu keiner "Überkompensierung der entstandenen Verluste" führen. Deshalb sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit auch staatliche Unterstützungsleistungen "zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile" zu berücksichtigen – allerdings nicht, wenn es sich um bloße Darlehen handelt, die zurückgezahlt werden müssen und daher keine endgültige Kompensation darstellen.
Schwierig wird wohl für Betroffene der Nachweis, dass sie nichts unversucht gelassen haben, um die drohenden Verluste zu vermindern. Es kann nämlich auch eine Rolle spielen, "welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte", um die Folgen der Geschäftsschließung abzumildern. Vor allem für kleinere Geschäfte ohne eigene Rechtsabteilung könnte das schwierig werden.